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Held des Umweltschutzes

Marco Arana, Priester und Präsidentschaftskandidat Perus, erhält am Antikriegstag den Aachener Friedenspreis

Von Knut Henkel *

Marco Arana heißt Perus populärster Pater. Der Geistliche aus der Bergbaustadt Cajamarca ist ein engagierter Umweltschützer und hat die Soutane für die Politik an den Nagel gehängt. Heute erhält der 47-Jährige den Aachener Friedenspreis für sein langjähriges Engagement für den Schutz der Umwelt.

Die Beine entspannt übereinander geschlagen, sitzt Marco Arana Zegarra auf der Holzbank vor dem Gemeindehaus in Baños de Inca. Der kleine Ort vor den Toren Cajamarcas ist ein Nationalheiligtum. Hier hat Inkaherrscher Atahualpa in den schwefelhaltigen Thermalquellen gebadet, bevor die goldgierigen Spanier ihm den Kopf abschlugen. »Die heißen Quellen sind heute vielleicht noch populärer als damals. Doch unsere Regierung hat selbst rund um die dampfenden Becken den Boden für den Bergbau freigegeben«, erklärt der 47-jährige Mann mit leiser, aber bestimmter Stimme.

Cajamaraca - die Stadt des Goldes

In Cajamarca dreht sich fast alles ums Gold - erst kamen die Spanier, um das Gold der Inkas kistenweise abzutransportieren, heute sind es die großen internationalen Bergbaukonzerne, die das goldene Metall aus den Bergen rund um die Stadt schürfen. Marco Arana kennt es kaum anders, denn der ruhig und zurückhaltend auftretende Mann ist in Cajamarca geboren und das Edelmetall prägt die Geschichte der Stadt wie nichts anderes. »Von dem Reichtum hat die Bevölkerung allerdings nie etwas gehabt«, erklärt der katholische Priester mit einem bitteren Lächeln. Das Gegenteil ist der Fall, wie die nationalen Statistiken eindrucksvoll belegen. Das Departamento Cajamarca, vergleichbar mit einem Bundesland in Deutschland, gehört zu den ärmsten des Landes, obwohl Yanacocha, die größte Goldmine Südamerikas, gleich oberhalb der von Kolonialgebäuden geprägten Stadt liegt. Ein Widerspruch, der dem Priester Marco Arana genauso wenig gefällt wie dem Soziologen und dem Lehrer.

Pädagogik hat der Sohn eines Lehrerehepaars studiert, um seinen Beitrag zur Bekämpfung des Analphabetismus in Peru zu leisten. Bildung ist bis heute eine der zentralen Herausforderungen seines Heimatlandes und besonders in den ländlichen Regionen ist das Niveau extrem niedrig, wie Arana aus eigener Anschauung nur zu gut weiß.

In Porcón, einer bäuerlichen Gemeinde vor den Toren Cajamarcas, hat Arana die Gemeindeschule »Cristo Ramos« aufgebaut, um den Söhnen der Bauern neue Perspektiven durch Bildung aufzuzeigen. Gelernt hat er dabei vor allem selbst. »Ich bin dort auf die ökologischen Probleme und den Umgang der Behörden und der Minenbetreiber mit den Bauern aufmerksam geworden. Den Bauern werden oft systematisch ihre Rechte verwehrt«, erklärt der Mann, der so gut zuhören kann.

Bauern sehen sich über den Tisch gezogen

Sein besonnenes Auftreten schafft ein Klima, in dem die Leute Mut schöpfen. Und so hat Arana in den vergangenen fünfzehn Jahren so manchen Skandal aufgedeckt, aber auch so manchen Konflikt moderiert. Dafür erhielt der umtriebige Geistliche mit den optimistisch leuchtenden Augen 2004 den nationalen Menschenrechtspreis »Angel Escobar Jurado«. Eine Auszeichnung, die Arana überraschte, denn damals hatte er vor allem mit Anfeindungen, Drohungen und Observierungen zu tun.

Weder die Minenbetreiber noch die peruanischen Behörden sind gut auf den rührigen Verteidiger der Rechte der Bevölkerung zu sprechen, der seit langem vom kirchlichen Hilfswerk Misereor unterstützt wird. Daran hat sich bis heute nichts geändert, wie die jüngste Kritik von Umweltminister Antonio Brack Egg zeigt. Der gibt sich alle Mühe, die Wasserkonflikte zwischen dem Bergbau und den bäuerlichen Gemeinden in Cajamarca herunterzuspielen, und warnt Journalisten vor dem streitbaren Pater aus Cajamarca.

