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"Die EU ist militaristisch und unsozial"

Jan van Aken über europäische Kriegspolitik und das Europawahlprogramm der Linken


Können Linke Kriegseinsätze befürworten? Ist das Europawahlprorgramm zu EU-kritisch? Die Linke streitet einmal wieder mit sich selbst. Im Gespräch mit Thomas Schütt erklärt Jan van Aken (MdB), warum die Linke weiterhin Antikriegspartei bleibt.
Jan van Aken ist Bundestagsabgeordneter der Linkspartei.



nd: Innerhalb der Linken gibt es gerade einen mitunter heftig geführten Streit zur künftigen Position der Partei zu Militäreinsätzen. Viele sehen das strikte Nein der Linke zu Auslandseinsätzen als eines der letzten Alleinstellungsmerkmale der Linkspartei. Ihr Genosse Stefan Liebich ist jedoch der Meinung, dass sich die Bundeswehr auch an militärischen Einsätzen im Rahmen der UN-Charta beteiligen sollte. Wie sehen Sie das?»

van Aken: Stefan Liebich steht mit seiner Position ziemlich allein da. Die Linke ist eine Antikriegspartei und das ist auch gut so. Ich wüsste nicht ein Beispiel für ein militärisches Eingreifen in einen Konflikt, das die Situation besser gemacht hätte. Kriege müssen im Vorfeld verhindert werden und da geschieht viel zu wenig.

Im Südsudan stellt sich die gewählte Regierung als korrupt heraus und ein uralter ethnischer Konflikt bricht los. Es gibt Tausende Tote, eine Hungersnot. Wie soll man das mit friedlichen Mitteln lösen?«

Der Südsudan ist ein gutes Beispiel. Ich habe bereits vor zwei Jahren, kurz vor der Unabhängigkeit des Südsudans im Bundestag eine Rede gehalten, in der ich vor dem Ausbruch eines Bürgerkrieges warnte und zivile Schritte forderte. Nichts geschah. Das Auswärtige Amt hat fünf Mitarbeiter des zivilen Friedensdienstes in den Südsudan entsendet, fünf! Fünftausend bräuchte man. Es wenden sich Organisationen wie die ‚Nonviolent Peaceforce’ an uns, die die Situation vor Ort entschärfen könnten, wenn sie nur die nötigen Mittel hätten. Das würde übrigens auch viel weniger kosten als ein militärisches Eingreifen.

Auch bezüglich des Europawahlprogramms gibt es Streit bei den Linken. Die von Sahra Wagenknecht in den Entwurf eingebrachte Formulierung, die EU sei militaristisch und unsozial, stößt auf heftige Kritik. Gregor Gysi und viele andere distanzierten sich von dieser und anderen Formulierungen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, die Europafeinde seien die Linken und die AfD.

Zunächst einmal, es war nicht Sahra Wagenknecht, die das in den Entwurf gebracht hat.

Wer war es denn dann?

Das sage ich Ihnen nicht, aber Sahra Wagenknecht ist es nicht gewesen.

Wie würden Sie denn den Passus denn formulieren?

Die EU ist militaristisch und unsozial.

Wie bitte?

Sie haben sich nicht verhört. Durch den Lissabonvertrag werden die EU-Staaten zur Aufrüstung verpflichtet. Was ist das denn sonst als militaristisch? Und in Griechenland, Spanien, Portugal sehen wir, wie unsozial die EU agiert. Nur weil wir die Wahrheit sagen, sollen wir europafeindlich sein? Das Gegenteil ist der Fall. Die Linke ist klar für Europa, für ein friedliches und soziales Europa. Und wir wollen, dass Europa noch viel stärker zusammenwächst, als das bisher der Fall ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

* Aus: neues deutschland (online), Montag, 3. Februar 2014 (In der Printausgabe am 4.02.2014)


Hessische Linke will Europawahlprogramm ändern

Achim Kessler: Kritiker der EU sind keine vaterlandslosen Gesellen

Von Hans-Gerd Öfinger **


Auch aus der hessischen Linkspartei kommt nunmehr ein Antrag zur Änderung des Wahlprogramm für die Europawahl am 25. Mai. Auf einer europapolitischen Konferenz am Wochenende in Frankfurt am Main präsentierte der Landesvorstand seinen Antrag zur Neufassung der Präambel des Programmentwurfs. Darin wird die »militaristische Ausrichtung« der Institution EU scharf kritisiert wie auch die Kürzungs- und Privatisierungspolitik und ein Abbau von Sozialstaat und Demokratie. Die Weichen seien nicht erst seit den 1990er Jahren, sondern »bereits mit der Gründung der EWG« in den 1950er Jahren falsch gestellt worden, so der Antrag. Von Beginn an sei die Politik der Europäischen Union »auf ökonomische Interessen ausgerichtet« gewesen: »Es dominieren die Interessen des Kapitals.« Die von der Partei bemängelte EU-Politik sei maßgeblich von den nationalen Regierungen zu verantworten. Weil die Ursachen der weltweiten Finanzkrise nicht beseitigt seien und die Entwicklung der Weltwirtschaft fragil bleibe, sei »ein Umsteuern in der Wirtschaft unumgänglich«, so der Antrag: »Der Kapitalismus ist kein nachhaltiges Entwicklungsmodell und nicht das Ende der Geschichte«, so der Antrag.

»Die Bundesregierung ist kein Opfer, sondern treibende Kraft der EU-Politik und hat ihre Agenda und Schuldenbremse auf die EU übertragen«, unterstrich Janine Wissler, Vorsitzende der hessischen Linksfraktion und Mitglied im Parteivorstand. Die Krise werde wie ein Bumerang nach Deutschland zurückkommen, so ihre Prognose. Wer scharfe Kritik an den EU-Institutionen ausspreche, sei noch lange nicht »antieuropäisch«, so Wissler in Anspielung auf jüngste innerparteiliche Debatten. »Solche Vorwürfe erinnern an Zeiten, als man Kriegsgegner zu ›vaterlandslosen Gesellen‹ abstempelte«, meinte auch Achim Kessler, Vizechef der hessischen LINKEN. »Wir hätten die Solidarität mit den Opfern der Krise schon im Bundestagswahlkampf zum Thema machen sollen«, so Gabi Zimmer, Vorsitzende der EU-Linksfraktion GUE/NGL und designierte Spitzenkandidatin der LINKEN. »Wir müssen um diese EU kämpfen und wollen sie verändern«. Zimmer kritisierte die harte Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU, warnte vor einem Zurück zu nationalstaatlichen Lösungen und sprach sich für eine europaweites Engagement zur Rekommunalisierung privatisierter Unternehmen aus.

Einen roten Faden in den Arbeitskreisen bildete die kontroverse Diskussion über die Frage, ob die EU mit ihren Institutionen im Sinne linker Programmatik überhaupt »reformierbar« sei. Weiterer Schwerpunkt war die Weiterentwicklung europaweiter sozialer Bewegungen etwa im Rahmen der für Mai geplanten »Blockupy«-Aktionstage.

** Aus: neues deutschland, Montag, 3. Februar 2014


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