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Kein Ritterschlag für Deutschland

Trotz Wohlverhalten beim NSA-Skandal – Berlins Geheimdienste bleiben Hilfstruppe

Von René Heilig *

Nachdem der einstige NSA-Mitarbeiter Edward Snowden die Spionage unter »Freunden« offengelegt hatte, ballte die Bundesregierung ihr Fäustchen. Man wollte in der Five-Eyes- Liga mitspielen. Pech gehabt!

Im Grunde ist das, was Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) da in Washington verkünden musste, keine überraschende Nachricht: Die USA werden mit der deutschen Regierung nicht über ein No-Spy-Abkommen verhandeln. Es stimmt, das ändert nichts an dem Skandal. Auch künftig werden die US-Dienste also ihr ungezügeltes Interesse in Deutschland entfalten. Auch an der Arbeit der Regierung und nachgeordneter Stellen.

Das (nie ernsthaft) angestrebte transatlantische Anti-Spionageabkommen hätte sich ohnehin nur auf diesen Kreis und möglicherweise noch auf die Wirtschaft bezogen. Um den Schutz der Bürger und deren Rechte wäre es nicht gegangen. Die vom Whistleblower Edward Snowden aufgedeckte millionenfache Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und der Verstoß gegen das Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität kommunikationstechnischer Anlagen wäre vom No-Spy-Akommen kaum berührt worden.

Im Grunde ging es aber nicht einmal darum, dass die deutsche Regierung sicher sein sollte vor Nachstellungen der Freunde. Das Abkommen hätte aber den geheimdienstlichen Wert der Bundesrepublik gesteigert. Man wäre auf Augenhöhe mit den Diensten der USA, Großbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands gewesen. Die sogenannten Five Eyes sind durch ein Abkommen verbunden, das eine enge Form des Informationsaustausches sichert. Als größten Vertrauensbeweis haben die fünf englischsprachigen Nationen verabredet, sich gegenseitig nicht zu bespitzeln. Deutschland sitzt dabei am Big-Five-Katzentisch – so wie Japan, Norwegen, Südkorea oder die Türkei. Der Ritterschlag blieb aus. Und das, obwohl Deutschland – man erinnere sich an die unlängst veranstaltete Münchner Sicherheitskonferenz – eine gewachsene Verantwortung in der Welt übernehmen soll und möchte.

Seit über einem halben Jahr sind diverse Formen der elektronischen Spionage durch Geheimdienste der USA und Großbritanniens bekannt. Und was wurde dagegen getan? Man gab sich mit allgemeinen Aussagen von US-Präsident Barack Obama zufrieden, der zusicherte, man werde als Konsequenzen aus dem Überwachungsskandal das Handy der Bundeskanzlerin nicht mehr anzapfen. Auch hat er behauptet, dass seine NSA keine Wirtschaftsspionage betreibe.

Bereits zuvor waren zwei Verwaltungsvereinbarungen aus dem Jahre 1968 von den USA und Großbritannien gekündigt worden. Das tat keinem weh, da diese aus dem Stationierungsabkommen abgeleiteten Spionagemöglichkeiten angeblich gar nicht genutzt wurden.

Es gibt Juristen, die meinen, die USA, Großbritannien und Frankreich könnten sich bei ihren geheimdienstlichen Aktivitäten auf deutschem Boden auf einen Notenwechsel vom 25. September 1990 zum 2+4-Vertrag berufen. Irren sich die Experten, könnte die deutsche Regierung simpel widersprechen. Warum tut sie es nicht? Und wie steht es um die Arbeit privater US-Firmen, die von US-Militärbasen aus in Deutschland operieren? Die Regierung sagt nichts dazu. Warum? Weil sie fürchtet, dass die nachrichtendienstliche Kooperation mit den Alliierten durch so viel Offenheit Schaden nehmen könnte? Zu keiner Zeit wurde auch nur damit gedroht, diese Kooperationen, die für einen Teil der Datenabflüsse aus Deutschland in die USA verantwortlich sind, auf Eis zu legen.

Es sei auffällig, dass die Bundesregierung auch solche Dienste, deren Spionagetätigkeit gegen Deutschland offensichtlich geworden ist, weiter als »Partnerdienste« oder sogar als »befreundete Partnerdienste« betrachtet, meint der Linksfraktionsvize und Innenexperte Jan Korte. Aus seiner Sicht wolle die Bundesregierung – was sie bereits mehrfach versuchte – die Debatte um US-Spionage und den Bruch von Bürgerrechten beenden. Doch es sei beschämend, dass ihr dabei nichts Intelligenteres einfällt als »ein Kasperletheater namens Cyber-Dialog«.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 1. März 2014


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