Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.
NSA lobt BND-Eifer Geheime Akten bestätigen: Deutsche Dienste tief in Skandal verstrickt Von René Heilig *

Der Verfassungsschutz hat bestätigt, dass ihm der US-Geheimdienst NSA eine Spionagesoftware zur Verfügung gestellt hat. Auch der BND scheint tiefer in die NSA-Affäre verstrickt, als die Regierung es bislang zugab.

Scheibchenweise und nur durch Medienrecherchen gezwungen geben die Spitzen der deutschen Geheimdienste Einzelheiten über die Verstrickung ihrer Dienste in die globale Spitzelaffäre des US-Militärgeheimdienstes NSA zu. Zuvor leugneten sie diese sogar gegenüber den Zuständigen im Parlament.

Nun gestand der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, dass man von der NSA Software bekommen habe. Dabei handelt es sich vermutlich um das System XKeyscore. Doch die Software werde nur getestet, nicht eingesetzt, beschwichtigte Maaßen gegenüber der »Bild am Sonntag«. Auch dementierte er, dass seine Behörde damit »in Deutschland Daten erhebt und an die USA weiterleitet oder von dort Daten erhält«.

Solche Dienstleistungen kann der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, nicht länger leugnen. Zumindest in »Einzelfällen« seien Datensätze an die NSA übermittelt worden. Ende April war eine zwölfköpfige hochrangige BND-Delegation bei der NSA und traf auf diverse Spezialisten für Datenbeschaffung, berichtet der »Spiegel«.

Geheime NSA-Papiere besagen angeblich, dass mit XKeyscore ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfasst wird, auf die die NSA Zugriff hat. Auf Basis von Verbindungsdaten kann erkannt werden, welche Stichworte Zielpersonen in Internet-Suchmaschinen eingegeben haben. Zudem könnten Kommunikationsinhalte eingesehen werden. Das System könne mehrere Tage einen »full take« aller ungefilterten Daten speichern.

Offenbar hat sich die Zusammenarbeit mit der NSA gerade seit dem Amtsantritt von BND-Chef Schindler Ende 2011 intensiviert. In US-Unterlagen sei vom »Eifer« des Präsidenten die Rede. »Der BND hat daran gearbeitet, die deutsche Regierung so zu beeinflussen, dass sie Datenschutzgesetze auf lange Sicht laxer auslegt, um größere Möglichkeiten für den Austausch von Geheimdienst-Informationen zu schaffen«, hätten NSA-Mitarbeiter im Januar notiert, so der »Spiegel«.

Trifft das zu, hätte der Skandal unweigerlich deutsche Regierungsspitzen, also die sich ahnungslos gebende Angela Merkel sowie ihr Kanzleramt erreicht, das direkt zuständig ist für den BND und die Koordinierung aller Dienste.

Nachdem der ehemalige NSA-Mann Edward Snowden vor sechs Wochen die Enthüllungen zum globalen Spitzelskandal angestoßen hatte, denken Oppositionspolitiker über einen möglichen Untersuchungsausschuss im kommenden Bundestag nach. Der scheint notwendig. Offenbar haben Regierungen das für Geheimdienstaktivitäten zuständige Paramentarische Kontrollgremium sowie die Vertrauensleute des Haushaltsausschusses systematisch belogen.

Als Beleg steht auch die Aussage von Ex-NSA-Chef Michael Hayden im ZDF: Man sei nach den Anschlägen vom 11.9.2001 »sehr offen« zu den Freunden gewesen. Vom Skandal betroffen sind demnach also auch die damals regierende SPD und die Grünen. Dass sie jetzt Aufklärung fordern, ist für die CDU »verantwortungslose Heuchelei«. Der Datenschutzexperte der Bundestagslinken Jan Korte warnt: »Wenn sich die Regierung weiter jeglicher Aufklärung verweigert, muss von einem Staatsnotstand gesprochen werden.«

