Ehrung für Mut zum Widerstand und gegen Kriegshysterie nach dem 11. September
Aachener Friedenspreis 2002 an Barbara Lee (USA) und Bernhard Nolz (D) vergeben
Am 3. September 2002 wurde der diesjährige Aachener Friedenspreis verliehen. In der Gründungserklärung des Vereins Aachener Friedenspreis heißt es u.a.: "Wir wollen Frauen, Männer und Gruppen würdigen und vorstellen, die 'von unten her' dazu beigetragen haben, der Verständigung der Völker und Menschen untereinander zu dienen sowie Feindbilder ab- und Vertrauen aufzubauen. Wir wollen Menschen ehren, unabhängig von ideologischen, religiösen oder parteipolitischen Kriterien und unabhängig von ihrer sozialen oder nationalen Zugehörigkeit. Wir wollen sie ehren, wenn sie Frieden gestiftet haben durch Gerechtigkeitssinn, Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft (auch Feinden gegenüber), durch Gewaltlosigkeit, Zivilcourage, Tatkraft, Sachlichkeit und Herz".
Das "Neue Deutschland" würdigte die Preisverleihung mit einem ausführlicheren Artikel, den wir im Folgenden ebenso dokumentieren wie ein Interview mit dem Büroleiter der US-Abgeordneten Barbara Lee, Michael Riggs. Im Anschluss daran dokumentieren wir noch die Begründung der Jury durch den Vorsitzenden, Gerhard Diefenbach, sowie die Dankesreden von Michael Riggs (für Barbara Lee) und von Bernhard Nolz.
Die US-Kongressabgeordnete Barbara Lee ist "Sprachrohr des anderen
Amerika", der
Siegener Lehrer Bernhard Nolz ein Mann, der sich dem "verordneten
Antipazifismus"
nicht beugt. Beide wurden am Dienstag wegen ihrer Kritik an
militärischen
Vergeltungsschlägen nach dem Terror des 11. September mit dem Aachener
Friedenspreis
geehrt.
"Krieg ist die exzessivste Form von Terrorismus", sagte Daniela Dahn
während des Festaktes in
ihrer
Laudatio. Beide Preisträger hätten mit ihrer Ablehnung von Krieg
in Zeiten "bedingungslosen
Mitmachens heftige Kontroversen" ausgelöst. "Aber Angriffe sind
bekanntlich kein Beweis dafür,
dass man etwas falsch gemacht hat. Nur dafür, einen empfindlichen Nerv
getroffen zu haben",
sagte die Schriftstellerin. Lee hatte als
einzige Abgeordnete gegen den Antiterrorfeldzug von US-Präsident George
W. Bush gestimmt und
erhielt später Morddrohungen. Nolz hatte auf einer Schülerdemo zu
Kriegsdienstverweigerung
aufgerufen und die US-Politik kritisiert. Er wurde das Opfer einer
Rufmordkampagne in lokalen
Medien und von CDU-Politikern.
Der Vorsitzende des Vereins "Aachener Friedenspreis", Gerhard
Diefenbach, sagte, durch die
Auszeichnung der Preisträger setze man ein "dringend gebotenes Zeichen
gegen die zunehmende
Militarisierung". Diefenbach würdigte nachdrücklich die "bemerkenswerte
Zivilcourage" der beiden
Preisträger in einem "geradezu hysterischen Klima" des "allgemeinen
Kriegsgeschreis". Er
erinnerte aber auch daran, dass der globale Militäreinsatz der
"westlichen Staaten" schon lange
vor den "mörderischen Anschläge" begonnen hatte. Warum aber, so
Diefenbach, sei nie eine
"Allianz gegen Krieg und Gewalt geschmiedet" worden statt immer neuer
Militärbündnisse?
Bernhard Nolz sagte in seiner Dankesrede: "Terror ist Wahnsinn und macht
wahnsinnig.
Unschuldige werden seine Opfer". Der Pädagoge erinnerte indes daran,
auch Krieg sei eine Art von
"Terrorismus". Unter dem Jubel der 600 Gäste verkündete der langjährige
Friedensaktivist, das von
der Bezirksregierung Arnsberg gegen ihn angestrengte
Disziplinarverfahren sei mittlerweile
eingestellt worden. Die Behörde, die ihn wegen Störung des Schulfriedens
vorläufig suspendiert
hatte, habe ihm kürzlich mitgeteilt, dass er mit seiner damaligen Rede
kein Dienstvergehen
begangen habe.
