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Die Militarisierung der EU kommt voran

Was sonst Jahre dauert: bei der Eingreiftruppe wird nicht lange gefackelt

Die Europäische Union ist nicht gerade ein Ausbund an Entscheidungsfreude und Schnelligkeit. Bis die 15 EU-Staaten abgeschlossene Verträge und Abkommen und entsprechende Verordnungen der Brüsseler Kommissare in einzelstaatliches Recht und schließlich in konkrete Maßnahmen umsetzen, vergehen normalerweise Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Der Tanker EU ist schwer zu manövrieren in Fragen der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik, der Agrarmarktpolitik, der Regional-und Strukturpolitik und erst Recht in Subventionsangelegenheiten. Der EU-Tanker wird plötzlich wendig und schnell wie ein Torpedoboot, wenn es um militärische Angelegenheiten geht, um Dinge, die ihn jahrelang eigentlich gar nicht interessieren durften.

Die Geschwindigkeit, mit der die Umwandlung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in ein Militärbündnis voranschreitet, ist in der Tat atemberaubend. Gewiss: Im Maastricht-Vertrag (1992) war schon eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) vorgesehen gewesen und auf dem Petersberg bei Bonn verständigten sich im selben Jahr die Vertreter der EU-Staaten darauf, die chronisch arbeitslose WEU damit zu beauftragen, dass sie künftig für die EU Missionen zur "Wahrung und Wiederherstellung des Friedens" ausführen dürfe. Doch auch die Entscheidung, die WEU zum verlängerten militärischen Arm der EU zu erklären, konnte niemanden ernsthaft erschrecken, da es sich bei der WEU eben um einen "toten Hund" bzw. einen Papiertiger handelte, dessen Existenz im Schatten der übermächtigen NATO nur als kümmerlich angesehen werden musste. Nun überraschte Europa die Welt (und zuallererst natürlich die Amerikaner) mit dem Coup, die WEU aufzulösen (dies ist vor wenigen Tagen faktisch geschehen) und sich selbst an ihre Stelle zu setzen.

Die Militärmacht Europa nimmt Konturen an

Seit Jahren diskutieren wohlmeinende Wissenschaftler, Publizisten und Politiker über die "Zivilmacht" Europa und über die segensreichen Wirkungen, die von dieser einzigartigen wirtschaftlichen Integrationsleistung ausgehen würden. In Österreich wird - auch mit EU-Mitteln - ein mehrjähriges Forschungsprojekt durchgeführt, in dem die "Friedensmacht Europa" im Mittelpunkt steht. Deren wissenschaftliche Prämissen und bisher vorliegende Forschungsergebnisse (das Projekt läuft noch bis 2001) wurden inzwischen von der Realität überholt.

Die wichtigsten Stationen des gegenläufigen Entwicklungstrends waren:
  • Noch während des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien im Frühjahr 1999 wird ausgerechnet dem ehemaligen NATO-Generalsekretär Javier Solana die Ehre zuteil, das Amt des höchsten Beauftragten für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU zu bekleiden (so genannter "Mr. GASP").
  • Auf den EU-Gipfeln in Köln (Juni 1999) und Helsinki (Dezember 1999) beschlossen die Regierungschefs ein umfangreiches Paket, das den Aufbau militärischer Strukturen für die EU vorsieht. Wichtigster Bestandteil ist die Aufstellung einer eigenständigen EU-Interventionstruppe in der Größenordnung von 60.000 Soldaten. Daneben sollen ein "sicherheitspolitisches Komitee", ein EU-Militärausschuss und ein EU-Militärstab ins Leben gerufen werden - diese Einrichtungen haben ihre Arbeit im Frühjahr 2000 bereits aufgenommen.
  • Am 13. November 2000 beschloss der Ministerrat der Westeuropäischen Union (WEU) alle sicherheitspolitischen Funktionen an die EU zu übertragen. Zwar wird die WEU formell noch weiter existieren, und zwar als "Gefäß" für die in Artikel 5 des WEU-Vertrags vorgesehene Beistandsverpflichtung der zehn Vollmitglieder. "Politisch bleibt von der WEU aber bloß noch eine Fassade." (Neue Zürcher Zeitung, 14.11.00)
  • Am 20. November 2000 trafen sich die 15 EU-Außen- und Verteidigungsminister in Brüssel zu einer "Truppengeberkonferenz", um - wie der Name schon sagt - abzustimmen, wie viele Truppen die einzelnen Staaten der EU-Militärmacht jeweils zur Verfügung stellen möchte.

Angesichts des vorgelegten Tempos jubelte Mr. GASP, er sehe den Aufbau einer Schnellen Eingreiftruppe der Europäer "mit Lichtgeschwindigkeit" vorankommen.