* Aus: neues deutschland, Montag, 22. Juli 2013


Deutsche Dienste nutzen NSA-Spähsoftware

Laut Spiegel reger Austausch von Daten zwischen Bundesrepublik und USA **

Die Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und des Bundesnachrichtendienstes (BND) bestätigten am Wochenende, daß ihre Behörden die NSA-Spähsoftware »XKeyscore« verwenden. Sie kann laut aktuellem Spiegel neben Verbindungsdaten zumindest teilweise auch Kommunikationsinhalte darstellen. Das BfV teste das Programm, setze es aber »derzeit« nicht für seine Arbeit ein, sagte Präsident Hans-Georg Maaßen der Bild am Sonntag. BND-Präsident Gerhard Schindler räumte in dem Blatt ein, daß der Auslandsgeheimdienst 2012 in Einzelfällen auch Datensätze deutscher Staatsbürger an die USA übermittelt habe.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann behauptete: »Das erschüttert die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin bis ins Mark.« Als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums für Geheimdienste kündigte er an, Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) zu einer weiteren Sondersitzung des Gremiums einzuladen. Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, forderte, Maaßen und Schindler zu beurlauben.

Laut Spiegel wird mit »XKeyscore« ein großer Teil der Datensätze aus Deutschland erfaßt, auf die die NSA Zugriff hat. Das Programm könne etwa auf der Basis von Verbindungsdaten sichtbar machen, welche Stichworte Zielpersonen in Internet-Suchmaschinen eingegeben haben. Über die Dauer der Zusammenarbeit gab der frühere NSA-Chef Michael Hayden im ZDF Auskunft. Nach seiner Darstellung hatten die USA ihre Kooperation mit den Europäern nach den Anschlägen vom 11. September 2001 massiv ausgeweitet und keinen Zweifel an den Zielen gelassen: »Wir waren sehr klar darüber, was wir vorhatten.« Damals regierte in Berlin eine SPD-Grünen-Koalition. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warf der Opposition »Heuchelei« vor.

Das Bundesinnenministerium weiß laut Focus bereits seit über 20 Jahren, daß die NSA Deutschland großflächig ausspioniert. 1992 habe das Ministerium Akten des MfS dazu eingezogen.

** Aus: junge Welt, Montag, 22. Juli 2013


Mittäter

NSA-Spionage und Aufklärung

Von Arnold Schölzel ***


Wer den Krieg will, bekommt ihn. Die Deutschen hatten nach 1945 in ihren zerstörten Städten eine Ahnung davon. Wer wie die Bundeskanzlerin des öfteren in der DDR erwogen hat, »in den Westen zu gehen«, wußte, worauf er sich einläßt: Auf einen Staat, der seit seiner Gründung auf Krieg getrimmt war.

Die Bundeswehr wirbt heute offen als weltweit einsetzbare Interventionsarmee um Nachwuchs. Als der damalige US-Außenminister Colin Powell 2003 dem UN-Sicherheitsrat von irakischen Massenvernichtungswaffen vorlog, war seine Quelle der BND. Der half beim Krieg ohne UN-Resolution mit Residenten im bombardierten Bagdad als eine Art Funkleitfeuer. Die deutsche oder die Justiz eines anderen Landes hat dies oder Ähnliches in Zusammenhang mit den US-geführten Kriegen der vergangenen 23 Jahre nie verfolgt. Das galt für den Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 ebenso wie für den längst nach Begründung und wegen seiner Führung mit terroristischen Methoden völkerrechtlich illegalen Afghanistan-Krieg und für die anderen Feldzüge bis in die Sahara und an die syrische Grenze. Auf den Amtseid wird gepfiffen. Es steht fest: Sie wollten und sie wollen Krieg.

Merkel und ihresgleichen, die den Westen im Osten begrüßten und das Regime permanenten Kriegs unter wechselnden Vorwänden – Terroristen, »Hitler von Bagdad«, Diktator, »Schlächter«, gescheiterter Staat – und mit konstanten Interessen nach strategischen Stützpunkten, nach militärischer Einkreisung von China und Rußland, nach Rohstoffen etc. bejahen, kann angesichts der damit verbundenen Verfassungsbrüche, der billigenden Hinnahme von Kriegsverbrechen, der Verhinderung juristischer Verfolgung hier und international eine Angelegenheit wie das bißchen Datenspionage durch die »befreundeten« Dienste nicht besonders interessieren. Sie haben ungerührt die längste Friedensperiode in Europa beendet. Ihr Eifer gilt allein dem Nachweis, daß DDR und Faschismus dasselbe sind und die DDR auch ohne Auschwitz und Weltkrieg das schlimmere System war.