Da die 56-jährige Lee sich auf eine wichtige Kongressrede vorbereiten
musste, nahmen ihr Sohn
Craig und ihr Büroleiter Michael Riggs die Auszeichnung stellvertretend
für sie entgegen. Riggs
forderte ebenso wie die Preisverleiher und Nolz, einen Krieg gegen den
Irak zu verhindern. Weltweit
müsse für Frieden und Gerechtigkeit gekämpft werden – und gegen Krieg,
Armut, Hunger und
Krankheiten. Schon Daniela Dahn hatte die Doppelmoral der
Industrienationen kritisiert. "Jährlich
sterben weltweit mehr als 50 Millionen Menschen an Unterernährung,
Seuchen und heilbaren
Krankheiten." Statt soziale Gerechtigkeit zu schaffen flössen heute
unvorstellbare Geldsummen in
die Finanzierung von Kriegsgerät. "Am Frieden und am Krieg verdienen
nicht die selben. Letztlich
entscheiden aber Regierungen, wer woran verdient. Überlassen wir deren
Beeinflussung nicht den
Waffenlobbyisten," so ihr eindringlicher Appell.
Michael Klarmann, Aachen
Aus: Neues Deutschland, 5. September 2002
Interview mit Michael Riggs*, Büroleiter der US-Kongressabgeordneten Barbara Lee
(Das Interview führte Michael Klarmann)
Frage: Wie hat Barbara Lee reagiert, als sie
erfuhr, internationale
Preisträgerin des Aachener Friedenspreises zu
sein?
Sie hat sich sehr gefreut und betrachtet es als
eine große
Ehre, den Preis zu erhalten. Mit ihrer
einzelnen Stimme gegen
den Krieg hat sie für Millionen Menschen in den
USA und
weltweit gesprochen. So sieht sie sich als
Preisträgerin auch
stellvertretend ausgezeichnet für viele
Gleichgesinnte und
Unterstützer. Neben all den Drohungen, die man
gegen sie
ausgestoßen hat, erfuhr sie nach dem 14.
September auch
sehr viel Solidarität.
F: Wie haben die Menschen in ihrem Wahlkreis
Berkeley,
Kalifornien, reagiert?
In ihrem Wahlkreis leben viele gebildete
Menschen, die sehr
progressiv und liberal denken. Viele von ihnen
haben zu ihr
gestanden, als sie gegen die
»Use-of-Force«-Resolution
stimmte, und sie unterstützt. Auch wenn der
Aachener
Friedenspreis nicht sehr bekannt ist in den
USA, so haben es
doch viele der Menschen in ihrem Distrikt,
denen er bekannt
ist, begrüßt, daß Barbara Lee den Preis erhält.
Bedenken Sie
auch, in Berkeley nahm einst ein Großteil der
Friedensbewegung ihren Anfang.
F: In welcher Situation befindet sich die
Friedensbewegung in
Ihrem Land?
Anders als in den 1960er und 1970er Jahren
existiert heute
keine breite Friedensbewegung mehr. Damals
empfanden die
Menschen die Kluft zwischen Arm und Reich als
eine große
Ungerechtigkeit. Das – natürlich auch der
Vietnamkrieg – war
Grundlage für eine sehr starke
Friedensbewegung. Heute sind
viele Amerikaner zurückhaltender. Dennoch gibt
es
Protestaktionen gegen Krieg und die Kriegspläne
der
US-Regierung gegen den Irak. Diese
Angriffspläne tragen zu
einer Art Wiederbelebung der Friedensbewegung
bei. Immer
mehr Menschen erheben ihre Stimme gegen den
Krieg.
F: Steht Frau Lee mit ihrer Ablehnung des
Krieges gegen den
Irak im Kongreß immer noch allein da?
