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"Eine kraftvolle Stimme, die für die besten Kräfte in Afrika spricht"

Das Nobelpreiskomitee vergibt den Friedensnobelpreis an die Kenianerin Wangari Maathai

Der Friedens-Nobelpreis geht in diesem Jahr an die Kenianerin Wangari Maathai. Die 64-jährige Vize-Umweltministerin von Kenia ist die erste Afrikanerin, die den Preis erhält, wie das norwegische Nobelkomitee am 8. Oktober 2004 in Oslo bekannt gab. Sie werde für ihren Einsatz für Umwelt und Menschenrechte sowie Demokratie und Frieden ausgezeichnet. Politiker wie auch amnesty international und der Bund für Umwelt und Naturschutz begrüßten die Wahl.

Maathai sei eine starke Stimme, die für die besten Kräfte in Afrika spreche, um Frieden und gute Lebensbedingungen auf dem Kontinent voran zu treiben, hieß es in der Begründung des Nobelkomitees. Zudem habe sie sich um die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung Afrikas verdient gemacht. Maathai hatte 1977 die "Green Belt"-Bewegung gegründet, in der jahrelang arme Frauen 30 Millionen Bäume gepflanzt haben. Ziel der Bewegung ist es, die Ausbreitung der Wüste zu bekämpfen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland freute sich, die Auszeichnung fördere den Gedanken, dass Umweltpolitik immer auch Friedenspolitik sei.

Wegen ihres Einsatzes gegen Unterdrückung und für den Umweltschutz wurde die Professorin Maathai in der Vergangenheit in Kenia mehrmals verhaftet und misshandelt.

Die Nobelpreise sind mit jeweils umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotiert. Im Unterschied zu den übrigen, in Schweden verliehenen Preisen wird der Friedens-Nobelpreis durch das norwegische Nobelkomitee vergeben.




Mit der Vergabe des Friedenspreises an Wangari Maathai rückt das Nobelpreis-Komitee einen Konflikt in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit, der nicht jeden Tag neue Schlagzeilen macht. Ihr ganzes Leben lang hat die 64-jährige Kenianerin für die Überzeugung gekämpft, dass Frieden mit der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen beginnt. "Wenn wir unsere Ressourcen zerstören und diese knapp werden, fangen wir an, darum zu kämpfen", sagte Maathai am Freitag nach der überraschenden Entscheidung in Oslo.

Den Begriff des Umweltschutzes fasst die erste Friedensnobelpreisträgerin aus Afrika aber so weit, dass auch Gesellschaft und Politik mit eingeschlossen werden. Die 1977 von ihr gegründete Grüngürtelbewegung (Green Belt Movement) hat nicht nur die Anpflanzung von mehr als 30 Millionen Bäumen in ganz Afrika betrieben, sondern engagiert sich auch für die Förderung von Frauen aus traditioneller Unmündigkeit oder für den Kampf gegen die Korruption.

"Wir sind der Überzeugung, dass Maathai eine kraftvolle Stimme ist, die für die besten Kräfte in Afrika spricht, um Frieden und gute Lebensbedingungen auf diesem Kontinent voranzubringen", heißt es in der Würdigung des Nobel-Komitees. Bei einer Rekordzahl von 195 Nominierungen war die Qual der Wahl für das Gremium diesmal besonders schwierig. "Zum ersten Mal bestimmt der Umweltschutz die Agenda für den Friedensnobelpreis", sagte der Komitee-Vorsitzende Ole Danbolt Mjös. "Wir haben dem Frieden eine neue Dimension hinzugefügt."

Maathai wurde im April 1940 in einem Dorf in der Nähe des Kenia-Bergs geboren. Sie habe eine "ganz normale Kindheit" verbracht, erinnert sie sich - das kleine Mädchen lief die Berge hoch und runter, um ihrer Mutter Wasser und Feuerholz zu bringen. Dank der Schule konnte sie aber bald die Grenzen ihres Dorfs überschreiten. Maathai die erste Frau in Ost- und Zentralafrika, die einen Doktortitel erwarb - ihr Biologie-Studium schloss sie 1964 am Mount St. Scholastica College in Atchison im US-Staat Kansas ab. Als Leiterin des Nationalen Frauenrats von Kenia gründete sie 1977 das Green Belt Movement (GBM): "Ich hörte damals Klagen von Frauen an. Viele von ihnen hatten nicht genug Feuerholz, nicht genug Nahrung für ihre Kinder."

Bei den Bemühungen um die Erhaltung der letzten Wälder in Kenia machte sie bald die Erfahrung, welche Bedeutung die Korruption bei wichtigen Entscheidungen hatte. 1987 gründete sie die Grüne Partei in Kenia und schloss sich mit anderen Frauen zu Protesten gegen die Folter von politischen Gefangenen zusammen. "Man kann nicht zählen, wie oft sie verhaftet und von der Polizei geschlagen wurde", sagt der Vorsitzende der Grünen Partei Kenias, John Makanga. 1989 floh sie nach Tansania, kehrte aber bald wieder zurück.