Am heutigen Montag läuft in der ARD die Dokumentation »Töten per Joystick«. Sie berichtet, war vorab zu erfahren, daß 4700 Menschen bisher von US-Drohnen weltweit getötet wurden, daß die Mitglieder der US-Regierung die Anweisung hatten, unter allen Umständen dazu zu schweigen, daß Drohneneinsätze in Afrika und Teilen Asiens über deutschen Boden abgewickelt werden. Die Bundesrepublik, Frau Merkel und Co, sind vermutlich völkerrechtlich, auf jeden Fall politisch Mittäter. Für Drohnen, die ab 2016 auch von der Bundeswehr eingesetzt werden sollen, werden natürlich Unmengen Daten benötigt. Der Drohnenkrieg entspringt einem Kriegsunrechtsregime. Ohne die Außerkraftsetzung von Grundrechten kein staatlich angeordneter Mord. Von Überzeugungsmittätern Aufklärung zu erwarten, ist vergeblich. Bis der Krieg zurückkommt.

*** Aus: junge Welt, Montag, 22. Juli 2013 (Kommentar)

Kanzlerin gibt die Ahnungslose

Merkel will in der NSA-Abhöraffäre erst einmal abwarten

Von Aert van Riel *

Bei ihrer Sommerpressekonferenz hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag einen vagen Acht-Punkte-Plan für eine Verbesserung des Datenschutzes vorgestellt. Oppositionspolitiker kritisierten die mangelnde Aufklärung beim NSA-Abhörskandal.

Angela Merkel hat Aufklärung über die NSA-Abhöraffäre versprochen. Auf einen Zeitplan wollte sich die Kanzlerin jedoch bei ihrem traditionellen Sommerauftritt vor der Bundespressekonferenz nicht festlegen. Zunächst einmal müssten die US-Amerikaner die deutschen Bitten prüfen. »Ich kann doch nur zur Kenntnis nehmen, dass unsere amerikanischen Partner hierfür Zeit brauchen«, so die CDU-Chefin. Sie selbst gab sich bezüglich des US-Überwachungsprogramms Prism ahnungslos. »Mir ist es unmöglich, eine Analyse von Prism zu liefern«, sagte Merkel.

Zahlreiche weitere Fragen der Hauptstadtjournalisten zu dem Thema beantwortete sie ausweichend. Auf harte Kritik an der USA-Regierung verzichtete Merkel. Die US-Amerikaner seien »Partner« und »Freunde«. Zur Spionage der USA von EU-Einrichtungen sagte Merkel lediglich: »Unter Freunden macht man das nicht. Das muss aufgeklärt werden.«

Die Kanzlerin will allerdings nicht als völlig tatenlose Zuschauerin der Abhöraffäre wirken. Zur Beruhigung des Wahlvolkes hatte sie einen Acht-Punkte-Plan für eine Verbesserung des Datenschutzes mitgebracht. Das Auswärtige Amt solle mit den USA über die Aufhebung einer Verwaltungsvereinbarung von 1968 verhandeln, kündigte Merkel an. Laut dieser Regelung müssen Abhörmaßnahmen der USA in der Bundesrepublik nicht von der G-10-Parlamentskommission genehmigt werden. Auch sollen gemeinsame Standards zur Tätigkeit von Auslandsnachrichtendiensten entwickelt werden. Zudem plant die Bundesregierung, die Bürger über Datenschutz aufzuklären, damit sie ihre Kommunikation verschlüsseln können.