Im Gegensatz zur Abstimmung am 14. September
wird sie
nicht die einzige sein, die gegen den Krieg
ist. Gemeinsam mit
einigen anderen Abgeordneten hat sie sich gegen
einen
Militärschlag gegen den Irak ausgesprochen und
US-Präsident
Bush scharf kritisiert. Am 14. September wurde
beschlossen,
daß die USA gegen jede Nation der Erde
militärisch vorgehen
kann, wenn Bush glaubt, daß sie verantwortlich
ist für die
Terroranschläge des 11. Septembers. Aber es
gibt keinerlei
Beweise, daß der Irak daran beteiligt war –
einem Krieg fehlt
jede rechtliche Grundlage. Die jetzigen
Kriegsvorbereitungen
machen uns große Sorgen, denn ein Angriff auf
den Irak würde
zur Eskalation der Gewalt im Nahen Osten
beitragen. Er wäre
eine unermeßliche Tragödie und würde neues,
großes Leid
verursachen. Deswegen setzt Barbara Lee sich
für die
Wiederaufnahme der UN-Waffeninspektionen ein
und
befürwortet diplomatisches, internationales
Engagement zur
Konfliktbewältigung. Wir denken, die Toten der
Anschläge vom
11. September sollten uns mahnen, weltweit für
Frieden und
Gerechtigkeit und gegen Krieg, Armut, Hunger
und Krankheiten
zu kämpfen.
* Michael Riggs nahm am Dienstag abend
stellvertretend für
die farbige Politikerin Barbara Lee gemeinsam
mit Craig Lee,
dem Sohn der Preisträgerin, den Aachener
Friedenspreis
entgegen. Riggs arbeitet seit 1998 für die
Demokratin, die am
14. September 2001 als einzige
Kongreßabgeordnete gegen
eine Resolution stimmte, die es US-Präsident
George W. Bush
erlaubt, weltweit militärisch vorzugehen gegen
Terroristen und
Staaten, die im Verdacht stehen, diese zu
fördern oder zu unterstützen.
Aus: junge Welt, 5. September 2002
Gerhard Diefenbach
Begründungsrede zur Verleihung des Aachener Friedenspreises am 3. September 2002 in der Aula Carolina, Aachen
von Gerhard Diefenbach, Vorsitzender des Aachener Friedenspreis e.V.
Eigentlich hatte der Krieg doch längst begonnen. - Auf dem Balkan, in Jugoslawien und im Kosovo. Und längst war deutlich, dass alle rechtlichen Hemmnisse über Bord geworfen waren. Grundgesetz, NATO-Vertrag, UN-Charta und das Völkerrecht. Der Krieg war also schon im Gange: der Krieg um den freien Zugang und den freien Zugriff auf die immer knapper werdenden Resourcen auf dieser Erde.
Und in diesem Moment erfolgte der mörderische Anschlag auf das World Trade Center in New York.
Das Attentat in den USA wurde zu einem zusätzlichen Motiv die Militarismusspirale in den westlichen Staaten erneut in einem unglaublichen Ausmaß zu beschleunigen. Die Militärausgaben der USA steigen auf über 350 Milliarden Dollar in diesem Jahr, der wohl größte Kriegsetat den es je in den USA gab.
Im allgemeinen Kriegsgeschrei ging dabei völlig unter, wer denn diese Terroristen, die Täter des 11. September, ausgebildet und zu derartigen Mördern gemacht hatte. Solange sie mit unglaublicher Brutalität gegen die Sowjetarmee vorgingen, die sicherlich ebenfalls nichts in Afghanistan zu suchen hatten, störte das nicht. Aber in dem Augenblick in dem sie sich gegen die USA wendeten, sind sie zu Terroristen geworden.
Es gab keine Zeit der Besinnung. Ein paar wenige prominente Stimmen aus den USA, so wie der Schriftsteller Norman Mailer fragten noch nach, woher denn ein so unbeschreiblicher Hass gegen die Menschen in den USA komme. Aber derartige Gedanken und Äußerungen wurden als Amerika feindlich sofort im Keim erstickt.
Der Feind war ausgemacht. Die Achse des Bösen wurde definiert und es wurde die Allianz gegen den Terror geschmiedet. - Warum wurde eigentlich keine Allianz gegen Krieg und Gewalt geschmiedet?
Eine Friedensallianz mit immer weniger Waffen?
In dieser Zeit wohl nicht denkbar.
