100 Jahre nach der Nobelpreisrede Bertha von Suttners
In Frankfurt wurden die Bertha-von-Suttner Kunst- und Medienpreise verliehen
Von Ellen Diederich
Vor 100 Jahren, am 10. 12. 1905 wurde als erste Frau Bertha von Suttner mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Bertha von Suttner initiierte Friedensgesellschaften, kämpfte für die Einrichtung eines Schiedsgerichtes, das die Aufgabe haben sollte, internationale Konflikte durch friedliche Schlichtung zu lösen. Als erste Frau redete sie bei der Weltfriedenskonferenz in Den Haag. Sie engagierte sich für Frauenemanzipation, gegen Antisemitismus, vor allem aber in der internationalen Friedensbewegung.
Ihr Lebensmotto war identisch mit dem Titel ihres berühmtesten Romans: „Die Waffen nieder!“ Mit diesem Buch revolutionierte sie die Idee der alten Ordnung, die den Krieg als unvermeidbares Phänomen in der Menschheitsgeschichte annahm. Das Buch wurde in 16 Sprachen übersetzt. Durch die Veröffentlichung als Fortsetzungsgeschichte im „Vorwärts“ wurden ihre Ideen einer großen Leserschaft zugänglich gemacht.
Es war Bertha von Suttner, die Alfred Nobel zur Stiftung des Nobelpreises anregte.
Das Geld für die Preise stammt aus dem Vermögen, das Nobel mit seinen vielen Erfindungen gemacht hat. Er befand: Es sei für reiche Leute unstatthaft, ihr Vermögen den Verwandten zu hinterlassen. Angesammelte große Habe müsse an die Allgemeinheit und für allgemeine Zwecke zurückgehen.
Die Deutsche Friedensgesellschaft DFG/VK, die von Bertha von Suttner initiiert wurde und das Internationale Frauenfriedensarchiv Fasia Jansen nahmen den 100sten Jahrestag zum Anlass, die Arbeit Bertha von Suttners und die Aktionen und Forschungen vieler Frauen für Frieden, die sie über den Zeitraum der 100 Jahren geleistet haben, durch Seminare, Veranstaltungen und Ausstellungen bekannt zu machen.
Die Ausstellung: Vom Kult der Gewalt zur Kultur des Friedens kann beim IFFA ausgeliehen werden. (Friedensa@aol.com)
Die Erinnerung an die Friedensaktivistin ist nun mit einem Preis verbunden worden: Am 18. April 2006, genau hundert Jahre, nachdem Bertha von Suttner ihre Nobelpreisrede gehalten hat, wurden in Frankfurt die ersten Bertha-von-Suttner Kunst- und Medienpreise verliehen. Schirmfrau der Kampagne ist Frau Professorin Dr. Uta Ranke-Heinemann.
Einzelpersonen und Gruppen, die ihre Visionen vom Frieden in Filme, Musik, Bücher, Aktionen umgesetzt haben, haben sich beteiligt. Das Ergebnis ist ermutigend. Die Bandbreite heutiger Friedensarbeit wurde in den 16 Einreichungen deutlich. Sie reichten von Aktionen wie die des Kölner „Friedensgenerals“ „Udo de Cologne“, er stellt in Kabarett- und Liedern seine Visionen von Frieden dar, über die Biografie der Sängerin der Friedensbewegung, Fasia Jansen, Afrodeutsche, zwangsverpflichtet im Außenlager Neuengamme wegen ihrer dunklen Hautfarbe, bis hin zum Wuppertaler SchülerInnen-Medienprojekt: „Hallo Krieg“.
Drei Preise wurden in diesem Jahr vergeben:
Aktion Völkerrecht – Ein symbolischer Schutzwall gegen Krieg und Gewalt
Heidelberger SchülerInnen gründeten dieses Projekt im Februar 2003 angesichts des drohenden Irak-Krieges. Sie bauten zunächst in Heidelberg eine Mauer aus zusammensteckbaren Holzbausteinen. Jede® kann einen Stein hinzufügen, eine Botschaft schreiben, in der sie/er eine öffentliche Willenserklärung für die Ziele abgibt. Die Mauer wuchs täglich. Sie ist inzwischen um die Welt gereist, war in New York bei der UNO, in Hiroshima zum 60.sten Jahrestag des Atombombenabwurfs.