Oppositionspolitiker reagierten erwartungsgemäß unzufrieden auf Merkels Ankündigungen. LINKE-Innenpolitiker Jan Korte monierte, ihre acht Schlussfolgerungen seien Ausdruck von Unfähigkeit oder Unwillen, Licht ins Überwachungsdunkel zu bringen. Der Bundestag sei aufgerufen, die Aufklärung selbst in die Hand zu nehmen. »Eine Delegation des Bundestages, am besten des Innenausschusses, sollte sich auf den Weg nach Moskau machen, um dort Edward Snowden zu treffen und zu befragen«, schlug Korte vor. Ex-Geheimdienstmitarbeiter Snowden hatte die US-Datenspionage enthüllt.

Noch während Merkels Pressekonferenz erklärte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck, der Auftritt sei »nicht nur eine Beleidigung an alle Zuhörer, die Aufklärung erwartet haben, sondern auch eine intellektuelle Beleidigung aller Kanzleramtsmitarbeiter, so zu tun, als hätte man von nichts eine Ahnung«.

Den Verlust vieler Wähler muss die Kanzlerin wegen der Abhöraffäre aber wohl nicht fürchten. Der Deutschlandtrend des ARD-Morgenmagazins ergab zwar, dass mehr als zwei Drittel der Deutschen unzufrieden mit den »Aufklärungsbemühungen« von Schwarz-Gelb sind. Bei der Wahlentscheidung spielt dies für 70 Prozent der Befragten aber nur eine geringe oder gar keine Rolle.

Nächste Woche will Merkel die Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema lenken und sich im Wahlkampf von der Flutkatastrophe antreiben lassen. Kurz vor ihrem Sommerurlaub in Südtirol reist sie am Dienstag zu Betroffenen nach Fischbeck und Kamern in Sachsen-Anhalt, um ihnen Unterstützung zuzusichern.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 20. Juli 2013


Merkels Macht

Von Tom Strohschneider **

Wenn die Kanzlerin ihre Regierung als »erfolgreichste seit der Wiedervereinigung« bezeichnet, dann gehört das zur Folklore des Parteienstreits. Es lohnt darüber keine Aufregung. Wenn Angela Merkel im selben Atemzug jedoch erklärt, der Wahlkampf finde auch dieses Jahr »über die Dinge statt, die die Menschen beschäftigen«, kann man das der CDU-Chefin nicht einfach durchgehen lassen.

Seit Wochen wird über die Ausspähung von Bürgerdaten durch Geheimdienste diskutiert, werden Konsequenzen gefordert, machen immer neue Enthüllungen die Runde. Zentrale Grundrechte stehen auf dem Spiel, weshalb der Druck auf die Mitwisser und Vertuscher, auch auf jene, die sich an ihr eigenes Zutun plötzlich nicht mehr erinnern, stark bleiben muss.

Aber: Die Diskussion über die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden und die Konsequenzen daraus wirft einen riesigen Schatten. In diesem verschwindet eine soziale Realität, die – um es zurückhaltend zu formulieren – keine geringere Herausforderung darstellt als die heimliche Speicherung von E-Mail-Betreffzeilen durch staatliche Stellen. Wenn in einer Gesellschaft, deren Reichtum sich zwischen 1992 und 2012 mehr als verdoppelt hat, in der aber trotzdem Millionen von Armut betroffen oder bedroht sind, die berühmt-berüchtigte Systemfrage beinahe keine Rolle im Wahlkampf spielt, läuft etwas falsch.

Das ist kein Plädoyer dafür, Dinge gegeneinander auszuspielen: Die Linke darf sich niemals mehr der falschen Erwartung hingeben, eine praktische Antwort auf die soziale Frage werde die Sache mit den Freiheitsrechten schon irgendwie mitregeln. Sie würde damit auf das Niveau des für den Schutz der Verfassung zuständigen Ministers herabsinken, der die »innere Sicherheit« zu einem »Supergrundrecht« erklärte – und damit andere, soziale Verfassungsansprüche zu Ableitungen davon degradierte.

Es ginge vielmehr darum, Merkels Satz vom Wahlkampf über Themen, »die die Menschen beschäftigen«, Geltung zu verschaffen. Umfragen zeigen, dass es drohende oder erlittene Erwerbslosigkeit ist, dass es die Folgen der Krise, Fragen der Alterssicherung sowie der Bildung sind, welche die Menschen mit deutlichem Abstand am meisten interessieren. Und alle wissen, dass es nicht die kleinen Karos auf reformpolitischem Millimeterpapier sind, die hier den Unterschied zwischen »Es bleibt wie es ist« und wirklicher Veränderung machen.

