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Frauen in der zweiten Reihe

Reale Gleichberechtigung ist noch in weiter Ferne *

Frauen stellen zwar mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung. Das ändert aber nichts daran, dass sie in vielen Belangen benachteiligt sind: ob beim Zugang zu Land oder Bildung im Süden oder beim Lohn für gleiche Arbeit selbst in wohlhabenden Industrieländern wie Deutschland. Reale Gleichberechtigung bleibt eine Utopie.

Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern gibt es nach wie vor nicht. Darauf macht der Internationale Frauentag am 8. März seit Jahr und Tag aufmerksam - mit Recht, aber überschaubarer Wirkung. Abgesehen von Fortschritten beim Zugang von Mädchen zur Grundbildung in ärmeren Ländern hat sich nicht viel Positives getan, seit im Jahr 2000 die Millenniumsentwicklungsziele verabschiedet wurden. Als drittes von zehn Zielen fordern sie ausdrücklich die Gleichstellung der Geschlechter und thematisieren sie auch darüber hinaus.

Frauen sind unumstritten in vielen Ländern das Rückgrat der Entwicklung. Die Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam weist darauf hin, dass die Welternährung zu einem großen Teil von den Frauen abhängt. Frauen produzieren mehr als 50 Prozent der Nahrungsmittel weltweit und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit.

Der Welthunger-Index 2009 maß zum ersten Mal den Zusammenhang zwischen Chancengleichheit für Frauen und Hunger. Wichtigstes Ergebnis: Wo Frauen im Haushalt und auf Gemeindeebene Einfluss haben und anerkannt werden, sind sie selbst besser ernährt und ihre Kinder besser versorgt.

Frauen seien überproportional von Hunger betroffen, erklärte die Entwicklungsorganisation FIAN am Mittwoch in Köln. Ihr Recht auf Nahrung sei eines der am häufigsten verletzten Rechte der Welt. Über 60 Prozent der 925 Millionen Hungernden sind nach Angaben der Vereinten Nationen weiblich.

Von Chancengleichheit sind allerdings nicht nur die Frauen im Süden weit entfernt. Auch in Deutschland gibt es jede Menge Nachholbedarf. »2012 sind Frauen in vielen Lebensbereichen, etwa auf dem Arbeitsmarkt, im Steuer- oder Scheidungsrecht, noch immer nicht gleichberechtigt«, so Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Zentraler Maßstab für die Gleichstellung von Frauen und Männern bleibe die UN-Frauenrechtskonvention. Bei der Umsetzung müsse die Empfehlung des UN-Frauenrechtsausschusses berücksichtigt werden, verstärkt die Lebenslagen von Migrantinnen, Frauen mit Behinderungen, Alleinerziehenden und alten Frauen einzubeziehen. »Die Umsetzung der Frauenrechtskonvention bleibt Verpflichtung von Bund, Ländern und Kommunen«, so Rudolf.

Die Benachteiligungen im Arbeitsleben gegenüber Männern beschränken sich nicht auf das Einkommen. Nach den Ergebnissen des neuesten Frauenlohnspiegels liegt der monatliche Bruttoverdienst von Frauen im Schnitt rund 21 Prozent unter dem der Männer. Ferner sind ihre Aufstiegschancen schlechter und sie haben auch bei Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld gegenüber Männern das Nachsehen, teilte das WSI-Tarifarchiv in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Mittwoch in Düsseldorf mit.

* Aus: neues deutschland, 8. März 2012

"Frauen in ländlichen Gebieten werden besonders benachteiligt"

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon: Erklärung zum Weltfrauentag, 8. März 2012

Die Gleichberechtigung der Geschlechter und die weibliche Emanzipation gewinnen weltweit an Bedeutung. Es gibt mehr weibliche Regierungschefs als jemals zuvor und gleichzeitig den größten Anteil weiblicher Minister in der Geschichte. Frauen üben auch in der Wirtschaft mehr und mehr Einfluss aus. Mehr Mädchen gehen zur Schule, wachsen gesünder auf und werden besser darauf vorbereitet, ihr Potenzial zu nutzen.

Trotz dieser Dynamik haben wir noch immer einen langen Weg vor uns, bis Frauen und Mädchen die beiden Grundrechte Freiheit und Würde genießen. Diese Geburtsrechte sollen das Wohlbefinden der Frauen garantieren. Nirgendwo wird dies dringender gebraucht als in den ländlichen Gebieten der Welt. Den Frauen und Mädchen aus ländlichen Regionen ist der diesjährige Weltfrauentag gewidmet. Diese machen ein Viertel der Weltbevölkerung aus. Trotzdem befinden sie sich regelmäßig im unteren Bereich jedes wirtschaftlichen, sozialen und politischen Indikators – sei es Einkommen, Bildung, Gesundheit oder die Teilnahme an der politischen Willensbildung.

Fast eine halbe Milliarde Kleinbauern und Arbeiter ohne Grundbesitz sind Frauen. Damit machen sie einen großen Teil der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte aus. Frauen führen die meiste unbezahlte Arbeit in ländlichen Gebieten aus. Dennoch werden sie noch immer davon abgehalten, ihr Potenzial zu nutzen. Wenn Frauen aus ländlichen Regionen gleichen Zugang zu Betriebsmitteln hätten, würden die landwirtschaftlichen Erträge um vier Prozent steigen. Gleichzeitig würde die Nahrungsmittelsicherheit gestärkt und 150 Millionen Menschen vom Hunger befreit werden. Die weibliche Bevölkerung auf dem Land könnte außerdem dabei helfen, die Unterernährung von fast 200 Millionen Kindern weltweit zu beenden.

Diskriminierende Gesetze und Bräuche betreffen nicht nur Frauen, sondern ganze Gemeinschaften und Nationen. Länder, in denen Frauen keine Kredite oder kein Landbesitz gewährt werden, haben deutlich mehr unterernährte Kinder. Es ergibt keinen Sinn, dass Bäuerinnen nur fünf Prozent der landwirtschaftlichen Hilfen erhalten. Finanzielle Hilfen für die weibliche Landbevölkerung sind eine kluge Investition in die Entwicklung einer Nation.

Die Misere der weiblichen Bevölkerung auf dem Land spiegelt die der Frauen und Mädchen innerhalb der gesamten Gesellschaft wider – von der unsichtbaren Barriere, die Frauen am Aufstieg hindert, bis zur weit verbreiteten Gewalt, zuhause und bei der Arbeit. Männern wird eine bessere Ausbildung ermöglicht; hunderttausende Frauen sterben jährlich bei der Geburt, wegen fehlender Geburtshilfe. Sogar in den Ländern mit den besten Werten existieren noch immer ungleiche Löhne für Frauen und Männer, bei gleicher Arbeit. Zugleich sind Frauen in der politischen und wirtschaftlichen Willensbildung unterrepräsentiert.

An diesem Weltfrauentag rufe ich die Regierungen, die Zivilgesellschaft und den privaten Sektor dazu auf, sich der Gleichheit der Geschlechter und der Stärkung der Frauenrechte zu verschreiben. Dies ist ein grundlegendes Menschenrecht und eine Kraft, von der alle profitieren werden. Die Energie, das Talent und die Stärke der Frauen und Mädchen ist die wertvollste, unerschlossene natürliche Ressource der Menschheit.

Quelle: Deutschsprachige Website der UNO; www.unric.org/de/




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