Arana gründete 2002 mit Gleichgesinnten wie der Anwältin Mirtha Vásquez die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Grufides, die Bauern und Gemeinden durch Beratung und Rechtshilfe zur Seite steht. »Vor allem sind es derzeit Wasserkonflikte, mit denen wir es zu tun haben«, erklärt die Juristin Vásquez. »Doch schon bevor die Mine Yanacocha ihre Arbeit aufnahm, wurden die Bauern über den Tisch gezogen. Sie erhielten oft nur lächerliche Beträge für ihr Land«, kritisiert die streitbare Frau, die oft in der Region rund um die Stadt im Einsatz ist. Über acht Jahre arbeitet sie mit Marco Arana und den anderen Experten von Grufides zusammen, die im Laufe der Jahre nicht nur die Bevölkerung Cajamarcas für die andere Seite des Bergbaus sensibilisiert haben.

»Reichtum sollte die riesige Goldmine der Region bringen, die wirtschaftliche Entwicklung fördern, doch landesweit gehört Cajamarca auch fast zwanzig Jahre später zu den ärmsten Regionen des Landes«, sagt Mirtha Vásquez und zieht die Augenbrauen kritisch in die Höhe. Sätze wie diese haben Sprengkraft in Peru, wo der Bergbau der dominierende Wirtschaftszweig ist und die Regierung alles daran setzt, ihr Land zum Investitionsstandort für die Schwergewichte der Branche zu machen. Durchaus erfolgreich, wenn man dem Bergbauministerium glaubt und den Investitionsabsichten in der Branche. Um Investitionskapital von 40 Milliarden US-Dollar geht es demnach in den nächsten zehn Jahren. Kritik und Widerstand von unten sind daher nicht erwünscht. Das haben sowohl Fachminister als auch Staatspräsident Alan García mehrfach deutlich gemacht, als sie nationale und internationale Umweltorganisationen der »Aufwiegelei« bezichtigten. Doch der Einsatz von Grufides und anderer Umweltorganisationen für nachhaltiges Wirtschaften und den Schutz der natürlichen Ressourcen haben das Bewusstsein für die Umwelt in Peru erst allmählich entstehen lassen. Dafür wurde Arana vom »Time Magazin« 2009 zum »Helden des Umweltschutzes« erklärt. Ein Titel, über den der Priester nur schmunzeln kann, denn Arana ist Teamworker. Das »Ich« spielt kaum eine Rolle, wenn er über seine Arbeit spricht.

Eine Politik für Land und Freiheit

In Peru hat Arana gerade ein neues Projekt vorgestellt - die Partei »Tierra y Libertad«, zu deutsch Land und Freiheit. Eine Partei, die Bewegung in Perus politische Strukturen bringen soll und die sich bereits in vier der mehr als zwanzig Verwaltungsbezirke des Landes für die Kommunalwahlen im kommenden Oktober in die Wahllisten eingetragen hat. Auf nationaler Ebene sammeln Arana und seine Gefolgsleute derzeit Unterschriften, um sich für die Präsidentschaftswahlen 2011 ins nationale Wahlregister eintragen zu lassen. Laut Arana funktioniert das Sammeln der Unterschriften bisher ausgesprochen gut, so dass der politische Neuling bald in den bereits seit Monaten tobenden Wahlkampf eingreifen kann. Dafür hat Arana die Soutane abgelegt. Peru braucht eine mündige Zivilgesellschaft und seinen Beitrag dazu will er gemeinsam mit »Tierra y Libertad« leisten.

Die Partei versteht sich als Sammelbecken in einem von Korruption gekennzeichneten politischen Umfeld und will sich als politische Alternative darstellen. Dabei hat Arana keine Angst um seinen exzellenten Ruf als Umweltschützer und Menschenrechtler, der beim parlamentarischen Geschacher um Vorteile, Macht und Ressourcen leiden könnte. Darauf will sich der 47-Jährige aus Cajamarca erst gar nicht einlassen, und Kollegin Mirtha Vásquez rät von vornherein, »Tierra y Libertad« als langfristiges Projekt zu begreifen. »Man muss den Leuten in Ruhe erklären, was die Idee der Partei ist, denn in Peru lesen die Leute keine Programme. Sie wollen persönlich informiert werden«, erklärt die Anwältin, die in der Bergbaustadt Cajamarca für die politische Alternative wirbt. Bildung ist für sie und Arana das A und O, um in Peru eine Zivilgesellschaft, die auch diesen Namen verdient, aufzubauen. Dabei hilft Arana sein Credo: »Ich glaube, dass es nicht die Bestimmung des Menschen ist, diese Erde zu zerstören, sondern in Harmonie mit ihr zu leben. Dafür bin ich auch bereit, politisch zu arbeiten.«

* Aus: Neues Deutschland, 1. September 2010


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