Sicher: Ein paar sozialpolitische Oldies wie der Mindestlohn laufen am Rande des Wahlkampfes mit. Die Menschen interessiert aber nicht, wer das Urheberrecht dafür beanspruchen darf. Sie haben andere Probleme.

Eines davon heißt Angela Merkel. »Die Lage unseres Landes ist gut. Das ist der Erfolg der Menschen«, hat die Kanzlerin erklärt. Und sie muss sich bisher keine großen Sorgen machen, dass ihr die Quittung für diese Verhöhnung der Lebenslage Hunderttausender erteilt wird. Von den Armen und Abgehängten gehen schließlich immer weniger überhaupt noch zur Wahl.

Merkel weiß um diesen Pfeiler ihrer Macht – und hat über die Millionen Niedriglöhner, Prekären und Erwerbslosen in ihrer großen Sommerpressekonferenz deshalb kein Wort verloren. Es hat sie aber auch weder jemand danach gefragt noch ist absehbar, dass die alltäglichen Folgen des kapitalistischen Normalzustandes durch größere Proteste alsbald zu einem Thema gemacht werden könnten, an dem dann auch die Kanzlerin nicht mehr vorbeikommt. Zumindest dafür kann man der CDU-Vorsitzenden keinen Vorwurf machen.

** Tom Strohschneider ist Chefredakteur von "neues deutschland".

Aus: neues deutschland, Samstag, 20. Juli 2013 (Kolumne)



»Deutschland ist kein Überwachungsstaat«

So viel weiß die deutsche Bundeskanzlerin immerhin über »Prism« ***

Auch Wochen nach den ersten Enthüllungen über das US-Spähprogramm »Prism« bleibt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in dem Datenskandal konkrete Antworten schuldig. »Mir ist es völlig unmöglich, hier eine Analyse von ›Prism‹ vorzunehmen«, erklärte sie am Freitag bei ihrer traditionellen Pressekonferenz vor der Sommerpause in Berlin. Die Bundesregierung bemühe sich auf verschiedenen Ebenen um Aufklärung, »aber es liegt eben auch nicht ganz alleine in meiner Hand«. Einer seltsamen Logik folgend wußte sie dann aber: »Deutschland ist kein Überwachungsstaat.« Zum in Afghanistan von der NATO verwendeten »Prism«-Programm erklärte Merkel lediglich, was damit geschehe, sei überlebenswichtig für die Soldaten. Genaueren Nachfragen wich sie aus. »Ich kann doch nur zur Kenntnis nehmen, daß unsere amerikanischen Partner Zeit für die Prüfung brauchen.« Oppositionspolitiker rügten Merkels Auftritt als Zeichen der Ahnungs- und Hilflosigkeit.

Angesichts einer Äußerung von NSA-Chef Keith Alexander deutet sich an, daß die deutschen Wünsche in den USA als Witz betrachtet werden: »Wir sagen ihnen nicht alles, was wir machen oder wie wir es machen – aber jetzt wissen sie es«, erklärte Alexander laut ZDF am Donnerstag auf einem Sicherheitsforum in Aspen im US-Bundesstaat Colorado.

Die EU-Justizminister verständigten sich am Freitag im litauischen Vilnius im Grundsatz auf strengere Vorschriften für US-Internetfirmen, wenn diese Daten von EU-Bürgern weitergeben. Verstoßen Google, Facebook und andere Unternehmen gegen EU-Prinzipien, drohen ihnen Geldbußen von bis zu zwei Prozent ihres Jahresumsatzes.

Der Journalist Glenn Greenwald – ein Vertrauter des Informanten Edward Snowden – sagte in der ARD, in den nächsten Tagen seien weitere Berichte über die Ausspähung zu erwarten, »die wahrscheinlich noch explosiver sind«.

*** Aus: junge Welt, Samstag, 20. Juli 2013


Zurück zur Geheimdienst-Seite

Zurück zur Homepage