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Russland dominierte EU-Gipfel

Assoziierungsabkommen nur mit Georgien und Moldova angestrebt / Ukraine fordert Wirtschaftshilfe

Von Klaus Joachim Herrmann *

Weit weniger Anziehungskraft als gewollt offenbarte der Ostgipfel der Europäische Union in Litauen. Russland war nicht eingeladen – aber es dominierte.

Der Gipfel zur Östlichen Partnerschaft im Litauischen Vilnius stand am Freitag im Zeichen der Absage der Ukraine an die Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU. Diesen Ausfall des strategischen Erfolges konnten die zur Paraphierung verbliebenen Georgien und Moldova nicht wettmachen. Für West und Ost gilt traditionell die Ukraine als besonders wertvoll.

So begründete denn auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, warum die Tür der EU für Kiew weiter offen stehe: »Sie steht offen, weil es wichtig für sie und für uns ist.« Das Lob des EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy, für »die Entschlossenheit, den Mut und den politischen Willen« der Regierungen in Tbilissi und Chisinau war aber eine unverhüllte Kritik an Kiew. Das verweist aber auf die »nähere Zukunft« und fordert Wirtschaftshilfe, um Verluste wegen einer Abkehr von Russland zu mindern. Moskau rechnete 28 Milliarden Dollar Schulden vor.

Dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch wurde vielleicht nur positiv angerechnet, dass er seine Absage nicht bis zum Gipfel aufsparte. Der ganz große Eklat wurde vermieden. Doch ausgerechnet als Gastgeberin fühlte sich die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite zu der Beschuldigung berufen, Kiews Führung habe sich entschieden, »den Fortschritt in ihrem Land zu stoppen«.

Den aus seiner Sicht wirklich Schuldigen an geschrumpfter Bereitschaft zur Assoziierung hatte freilich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso längst ausgemacht. Das Wort vom nicht hinzunehmenden Veto »eines anderen Landes« war eine Attacke gegen Russland. Der Hinweis, dass die »eingeschränkte Souveränität« in Europa vorüber sei, ebenso. Das stellte Kremlchef Wladimir Putin neben den einstigen KPdSU-Generalsekretär Leonid Breschnew. Die ihm zugeschriebene »Doktrin« soll beim Einmarsch in die Tschechoslowakei zur Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 geführt haben.

Die Östliche Partnerschaft war 2009 ihrerseits als Lockangebot für die Ex-Sowjetrepubliken Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldova und die Ukraine ins Leben gerufen worden. Sofort Misstrauen weckte in Moskau, dass dies als Antwort auf den russisch-georgischen Krieg von 2008 beschlossen wurde. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnte damals schon: Die EU-Partnerländer sollten nicht zwischen der EU und Russland wählen müssen.

Sie sollen doch. Aber die Ausbeute bleibt mit Georgien und Moldowa, gern als als wirtschaftliche Leichtgewichte bemäkelt, mager. Die Teilung nach Ost und West wurde nicht überwunden. Brüssel und Moskau üben sich im Tauziehen. Russland schneidet dabei nach verbreiteter Meinung von Beobachtern erfolgreicher ab.

Doch gerät es bei der Unterscheidung nach Gut und Böse in die ungeliebte Kategorie. Aber gegen Belarus sind sogar Sanktionen verhängt und Präsident Lukaschenko blieb auch 2013 unerwünscht.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 30. November 2013


Mitgift für Brüssel

Georgien und Moldawien unterzeichnen EU-Assoziierungsabkommen. Frühere Sowjetrepubliken haben auch ein Geschenk: Kommunistische Symbole sind ab sofort verboten

Von Rüdiger Göbel **


Die Ukraine an die Europäische Union zu binden, hat beim sogenannten Ostgipfel in Vilnius nicht geklappt. Einzig Georgien und Moldawien haben sich wie geplant auf ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU verständigt. Mit der Paraphierung wurden am Freitag die Verhandlungen darüber offiziell abgeschlossen, eine endgültige Ratifizierung soll in den kommenden Monaten erfolgen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy begrüßte »die Entschlossenheit, den Mut und den politischen Willen« der Regierungen in Tbilissi und Chisinau.

Politisch-ideologisch sind die beiden EU-Aspiranten im Westen angekommen. Die Regierenden der beiden früheren Sowjetrepubliken haben die hierzulande dominierende »Totalitarismusdoktrin« verinnerlicht – und setzen jetzt Faschismus und Kommunismus gleich. Pünktlich zum Anschluß an die »westliche Wertegemeinschaft« hat das georgische Parlament die öffentliche Verwendung kommunistischer Symbole unter Strafe gestellt; die Regelung soll auch für faschistische Zeichen gelten. Verstöße sollen mit Geldstrafen von umgerechnet 600 US-Dollar geahndet werden, meldete die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Freitag. In der Entschließung ist von einem »totalitären Kommunismus« die Rede. In diesem System habe es unter anderem »Verletzung der Menschenrechte, Massenterror und Massenmord, Todesstrafe in Konzentrationslagern, Hunger und Deportation, Folter und Sklavenarbeit« gegeben, heißt es in dem RIA Nowosti-Bericht weiter. Eine Sonderkommission soll die Einhaltung des Verbots überwachen und dafür Sorge tragen, daß es in Georgien keine Denkmäler, Straßen- und Ortsnamen mehr gibt, die an Kommunisten erinnern.

Für eine ähnliche Regelung hatte das Parlament in Chisinau bereits im Sommer eine Mehrheit gefunden. Seit 11. Juli ist in Moldawien die Verwendung von Symbolen »totalitärer politischer Regime« verboten, allen voran natürlich Hammer und Sichel.

Die Ukraine sperrt sich nicht grundsätzlich gegen eine Annäherung an die EU, wie dies hierzulande in den meisten Medien unterstellt wird. Präsident Wiktor Janukowitsch betonte in Vilnius ausdrücklich die Bereitschaft zur Unterzeichnung eines umfangreichen Abkommens mit der EU »in naher Zukunft« – allerdings unter Bedingungen. So müsse der Internationale Währungsfonds die Zusammenarbeit mit der Ukraine wieder aufnehmen und die EU die bisherigen Handelseinschränkungen revidieren. Die EU soll schließlich bei der Modernisierung des ukrainischen Gasnetzes helfen und die wirtschaftliche Kooperation der Ukraine auch mit Rußland und den anderen Mitgliedsländern der Zollunion im Osten möglich machen.

Die Energieversorgung der Ukraine müsse »mit allen notwendigen Mitteln und Mechanismen gesichert« werden, betonte Janukowitsch. An die Gipfelteilnehmer gerichtet erklärte der Staatschef laut RIA Nowosti: »Ich wäre Ihnen für Ihre Unterstützung bei der Herstellung der entsprechenden Zusammenarbeit im Format Ukraine-EU-Rußland dankbar.«

Die Absage kam prompt, Bedingungen ist man in Brüssel nicht gewohnt. »Wir werden uns dem Druck Rußlands nicht beugen«, sagte EU-Ratspräsident Van Rompuy zum Abschluss des Gipfels. EU-Kommissionschef José Manuel Barroso fügte laut dpa hinzu: »Wir können keinerlei Vetorecht von Drittstaaten hinnehmen.« Die Zeiten der begrenzten Souveränität von Staaten in Europa sei endgültig vorbei.

** Aus: junge Welt, Samstag, 30. November 2013


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