1997 kandidierte Maathai für das Präsidentenamt, gewann aber nur wenige Stimmen. Trotz der Enttäuschung blieb sie standhaft und erlebte 2002, wie Präsident Daniel arap Moi nach 24-jähriger Regierungszeit abgelöst wurde. Sie selbst wurde 2002 mit 98 Prozent der Stimmen ins Parlament gewählt, und der neue Präsident Mwai Kibaki ernannte sie zur stellvertretenden Umweltministerin.

"Dies ist ein großartiger Augenblick in der Geschichte Kenias", sagte Regierungssprecher Alfred Mutua zur Vergabe des Friedensnobelpreises. "Wir sind sehr stolz auf sie."

Freude auch an der Uni Gießen

Besondere Freude über die Vergabe des diesjährigen Friedensnobelpreises an Wangari Maathai herrscht wohl nicht nur in der kenianischen Heimat der Geehrten. Auch die Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen reagierte am Freitag positiv überrascht auf die hohe Ehrung des norwegischen Nobelkomitees für Maathai.

Die stellvertretende Umweltministerin Kenias sei der mittelhessischen Hochschule seit Jahrzehnten verbunden, hieß es am Abend von der JLU. Die bis in die 60er Jahre zurückreichende Beziehung zur Gießener Uni sei 1992 mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Maathai gekrönt worden. Die Afrikanerin kann zudem bereits auf andere renommierte Auszeichnungen stolz sein, wie die Universität betonte. So habe Maathai bereits im Jahr 1985 den Alternativen Nobelpreis und in diesem Jahr den Petra-Kelly-Preis der Heinrich-Böll-Stiftung verliehen bekommen.

Über Wangari Maathai

(...) Geboren wurde Maathai 1940 in Nyeri, einer Provinzstadt zwischen Teeplantagen in Kenias Highlands. Dass sie eine höhere Schule besuchen konnte, war auf dem Land eine Seltenheit. Zum Studieren verließ sie zunächst ihre Heimat und studierte Biologie in Kansas und Pittsburgh. Es folgte die Karriere an Nairobis staatlicher Universität. Doch zugleich engagiert die energische Frau sich für ihre Landsleute.

Ihren Platz sieht sie dabei immer nah bei den Menschen. "Mir geht es vor allem darum, die politische Elite davon zu überzeugen, dass Gleichheit, Demokratie, Umwelt- und politisches Verantwortungsbewusstsein Teil der Politik werden müssen", sagt sie später über ihre Arbeit. Im repressiven Klima des Moi-Regimes scheut sie keine Konflikte. Anfang der 70er Jahre gründet Maathai die erste Umweltbewegung Kenias, das "Green Belt Movement". Dort kämpft sie mit Baumpflanz-Aktionen für die Erhaltung von Wäldern in Kenia und Ostafrika und zugleich für mehr Demokratie.

Doch je einflussreicher ihre Bewegung wird, desto schwieriger wird die Lage für Maathai. 1991 wird sie vom Regime verhaftet, ins Gefängnis geworfen, misshandelt. Es sind Aktivisten wie sie, die ihr schließlich zur Freiheit verhelfen: Eine Briefkampagne von Amnesty International sorgt für so viel Druck, dass die kenianischen Behörden Maathai freilassen müssen.

Ihre politische Arbeit setzt die dreifache Mutter danach fort. Als Vorsitzender des Nationalen Frauenrates streitet sie jetzt auch für Frauenrechte. Als Kenias Präsident Moi 1998 hunderte Hektar Wald roden lassen will, um Luxushäuser bauen zu lassen, geht die streitbare Aktivistin ebenfalls auf die Straße. Ein Jahr später wird sie angegriffen und verletzt, während sie einen Setzling pflanzt.

Ihr Mann hatte sich da schon von ihr scheiden lassen. Seine Frau sei "zu gebildet, zu stark, zu erfolgreich und habe zuviel Kontrolle über die Dinge", so seine Begründung. Rückschläge erlebt Maathai zunächst auch in der Politik: 1997 bewirbt sie sich als kenianische Präsidentin und verliert: Ihre Partei hatte, ohne sie davon zu informieren, wenige Tage zuvor die Kandidatur zurück gezogen.

Ins Parlament schafft Maathai es erst, als die Oppositionsbewegung 2002 den Sprung an die Regierung schafft. Der neue Präsident Mwai Kibaki ernennt sie daraufhin zur Vize-Umweltministerin, einen Posten, den Maathai bis heute innehat. Der Sprung an die Regierung änderte für sie nichts an ihren Zielen. "Ich habe jetzt eine weitaus bessere Position", betont Maathai bei der Entgegennahme des Petra-Kelly-Preises 2004 in Berlin. "Ich sitze jetzt am Lenkrad und nicht mehr auf dem Beifahrersitz."

Ihre Kampfeslust hat Wangari Maathai dadurch nicht eingebüßt. Noch vor wenigen Tagen forderte sie eine gerechte Landpolitik in Kenia. Um dieses in der Regierung umstrittene Ziel zu erreichen, so Maathai, sei sie bereit, dafür ihren Regierungsposten aufs Spiel zu setzen.

Marc Engelhardt, Nairobi; Beitrag für www.tagesschau.de


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