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"Krieg gegen Frauen"

Internationale Konferenz in Köln: Vertreterinnen aus sechs Ländern diskutierten Strategien gegen ­patriarchale Gewalt und gezielte Tötungen

Von Ann-Kristin Kowarsch *

Mehr als 150 Teilnehmerinnen diskutierten am vergangenen Samstag (17. Sept.) auf der Konferenz »Internationaler Frauenkampf gegen Feminizide« in Köln lebhaft über wirksame Wege und eine bessere Vernetzung im Widerstand gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Die Frauenbegegnungsstätte UTAMARA, das Kurdische Frauenbüro für Frieden (CENÎ), die Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen AGISRA und die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) NRW hatten zu der Fachtagung, bei der simultan in fünf Sprachen übersetzt wurde, eingeladen. Ziel war es, Ursachen und Auswirkungen des »Feminizids« in verschiedenen Ländern zu thematisieren, eine gemeinsame Begriffsdefinition zu erarbeiten und Gegenstrategien zu diskutieren.

Initiativen in verschiedenen Teilen der Welt verwenden den Begriff Feminizid, um darauf hinzuweisen, daß Gewalt gegen Frauen vielfach systematisch ausgeübt wird und daß sie häufig Opfer gezielter Tötung werden. In der Eröffnungsrede berichtete Dilek Kurt, die kurdische Frauenbewegung habe sich mit ihrer aktuellen Kampagne »Stoppt den Feminizid!« das Ziel gesetzt, geschichtliche Wurzeln, regionale Unterschiede, aber auch Übereinstimmungen bei patriarchaler Gewalt aufzudecken, um gemeinsam wirksame Strategien dagegen entwickeln zu können. Die aus dem Nordirak kommende kurdische Frauenrechtsaktivistin Houzan Mahmoud betonte, der politische Islam und andere Religionen würden zur Legitimation patriarchaler Gewalt und imperialistischer Herrschaft benutzt. Daran anschließend thematisierte Figen Aras Kaplan, Sprecherin des Komitees »Stoppt den Feminizid!« in der DÖKH (Demokratische Freie Frauenbewegung) aus der Türkei den extremen Anstieg von Gewalttaten gegen Frauen in der Regierungszeit der AKP. In den türkischen Medien würden solche Morde jedoch weiter verharmlost. Sie schilderte rassistische Kampagnen – in denen AKP-Politiker türkische Männer dazu aufriefen, sich »eine Kurdin zur Zweitfrau zu nehmen«, um die »nationale Einheit« zu sichern –, die Kriminalisierung der Frauenbewegung, sexualisierte Kriegsgewalt und Folter in Kurdistan.

Die feministische Wissenschaftlerin Maria Mies plädierte dafür, statt von Feminizid vom »Krieg gegen Frauen« zu sprechen. Auch in Deutschland sei es trotz jahrelanger Kampagnen nicht gelungen, die Gewalt zurückzudrängen. Patricia Zapata vom Regionalbüro der RLS in Mexiko benannte das Zusammenwirken von patriarchalen Strukturen und neoliberaler Wirtschaftspolitik als Hauptursache für immer mehr Tötungsverbrechen an Frauen in Nordmexiko: »Die Täter werden durch Straffreiheit geradezu zu weiteren Morden ermutigt«.

Im zweiten Konferenzteil stellten Vertreterinnen verschiedener Netzwerke ihre Lösungsansätze vor. Fadile Yildirim vom Komitee »Nein zum Feminizid!« der kurdischen Frauenbewegung in Europa forderte eine Verurteilung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, parallel zum Genozid. In diesem Zusammenhang stellte sie Projekte vor, auf einen neuen Gesellschaftsvertrag sowie einen Weltfrauenkongreß hinzuarbeiten. Die stellvertretende Generalsekretärin der Internationalen Frauenallianz (IWA), Maitet Ledesma, sprach über die Erfahrungen philippinischer Organisationen und ihre Kampagnen gegen Frauenhandel. Zur effektiven Bekämpfung des Feminizids sei eine militante globale Bewegung notwendig, die den antisexistischen Kampf mit dem gegen Imperialismus, Kapitalismus und religiösen Fundamentalismus verbinde. Während Astrid Rund vom »Marche mondiale des femmes« den Friedensmarsch der Frauen und die internationalen Aktionstage gegen systematische Vergewaltigungen im Kongo vorstellte, ging Shewa Sium von AGISRA auf ihre Arbeit zur Prävention weiblicher Genitalverstümmelung ein.

In den Diskussionen über die Abschlußresolution betonten viele Teilnehmerinnen das Anliegen, die verschiedenen Ansätze und Erfahrungen – sei es aus den Philippinen, Kurdistan, Venezuela, Mexiko oder dem Kongo – zusammenzutragen. Der Austausch solle fortgeführt werden.

* Aus: junge Welt, 23. September 2011


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