Und dann marschierte eine riesige Armada auf, um einen Terroristen zu fangen, ein Regime aus den Angeln zu heben, den Menschenrechten zu ihrem Recht zu verhelfen. Und um dieser vorgeblichen Ziele willen wurde ein ganzes Land verwüstet. Viele Begründungen für den vieltausendfachen Tod unbeteiligter Zivilisten.
In Afghanistan starben mehr Menschen als bei dem Terroranschlag des 11. September in den USA.
Wir haben um die Opfer von New York getrauert. Haben wir denn auch der Toten in Afghanistan gedacht? Haben wir auch für sie zu Gedenkveranstaltungen und zu Trauerfeiern aufgerufen ?
Wieso nicht? Gibt es denn zweierlei Menschenrechte?
„...alle Menschen sind gleich geschaffen..“, so steht es in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776. Gilt das nicht mehr ?
Und nun fast ein Jahr nach dem 11. September vergangenen Jahres muss die Frage erlaubt sein, was wurde erreicht? – Shahla Asad die Vertreterin der Revolutionären Vereinigung der Frauen Afghanistans (Rawa) erklärte kürzlich in einem Interview:
„......Ich glaube, dass Wahlen ohne Freiheit und zumindest einige fortschrittliche Organisationen oder Parteien nicht möglich sein werden. Heute sind die Warlords die einzige politische und militärische Macht in Afghanistan. Wir wissen nicht, was die Ziele der neuen Regierung sein werden. Der Interimspräsident Karzai ist kein Fundamentalist, aber die wirkliche Macht liegt bei den fundamentalistischen Führern, nicht bei ihm oder seinen Leuten. Er scheint westlichen Ideen zuzuneigen. In der heutigen Situation wird für die Bevölkerung jeder akzeptabel sein, der wirklichen Wandel bringt. Aber das geht nicht mit den fundamentalistischen Gruppen.“
Und auf die Frage, ob sich denn wenigstens die Lebensbedingungen für die Frauen in Afghanistan verbessert hätten, sagte sie:
„Es gab einige kleine Veränderungen, Frauen konnten die Burkha ablegen. Aber sie können nicht in die Schule und an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Und die Veränderungen betreffen nur Kabul, das von den internationalen Truppen kontrolliert wird. In allen anderen Teilen Afghanistans, auch in den großen Provinzstädten, ist die Situation genauso wie vorher.“
Das Attentat vom 11. September und die militärischen Antworten haben natürlich auch massive Auswirkungen und Restriktionen auf und für die Bürgerrechte und Freiheitsrechte der Menschen in unserem Land. Die neuen Sicherheitsgesetze und der Ruf nach totaler Solidarität haben ein Klima der Verunsicherung unserer ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger besonders für Angehörige muslimischer Religionsgemeinschaften zur Folge.
Vom ständig anwachsenden Dröhnen der Kriegstrommeln wurde jede kritische Frage jede kritische Anmerkung zum Vorgehen der USA und ihrer Antiterrorgemeinde übertönt.
Unsere beiden Preisträger haben die Auswirkungen dieses - ja geradezu hysterischen Klimas - am eigenen Leib bitter erfahren müssen.
Barbara Lee wurde aufgrund ihrer ablehnenden Haltung im Kongress mit Morddrohungen und wüsten Beschimpfungen verfolgt und musste letztlich vorsorglichen Polizeischutz erhalten.
Bernhard Nolz hat aufgrund seiner mutigen Rede vor Schülern gegen den Krieg und eine blinde Solidarität nicht nur seine Arbeitsstelle als Lehrer in Siegen verloren, sondern auch er wurde in den lokalen Medien und von Politikern diskriminiert.
Vor diesem politischen Hintergrund, der Sorge um ständig neue Kriege etwa gegen den Irak, Saudi-Arabien oder Somalia und in einem Klima ständig wachsender Militarisierung und Terrorhysterie wollten wir mit der Auswahl und Würdigung unserer Preisträger 2002 erneut ein dringend gebotenes Zeichen gegen den Krieg setzen.
Wir haben Sie sehr geehrte Frau Barbara Lee und Dich lieber Bernhard Nolz für Eueren Mut ausgewählt und mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet, weil Ihr Euch diesem main stream widersetzt habt und unbeirrt weiter für den Frieden gekämpft und geworben habt.