Jede® kann sich an der Aktion mit Unterschriften oder durch die Errichtung eines Teils der Mauer in der eigenen Stadt beteiligen.
www.aktion-voelkerrecht.de
Kino der Angst – Terror, Krieg und Staatskunst aus Hollywood
Peter Bürger hat in der 637 Seiten umfassenden Studie über 500 in den USA produzierte Kriegsfilme untersucht. Von John Wayne und der amerikanischen Revolution über Vietnam Filme bis zum Kriegs Entertainment in heutigen Videospielen wird die Propagierung und Darstellung von Gewalt, von „Heldentum“ untersucht. Peter Bürger weist aber auch nach, wie das Pentagon in die Kino- und Videoproduktion involviert ist, wie die Filme direkt und indirekt gesteuert und finanziert werden. Ein wichtiges Buch für alle, die an dem Einfluss von Massenmedien interessiert sind, für LehrerInnen und Jugendarbeit, die täglich mit Gewaltvorstellungen der Jugendlichen konfrontiert sind.
www.friedensbilder.de/kriegsfilme/
Ulmer Jugend für den Frieden – Ein Denkmal für Deserteure
16 Jahre lang ging der Kampf in Ulm um die Aufstellung eines Denkmals für Wehrmachtsdeserteure. Die VertreterInnen der Stadt wollten auch 60 Jahre nach dem Krieg nicht öffentlich an die Männer erinnern, die sich Hitlers Armee verweigerten. Das von Hannah Stütz-Mentzel geschaffene Denkmal stand so jahrelang im Garten einer Ulmerin. 4 junge Leute aus Ulm engagierten sich, ließen nicht locker. Deserteure seien „Feiglinge oder Verräter“, könnten einen demotivierenden Einfluss auf heutige BundeswehrsoldatInnen haben, wurde Domino, Karin, Frederike und Johanna oft entgegenhalten. Sie haben nicht aufgegeben. Monitor unterstützte ihren Kampf durch einen kritischen Beitrag. Erst danach konnte am 19. 11. 2005 das Denkmal öffentlich eingeweiht werden.
Jeder Preis ist mit 2.000 € dotiert. Finanziert wurde der Preis durch das das Familienministerium noch unter Renate Schmitt.
Die Kampagne geht weiter, auch in den folgenden Jahren sollen Preise vergeben werden.
www.bertha-von-suttner-preis.de
Gegen den Kult der Gewalt - für eine Kultur des Friedens
Erstmals ausgelobter Bertha-von-Suttner-Preis verliehen!*
Im großen Saal des Oekohauses in Frankfurt wurde von der Deutschen
Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen und der
Bertha-von-Suttner-Stiftung am 18.April 2006 der erstmals ausgelobte
Bertha-von-Suttner-Kunst-& Medienpreis verliehen.
Gemeinsam mit der bundesweit tätigen Bertha-von-Suttner-Stiftung und mit
finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen, Jugend ehrt und unterstützt die Deutsche Friedensgesellschaft -
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) mit diesem Preis Menschen, die
sich intensiv - durch ihre künstlerischen und medialen Projekte, Aktionen
und Werke - für Frieden und Verständigung engagieren. Der
Bertha-von-Suttner-Preis versteht sich daher als aktiver Beitrag zum Aufbau
einer Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit, welche die Vereinten
Nationen bis in das Jahr 2010 ausgerufen haben.
Der Preis:
Der Preis wurde in drei gleichberechtigten Kategorien verliehen und ist mit
jeweils 2.000,- € dotiert. Die Preisträger in den Kategorien „Film & Medien“
sowie „Kunst & Aktion“ wurden von der zweiköpfigen Jury aus 15
Wettbewerbsbeiträgen ermittelt. Diese waren zuvor von der
Sichtungskommission aus 25 Einreichungen ausgewählt worden. Von der hohen
Qualität und Kreativität der friedenspolitisch motivierten Beiträge zeugt
die weiterhin bundesweit buchbare Bertha-von-Suttner-Wettbewerbs-Ausstellung
2005/06, die vom DFG-VK- Bundesverband auf Anfrage gerne zur Ausleihe
bereitgestellt wird. Einen Überblick über die Wettbewerbsbeiträge sowie
weitere Infos erhalten Sie unter:
www.bertha-von-suttner-preis.de
Die Preisträger:
In der Kategorie „Film- & Medien“ überzeugte der Düsseldorfer Theologe und Publizist Peter Bürger mit seiner Studie „Kino der Angst - Terror, Krieg und Staatskunst aus Hollywood“. (www.friedensbilder.de)
Das Jurymitglied - DFG-VK-Bundessprecher und
Bertha-von-Suttner-Stiftungsratsmitglied - Jürgen Grässlin stellte in seiner
Laudatio fest:
Wer Peter Bürgers Buch »Kino der Angst« gelesen hat, der wird die Kriegs-,
Science Fiction- und Katastrophenfilme aus Hollywood nicht länger mit
neutralem Blick betrachten können. Bürger kommt das Verdienst zu, die
unheilige Allianz zwischen dem Pentagon und Hollywood, zwischen dem größten
Kriegsministerium und der größten Filmmaschinerie der Welt, detailliert und
fundiert aufgezeigt und kritisch reflektiert zu haben. Dem »Kino der
Gewalt« setzt Peter Bürger eine Gegenkultur, die »Kultur des Friedens«,
entgegen. Er will »der Kriegspropaganda Grenzen setzen«. Um dieses Ziel zu
erreichen, fordert Bürger unter anderem, dass »Medienprodukte, bei denen
Kriegsministerien, Militär und Rüstungsproduzenten mitgewirkt haben… zum
Verbraucherschutz einen Aufdruck tragen« müssen. Außerdem schlägt er vor:
Staatliche und kirchliche Medienarbeit müsse über diese Produkte aufklären,
aus öffentlich geförderten Medienangeboten müssten sie »prinzipiell
verbannt« werden und auch der Jugendmedienschutz müsse seine Kriterien
überdenken. Bürgers Ansatz reicht bis hin zur Forderung einer
weltweiten »demokratischen Kontrolle der Mediengiganten und
Kommunikationsnetze“.
