Mörderinnen - na und?
Wer sich gegen Frauen in der Bundeswehr ausspricht, will sich hauptsächlich der eigenen linken PC-Identität vergewissern.
Von Barbara Nohr*
In der Diskussion um die Frage »Frauen in der Bundeswehr?« bröckelt die
GegnerInnenseite gewaltig. Die schwindende GegnerInnenschaft nimmt dies
zum Anlass, sich als die »waschechte« und wahre Linke zu feiern, während
BefürworterInnen als reformistisch, formaldemokratisch oder auch als
antiemanzipatorisch diffamiert werden. Wer sich in der linken Szene gegen
den Zugang von Frauen zur Bundeswehr ausspricht, gehört eben doch
noch zu den wirklich Guten, die ihre »alten« Ziele nicht verraten haben -
egal wie haarsträubend die Argumente sind. Ich begrüße die Entscheidung
des Europäischen Gerichtshofs. Und das nicht, weil ich die Bundeswehr
großartig finde, sondern weil mir als Gleichstellungspolitikerin
geschlechtsspezifische Berufsverbote ein Dorn im Auge sind.
In Diskussionen wird mir von GegnerInnen regelmäßig entgegengehalten,
wie patriarchal, hierarchisch und inhuman die Bundeswehr ist. Ich weiß
das. Der Kampf gegen die Bundeswehr muss jedoch über Argumente
geführt werden und nicht darüber, dass Frauen qua Geschlecht der Zugang
untersagt wird. Gleiche Rechte, unabhängig von Geschlecht, Herkunft,
sexueller Orientierung oder Religionszugehörigkeit sind wesentliche
Grundpfeiler linker, emanzipatorischer Politik, die auf Selbstbestimmung und
Gleichheit zielt. Auch oder gerade dann, wenn es sich um ein für Linke
unerträgliches Feld handelt.
Die Forderung, dass die Gleichstellung dadurch realisiert werden solle, auch
Männern den Zugang zur Bundeswehr zu verbieten, ist ganz hübsch, trägt
aber nichts zur Auseinandersetzung bei. Gleiche Rechte müssen im Hier und
Jetzt eingefordert werden. Wer die Herstellung gleicher Rechte erst auf
den Zeitpunkt nach der Abschaffung der Bundeswehr datiert, argumentiert
im klassischen Nebenwiderspruchsdiskurs: Wenn die Welt besser ist, dürfen
auch Frauen daran teilhaben.
Ich möchte mir nicht länger von der Gegenseite vorwerfen lassen, die
Bundeswehr zu verharmlosen, die Militarisierung der Gesellschaft
voranzutreiben oder antiemanzipatorisch zu sein. »Die Bundeswehr ist kein
Hort der Emanzipation«, so die rasante Erkenntnis einer landesweiten
Kampagne gegen »Frauen ans Gewehr«. Wer bestreitet das? Aber seit
wann dürfen Frauen nur Zugang zu bereits emanzipierten Bereichen haben,
und wer bestimmt, wann ein Feld ausreichend für Frauen emanzipiert ist?
Viele Feministinnen wähnen sich bei der Frage um Frauen in der
Bundeswehr in einem Dilemma und haben »Bauchschmerzen«. Ich hingegen
bekomme Bauchschmerzen, wenn immer wieder der falsche Bogen von
Gleichstellung auf der einen und Frieden auf der anderen Seite gespannt
wird. Ich kann sehr wohl fordern, dass Frauen der Zugang zur Bundeswehr
ermöglicht wird, und gleichzeitig, dass die Bundeswehr abgeschafft wird.
Wo ist das Problem? Ich finde es auch mehr als anmaßend, den
BefürworterInnen zu unterstellen, sie seien in die
»Gleichberechtigungsfalle« getappt. Ich weiß sehr wohl, dass Scharping
und Co. die Bundeswehr nicht deswegen für Frauen öffnen, weil sie damit
gleichstellungspolitische Ziele verfolgen. Doch was folgt aus dieser
Erkenntnis? Sind Forderungen, weil sie auch Ergebnis politisch inkorrekter
Erwägungen sein können, automatisch falsch?
Geradezu absurd wird es, wenn das Ausmaß sexualisierter Gewalt gegen
Frauen in der Bundeswehr als Argument gegen den Zugang angeführt wird.
Jahrzehntelang sind Frauen genau mit diesem Argument an den
Hochschulen ausgegrenzt worden. Natürlich ist das Ausmaß sexualisierter
Gewalt am Arbeitsplatz - und zwar generell - ein Skandal. Es ist auch zu
erwarten, dass solche Übergriffe innerhalb einer derart hierarchisch
organisierten Struktur wie der Bundeswehr weit verbreitet sein werden.
Dagegen muss vorgegangen werden, das ist selbstverständlich. Die
Tatsache sexualisierter Gewalt gegen Frauen kann jedoch nicht zu deren
Ausgrenzung führen, sondern muss die Bestrafung der Täter zum Ziel
haben.
Ich begrüße es, dass Frauen nun endlich den Dienst an der Waffe leisten
dürfen. Genauso bedauere ich, dass sie es wollen. Ich werde weiter dafür
eintreten, dass möglichst viele Menschen nicht zur Bundeswehr wollen. Die
Entscheidung darüber müssen sie jedoch selbst fällen dürfen - zumindest
solange wir in einer Gesellschaft leben, die eine Bundeswehr für
unverzichtbar hält.
* Barbara Nohr arbeitet in der ehrenamtlichen Redaktion von Forum
Wissenschaft.
Der Beitrag erschien in der Jungle World, 3. Januar 2001
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