Herzlichen Glückwunsch liebe Barbara Lee und lieber Bernhard Nolz. Wir bewundern Euren Mut und Eure Zivilcourage.
Michael Riggs
in Vertretung von Frau Barbara Lee, Kongreßabgeordnete
Sehr geehrte Damen und Herren,
Lassen Sie mich zunächst einmal dem Aachener Friedenspreis und seinem Vorstand Dank für die Einladung zu dieser wichtigen Veranstaltung aussprechen.
Es ist mir eine Ehre, Ihre wunderschöne Stadt zu besichtigen und so viele Menschen zu treffen, die die gleiche Auffassung von Frieden teilen, eine Auffassung, für die der Aachener Friedenspreis sich unermüdlich einsetzt.
Wie Sie wissen, wollte die Kongreßabgeordnete Frau Barbara Lee sehr gerne persönlich hier anwesend sein, aber leider fordern ihre Pflichten ihre Anwesenheit in Washington.
So ist es mir eine große Ehre, sie hier heute zu vertreten und den Aachener Friedenspreis an ihrer Stelle entgegen nehmen zu dürfen.
Sie haben mit Sicherheit nicht nur von Barbara Lees Erfahrungen nach dem 11. September gehört, sondern auch einiges über sie als Mensch, Führungsperson und Visionärin erfahren, die sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzt.
Ich arbeite seit ihrer Wahl zur Kongressabgeordneten 1998für Barbara Lee. Seitdem haben wir in vielen Angelegenheiten eng zusammen gearbeitet, um Frieden und Stabilität nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auf der ganzen Welt zu fördern.
Dies ist Teil eines vielschichtigen Ansatzes, um zu gewährleisten, daß allen Mitglieder der menschlichen Familie die grundlegenden Menschenrechte zustehen und alle in Würde und Achtung leben können.
Wenn wir uns genauer betrachten, wie es um Frieden und Konflikte in der heutigen Welt bestellt ist, dann ist es beruhigend zu wissen, daß die Kongreßabgeordnete Lee - obwohl sie die Einzige war - den Mut und die Klugheit hatte, das Richtige zu tun.
Ihre alleinige Stimme gegen die umfassende Kriegsentschließung von Präsident Bush verschaffte Millionen von Menschen in den Vereinigten Staaten und in der ganzen Welt Gehör, die sich ansonsten nicht zu Wort hätten melden können.
Durch ihre Ablehnung der Resolution, hat Frau Lee auf die Gefahren hingewiesen, die es zu vermeiden gilt, indem sie sagte „daß die Erteilung umfassender Vollmachten an den Präsidenten ohne die Einflußnahme des Kongreß dazu führen könnte, daß die amerikanische Reaktion außer Kontrolle geraten könnte.“
Die Kongreßabgeordnete Lee zeigt sich immer noch besorgt über die Expansion und die Eskalation der militärischen Maßnahmen seit der Kongreßabstimmung letztes Jahr im September, die dem Präsidenten umfassende Befugnisse zur Kriegsführung erteilte.
Heute, wo viele Vertreter der Regierung Bush und einige Kongreßmitglieder einen Krieg gegen den Irak sehr befürworten und der Präsident selbst sich zunehmend in seinen Äußerungen dafür stark macht, werden viele dieser Ängste zur Realität.
Wir haben aber keine Beweise für eine Beteiligung Iraks an den Grauen des 11. Septembers und unsere eigenen Verbündeten nicht nur in den Hauptstädten im Nahen Osten, sondern auch in Europa, Asien und Afrika sind strikt gegen einen Angriff des Irak.
Wir befinden uns am Scheideweg, und es gab kaum eine ehrliche und offene Debatte darüber, welche Richtung unsere Politik an diesem Punkt einschlagen soll. Der außenpolitische Ausschuß des Senats hat zur Irakfrage eine Anhörung organisiert, aber so wichtige Persönlichkeiten, wie Scott Ritter, der ehemalige Chef der UNO-Waffenkontrolleure im Irak sind zu diesem Dialog nicht eingeladen worden.