In der Kategorie „Kunst & Aktion“ faszinierte die friedenspolitische Kampagne „Aktion Völkerrecht“ der Heidelberger Schülerinitiative sowohl Jury als auch Friedensgruppen im In-
und Ausland, die sich alle sehr schnell mit der Idee eines „symbolischen
Schutzwalls gegen Krieg und Gewalt“ identifizieren konnten. (www.aktion-voelkerrecht.de)
Die mittlerweile international engagierte „Aktion Völkerrecht“ der Schüler
wurde bereits mit der Dag-Hammarskjöld-Ehrenmedaille der Deutschen
Gesellschaft für die Vereinten Nationen ausgezeichnet und erhält durch den
Bertha-von-Suttner-Preis eine weitere Anerkennung für ihr außergewöhnliches
politisches Engagement und ihre Beharrlichkeit im Einsatz für Frieden und
Völkerverständigung. Stellvertretend für das Jurymitglied Prof. theolog. Uta
Ranke-Heinmann überreichte Joachim Thommes, Politischer Geschäftsführer der
DFG-VK, den jugendlichen Aktivisten die Preisurkunde und stellte fest:
Die Aktion spricht für sich selber. Immer mehr bundesweit aktive
Friedensgruppen innerhalb und außerhalb der DFG-VK greifen die Aktion
begeistert auf und geben dem Willen der Menschen einen starken und
überzeugenden Ausdruck.“
Die aus Stuttgart und Heidelberg angereisten
Schüler sehen ihre Arbeit - die sie anlässlich der Preisverleihung in einer
eindrucksvollen Präsentation im großen Saal des Frankfurter Oekohauses
darstellten - in einer direkten Traditionslinie zu Bertha von Suttners
Friedensarbeit. Und in der Tat: Sowohl die Idee der Abschaffung des Krieges
durch die Macht des Rechts als auch der Versuch, direkt mit politisch
Verantwortlichen Kontakt aufzunehmen und sie zum konkreten
friedenspolitischen Handeln zu bewegen, lassen sich unmittelbar in eine
Traditionslinie zur Suttnerschen Friedensarbeit stellen.
In der Kategorie „Publikumspreis“ erhielt die Ulmer Initiative „Jugend für den Frieden“ im Rahmen ihres Engagements für ein Deserteursdenkmal via Online-Abstimmung den ebenfalls
mit 2.000,- € dotierten Bertha-von-Suttner-Preis.
(www.ippnw-ulm.de/friedensdenkmal)
Die Historikerin Sabine Olbricht vom Journalistenbüro Zeitzeuge hielt
stellvertretend für die Sichtungskommission die Laudatio für den durch die
Redaktion des TV-Magazins „Monitor“(Andreas Maus) eingereichten
Wettbewerbsbeitrag:
Dem Engagement der jungen Leute ist es zu verdanken, dass das Ulmer
Deserteursdenkmal, welches die Künstlerin und Bildhauerin Hannah
Stütz-Mentzel schon 1989 geschaffen hat, Ende vergangenen Jahres nun endlich
von einem Privatgarten in Neu-Ulm an einen öffentlichen Platz umziehen und
somit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte. Der neue Platz
liegt zwar etwas fernab des gewünschten Zentrums, dafür handelt es sich aber
einen um historisch bedeutsamen Ort: Das Denkmal steht nun an einer
Bushaltestelle namens „An den Schießständen“, wo während des Hitler-Regimes
Erschießungen durch Faschisten stattgefunden haben. Vier junge Leute,
Domino, Karin, Frederike und Johanna haben sich des Kunstwerks angenommen
und für dessen Bekanntmachung gestritten. Fallende Dominosteine, ein Symbol
für einen desertierenden Soldaten, der andere mitreißt gegen den Krieg. Der
Deserteur ist das potenzielle Gewissen, welches beunruhigt und deshalb
lieber verbannt wird. So sind die jungen Leute denn auch auf heftige
Widerstände gestoßen. Von Feiglingen und Verrätern war oft die Rede, wenn
sie versuchten, auf das Schicksal der Deserteure des Zweiten Weltkrieges
aufmerksam zu machen. Die jungen Leute sind davon überzeugt, dass sich Krieg
auch durch Desertion verhindern lässt. Sie wissen auch, wieviel
Überzeugungsarbeit noch geleistet werden muss, besonders wenn sie mit jungen
Bundeswehrsoldaten zusammentreffen und feststellen, wie sehr diese glauben,
das Richtige zu tun.
* Pressemitteilung des DFG-VK Bundesverbandes vom 20. April 2006
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