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Keine Spielverderberin

Das Nobelkomitee zeichnete dieses Mal gleich drei Frauen in der Kategorie "Frieden" aus und umging dabei geschickt die Kriege der NATO

Von Claudia Wangerin *

»Drei für alle«, jubelte die taz, als die diesjährigen Friedensnobelpreisträgerinnen bekanntgegeben wurden. »Erst 15 Frauen hat das Osloer Komitee in seiner Geschichte ausgezeichnet. Jetzt hat es ein Zeichen gesetzt.« In der Begründung des Nobelkomitees heißt es: »Wir können keine Demokratie und dauerhaften Frieden in der Welt erreichen, wenn Frauen nicht die gleichen Möglichkeiten wie Männer haben, um die Entwicklungen auf allen Ebenen der Gesellschaft zu beeinflussen.« So weit, so gut.

Auf den zweiten Blick stellt sich aber zum Beispiel die Frage, warum der Preisträger des Jahres 2009, US-Präsident Barack Obama, sich die Auszeichnung nicht mit zwei Bürgerrechtlern teilen mußte, während ein Friedensnobelpreis ruhig auf mehrere Schultern verteilt werden kann, wenn er an afrikanische oder arabische Frauen geht – Staatspräsidentin hin oder her. Von der Frage, ob Obama wirklich der Richtige für die Kategorie »Frieden« war, ganz zu schweigen. Liberias Regierungschefin Ellen Johnson-Sirleaf teilt sich die Auszeichnung mit der Friedensaktivistin Leymah Gbowee, ebenfalls aus Liberia, und der jemenitischen Frauenrechtlerin Tawakkul Karman.

Ellen Johnson-Sirleaf gilt seit 2006 als erste demokratisch gewählte Präsidentin Afrikas und verweist mitunter auf ihre Rolle als Mutter und Großmutter, wenn es darum geht, warum Frauen in der Politik sensibler für die Bedürfnisse der Menschen seien. Die Sozialarbeiterin Leymah Gbowee organisierte im Bürgerkriegsjahr 1997 in Liberia christliche und muslimische Frauen, die in weißer Kleidung für den Frieden demonstrierten, nachdem der Warlord Charles Taylor die Truppen von Staatschef Samuel Doe zurückgedrängt hatte und Präsident geworden war. 2002 traten die Aktivistinnen in einen Sexstreik und erklärten, sich ihren Männern so lange zu verweigern, bis die Gewalt beendet sei.

Die jemenitische Journalistin Ta­wakkul Karman organisiert seit 2007 wöchentliche Demonstrationen für Bürger- und Frauenrechte, fordert Frauenquoten im öffentlichen Dienst, kritisierte den Informationsminister, weil dieser ihre NGO »Journalistinnen ohne Ketten« verbieten lassen wollte, und fordert den Rücktritt von Präsident Ali Abdullah Saleh. Karman gehört einer islamischen Partei an und widmete den Nobelpreis in einer Stellungnahme allen Aktivistinnen und Aktivisten des »Arabischen Frühlings«.

Drei Frauen, die in ihren Ländern und Regionen wichtige Meilensteine für die Emanzipation gesetzt haben, sicher. Eine Kriegsgegnerin, die sich explizit gegen einen Feldzug der NATO stellt – wie etwa die schon 2005 nominierte afghanische Politikerin und Frauenrechtlerin Malalai Joya – ist aber nicht dabei. Das Nobelpreiskomitee setzt somit keinen eindeutigen Kontrapunkt zur Auszeichnung von Barack Obama 2009, der im selben Jahr die Zahl amerikanischer Soldaten in Afghanistan verdoppelt hatte. Warum nicht endlich mal eine Spielverderberin, die mit den Mythen der Frauen- und Menschenrechtskrieger aufräumt und sich herausnimmt, besser zu wissen als westliche Regierungen, was gut für ihr Land ist und?

* Aus: junge Welt, 14. Oktober 2011


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