Wir müssen uns weiterhin energisch für Lösungen auf diplomatischem Wege einsetzen, wenn es unter anderem um Sicherheitsprioritäten und internationale Meinung geht.
Frau Barbara Lee spricht bei ihrer Arbeit im Ausschuß internationale Angelegenheiten des Repräsentantenhaus solche Themen an.
Eine amerikanische Invasion des Iraks, würde zur Eskalation und Ausdehnung des Nahostkonflikts führen und wäre ohne verfassungsmäßige Befugnisse, internationale Unterstützung oder rechtliche Grundlage eine unermeßliche Tragödie.
Die Kongreßabgeordnete Barbara Lee möchte ihre Kongreßkollegen dazu ermutigen, sich zu ihren Überzeugungen zu bekennen und dieser gefährlichen Entwicklung Einhalt zu gebieten und statt dessen eine Politik zu fördern, die die wahren US-Interessen vertritt, indem eine neue UN-Waffeninspektion im Irak zugelassen und auf Engagement statt Invasion gesetzt wird.
Abschließend möchte ich sagen, daß ich wie die Kongreßabgeordnete Barbara Lee sehr davon überzeugt bin, daß, wenn wir unsere eigene Sicherheit in den Vereinigten Staaten wieder herstellen möchten, wir eine multidimensionale Kampagne entwickeln müssen, um die Bedingungen für Frieden und Gerechtigkeit in Südasien, im Nahen Osten und anderswo zu schaffen.
Diese Bedingungen für Frieden und Gerechtigkeit umfassen auch eine vernünftige Politik zur Armutsbekämpfung und eine Investition in international angelegte Programme zur Eindämmung übertragbarer Krankheiten, um gegen die globale HIV/Aids-Epidemie anzugehen, das Eintreten für grundlegende Menschenrechte für alle, das Engagement für Gleichberechtigung und Chancengleichheit, den Kampf gegen Hunger und die Förderung der Bildungschancen für Kinder auf der ganzen Welt.
Dies sind die Werkzeuge, mit denen die soziale und politische Stabilität aufgebaut werden sollten. Mit genau diesen Werkzeugen werden auch die zukünftigen Generationen eine Welt erben, die frei von Konflikten und Verzweiflung ist.
Das ist in unserer heutigen Runde auch das Erbe, das uns Dr. Martin Luther King Jr., Mahadma Ghandi und Nelson Mandela hinterlassen haben.
Es ist ein Erbe, das von Aktivismus und Engagement, Mut und Einsatzwille, Opferbereitschaft und Überzeugung spricht.
Jetzt, wo das Gedenken an die Ereignisse des 11. Septembers näher rückt, wissen wir, daß sie einen Teil der amerikanischen Landschaft unwiederbringlich verändert haben, aber sie haben nichts an unserer Entschlossenheit geändert.
Wir müssen uns zusammenschließen, um Sicherheit und Stabilität nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern in der ganzen Welt zu stärken.
Um das Andenken derjenigen zu ehren, die ihr Leben am 11. September lassen mußten, kann ich mir nichts Größeres vorstellen als den Frieden für ihre Kinder und Kindeskinder zu sichern.
Im Namen der Kongreßabgeordneten Barbara Lee möchte ich Ihnen sagen, daß ich mich sehr über die Verleihung des Aachener Friedenspreis an sie freue und Ihnen meine Dankbarkeit
Bernhard Nolz
Die Waffen nieder – eine friedliche Welt ist möglich!
Preisträger zu sein und eine Rede als Friedenspreisträger zu halten, daran muss ich mich erst noch gewöhnen. Es ist ein Glücksfall, dass ich die Preisträgerschaft schon einmal üben konnte. Dazu verhalf mir Anne Solbach-Freise. Sie ist die Stifterin des Preises für Zivilcourage, der mir am 22. Juni dieses Jahres in Bodenwerder verliehen wurde.
Hier nun werde ich für die Friedensarbeit geehrt, die in all den Jahren immer wieder ein hohes Maß an Zivilcourage erforderte. Über den Friedenspreis bin ich sehr glücklich, und ich habe das Empfinden, dass die Ehrung gleichermaßen meinem Lebens- und Arbeitspartner Wolfgang Popp, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Siegener Zentrums für Friedenskultur sowie den „Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden“ gilt.
Wir alle arbeiten an der Verwirklichung einer Vision vom Frieden. Unsere Bildungsangebote richten sich an Kinder, Jugendliche und junge Leute, beinhalten Generationen übergreifende Projekte und enthalten spezielle Angebote für Senioren.
Wir bieten den Menschen Workshops und Zukunftswerkstätten an, in denen sie ihre soziale Kompetenz erweitern und Kreativität im Denken und Handeln entwickeln können. Individuelle Lernerfolge schaffen beglückende Erfahrungen. Zu einem erfolgreichen Bildungserlebnis werden sie in der Gemeinschaft mit anderen. Dann nämlich wird Verantwortung erkennbar, für sich und für andere.
In krisenhaften Zeiten - und Krieg ist die größte Krise überhaupt – ist bürgerliche Mitverantwortung nicht mehr gefragt. Die Devise heißt Gehorsam, der „uneingeschränkte Solidarität“ genannt wird. Abweichungen werden als fremd und feindlich gedeutet. Fremde werden zum Sicherheitsrisiko erklärt.
Es waren die Terroranschläge vom 11. September, die diese friedlosen Zustände verursacht haben. Terror ist Wahnsinn und macht wahnsinnig. Unschuldige werden seine Opfer.
Auch Krieg ist Terror. Wer ihn führt, sieht nur Feinde, nach außen und nach innen.
Pazifisten und Pädagogen sind Feinde des Krieges, ohne ein Feindbild zu haben. Beruf und Berufung ist für sie die Liebe zum Menschen.
Der Krieger kennt keine Menschlichkeit und hat keine Freunde. Er hat höchstens Verbündete, mit denen er das Geschäft des Krieges betreibt und seine egoistischen Interessen durchsetzt.
„Besinnen Sie sich auf Ihren Idealismus.“ Mit diesen Worten meines Psychotherapeuten konnte ich die zermürbenden Abwehrkämpfe nach meiner Rede hinter mir lassen. Mein Idealismus aber war ein Pflegefall geworden. Mit ihm lagen Optimismus und Humor danieder.
Mobbing kränkt die Seele. Die Destruktivität der Konfliktaustragung macht Mobbing-Opfer hilflos und sprachlos. So ist es den Lehrerinnen aus Sachsen und Sachsen-Anhalt ergangen, die wegen ihrer anti-amerikanischen Äußerungen diszipliniert wurden, und so erging es mir.
Die Vermeidung von Gewalt ist vorrangiges Ziel jeglicher Friedensarbeit.
Im Zentrum für Friedenskultur haben wir ein neues Projekt eingerichtet. Wir nennen es Zivilcourage-Forum. Es ist ein Forum für Informationen zu alltäglicher verdeckter oder offener Gewalt, ein Forum für die Beratung in Situationen von Gewaltbedrohung und Mobbing, ein Forum für Trainings zur Aneignung von Zivilcourage und eine Dokumentationsstelle für die, die Zivilcourage bewiesen haben.
Das Zivilcourage-Forum will denjenigen Hilfen anbieten, die in der Gefahr stehen, unter dem Druck von Gewalt selbst zu Gegengewalt zu greifen. Es will Wege der Aufklärung und der friedlichen Beilegung von Konflikten eröffnen. Es will Mut zur Zivilcourage machen.
Zivilcourage ist gefordert, um Gewalt-Erscheinungen im öffentlichen Alltag, in Schule und Elternhaus wie auf der Straße selbstbewusst entgegen zu treten. Dazu braucht es nicht nur subjektiven Mut, sondern ebenso die kühle Einschätzung der jeweils konkreten Gewalt-Situation und das Abwägen, welches Risiko man eingehen will, wo man unter Umständen Unterstützung durch andere finden und diese zum Handeln animieren kann.
Immer ist das Erkennen und Ansprechen der Mobbing-Situation der erste Ansatz zur Entwicklung von Zivilcourage. Das Gespräch kann oft eher intimen Charakter haben, indem sich der Gemobbte an eine Vertrauensperson wendet und mit ihr mögliche Vorgehensweisen abwägt.
Eine solche Vorgehensweise hilft dem Betroffenen, Selbstbewusstsein und Selbststärke aufzubauen und sich nicht in Selbstmitleid oder Selbstbezichtigungen zurück zu ziehen.
Die Entwicklung von Zivilcourage erscheint auch erforderlich gegenüber der Erfindung einer „Ich-AG“ durch die Hartz-Kommission. Mit der „Ich-AG“ wird der Vereinzelung des Arbeitssuchenden auf dem Arbeitsmarkt Vorschub geleistet, soziale Risiken bleiben ungesichert. Gegen eine solche Perversion setzen wir die Überzeugung, dass Kreativität und Aktivität von Arbeitslosen dann am besten gedeihen können, wenn sie von den destruktiven Marktmechanismen entkoppelt werden.
Eine moderne Genossenschaftsidee könnte der Gegenentwurf zu den negativen Erscheinungsformen und Zumutungen der Globalisierung sein.
Während die Hartz-Kommission die Gruppe der Ich-AG-Gründer/innen schutzlos in die Freiheit des Marktes entlassen möchte, werden vornehmlich junge Arbeitslose dem staatlichen Zwang zur Mobilität unterworfen.
Programme zum Abbau von Arbeitslosigkeit, die ohne Investitionen in die sozialen und kulturellen Lebenszusammenhänge der Menschen auskommen wollen, halten wir für unzureichend und unsozial.
Die jungen Menschen, die wir kennen, organisieren ihren Lebensalltag äußerst kreativ. Den Verlockungen einer kriminellen Karriere können sie zumeist widerstehen. Familiäre und andere Subsysteme können eine Zeit lang Übergangssituationen oder Arbeitslosigkeit auffangen bzw. überbrücken. Freundeskreise und punktuell erneuerbare Freundschaften bieten brüchige Solidaritäten, die als solche wahr genommen und geschätzt werden.
Wenn junge Leute eine Arbeitsstelle gefunden haben, wissen sie es zu schätzen, wenn von dort Stabilisierungshilfen gegeben werden. Immer mehr Unternehmer erkennen, dass es auch im Eigeninteresse des Betriebes ist, auf die jungen Mitarbeiter flexibel und mit Empathie einzugehen.
Empathie ist eine Friedenskompetenz, die im Zivilcourage-Forum erworben werden kann.
Die Fähigkeit zur Gewaltfreiheit, die Aneignung von Friedenskompetenzen und die Befähigung zur Partizipation sind die Grundprinzipien des Zivilcourage-Forums.
Wer sich daran macht, braucht Idealismus.
Ein Idealist ist einer, der - so der Duden - „selbstlos, dabei aber auch die Wirklichkeit etwas außer acht lassend, nach der Verwirklichung bestimmter Ideale strebt“.
Die Jugendlichen, das zeigt die 14. Shell-Jugendstudie, bevorzugen eine pragmatischere Lebensgestaltung. „Der Einsatz für gesellschaftliche Angelegenheiten und für andere Menschen gehört zu ihrem Lebensstil ganz selbstverständlich dazu. Es dominieren dabei die jugendbezogenen Angelegenheiten, d.h. der Einsatz für die Interessen sowie für die sinnvolle Freizeitgestaltung. ... Jugendliche kümmern sich in ihrer Freizeit jedoch auch um ältere Menschen, ... setzen sich für Umwelt- und Tierschutz ein ... und für ein besseres Zusammenleben mit Ausländern.“
Wenn die Jugendlichen so sind – die Erfahrungen unserer friedenspädagogischen Praxis bestätigen das – dann besteht immer noch die Hoffnung, dass im 21. Jahrhundert erreicht wird, dass der Krieg als Mittel der Politik endgültig der Vergangenheit angehört.
Auf dem Weg dorthin lade ich Sie zum Europäischen Kongress für Friedenskultur nach Hamburg ein. Er findet im Juni/Juli 2003 statt und wird veranstaltet von den „Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden“ und der „International Association Educators for Peace“.
Besser als mit dem Kongress Motto kann man eine Dankrede für die Verleihung eines Friedenspreises nicht beschließen:
Die Waffen nieder – eine friedliche Welt ist möglich!
Weitere Informationen zum Aachener Friedenspreis auf der Homepage: http://www.aachener-friedenspreis.de/
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