Und das wurde bisher bekannt:
  1. Die Schnelle Eingreiftruppe der EU soll bis zum Jahr 2003 einsatzbereit sein und 60.000 Mann/Frau umfassen. Die Truppe soll innerhalb von zwei Monaten mobilisiert und verlegt werden können und bis zu einem Jahr im Einsatz sein können. Der Bedarf an Soldaten wird aber wesentlich größer sein als die vorgesehenen 60.000, da Truppenteile im Auslandseinsatz innerhalb eines Jahres mehrmals ausgewechselt werden müssen. Experten gehen davon aus, dass die EU tatsächlich auf rund 200.000 Soldaten wird zurückgreifen müssen (Land-, See- und Luftstreitkräfte).
  2. Bei der EU-Eingreiftruppe handelt es sich nicht um eine eigene Armee, sondern darum, dass die nationalen Armeen die jeweils zugesagten Truppenteile für einen EU-Einsatz in Bereitschaft halten. Die Verteidigungsminister betonen demnach auch regelmäßig, dass ihre Anteile aus dem vorhandenen Reservoir stammen, also keine zusätzlichen Anstrengungen verlangen. Dies mag bei den Personen zutreffen, die spezielle Bewaffnung dagegen wird wohl kaum "kostenneutral" zu bewerkstelligen sein - auch wenn Außenminister Fischer und Verteidigungsminister Scharping solchen Befürchtungen am Rande der Brüsseler Konferenz vehement widersprachen (Frankfurter Rundschau, 21.11.00).
  3. Konkrete Zahlen über die nationalen Kontingente sind bisher nur über die Landstreitkräfte bekannt gemacht worden. Danach wird die Bundesrepublik Deutschland 13.500 Soldaten, Großbritannien 12.500 und Frankreich 12.000 bereit stellen. Spanien, Italien (je 6.000) und die Niederlande (5.000) folgen auf den Plätzen vier bis sechs. Griechenland versprach 3.500 Soldaten, die neutralen Länder Finnland und Österreich wären mit je 2.000, Schweden mit 1.500 Mann dabei. Belgien, Irland und Portugal stellen je 1.000, Luxemburg dagegen nur 100. Dänemark will sich vorerst nicht an der Eingreiftruppe beteiligen. Zwar besteht in diesem Land durchaus die Neigung zur Teilnahme an Friedensmissionen wie z.B. Minenräumung oder Flüchtlingstransporten. Die Regierung ist aber der Auffassung, dass eine klare Trennung von - erwünschten - zivilen und - verbotenen - militärischen Aufgaben nicht möglich sei und man deshalb allen Missionen fern bleiben müsse (Frankfurter Rundschau, 22.11.2000).
    Der österreichische "Standard" meldete, dass nach Meinung der schwarz-braunen Regierung in Wien deren Bereitstellung von zwei Bataillonen (2.000 Mann) der Neutralitätsverpflichtung der österreichischen Verfassung keineswegs zuwiderlaufe. Das ist natürlich gelogen. Wahr hingegen ist die Ankündigung, für die zwei österreichischen Bataillone müssten 3.500 Soldaten ständig in Bereitschaft stehen und ohne Aufstockung des Etats sei dieses Versprechen nicht einzulösen. Der österreichische Verteidigungsminister Herbert Scheibner (FPÖ) fordert denn auch forsch zusätzliche vier Milliarden Schilling (rund 570 Mio. DM) (Der Standard, 21.11.00).

Zu berücksichtigen ist bei all diesen Zahlen, dass noch keine Angaben über die Luft- und Seeunterstützung vorliegen. Allein für Deutschland hatte Scharping rund 6.000 Soldaten dieser Waffengattungen in Aussicht gestellt. Insgesamt, so verlautete aus Brüssel, würden Zusagen bereits über rund 100.000 Soldaten aller Waffengattungen vorliegen. Außerdem verfüge die EU-Truppe über 400 Flugzeuge und 100 Schiffe. Stark ins Gewicht fallen dürften also auch die "Sachleistungen" dieser Truppenteile.

Neue Waffen für die Streitmacht - Streit im Bündnis?

Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien hat den europäischen Juniorpartner der USA deutlich vor Augen geführt, dass sie in verschiedener Hinsicht kriegsuntauglich sind. Leider sehen das die EU-Staaten nicht als Vorteil (Kriegsuntauglichkeit könnte ja Basis für besondere Friedensfähigkeit sein), sondern als Schwäche. Die europäischen Regierungen leiden offenbar so sehr darunter, dass sie seither jede Menge Anstrengungen unternehmen, diesem Mangel abzuhelfen. Konkret geht es dabei um den Aufbau einer eigenen strategischen Aufklärung (hier preschte inzwischen die Bundesregierung vor mit der Ankündigung eine eigene Satellitenaufklärung zu installieren), um effektivere Führungssysteme und um die Herstellung ausreichender Lufttransportkapazitäten (auch hier ist schon eine Entscheidung zugunsten des Airbus 400M gefallen).

Das alles wird Geld kosten, mehr Geld, als in den Rüstungsetats der europäischen Staaten bisher vorgesehen ist. Die beschwichtigenden Stimmen von Scharping und Fischer dienen ausschließlich der Beruhigung der eigenen, in Resten immer noch aufmüpfigen Klientel. Langfristig wird auch die europäische Aufrüstung teuer werden. Denn Ziel der EU ist es - auch wenn darüber nicht offen gesprochen wird - ihren militärischen Arm so zu entwickeln, dass er sich notfalls auch ohnedie USA bewegen lässt. Damit wiederum können sich die USA - gleichgültig ob der künftige Präsident Gush oder Bore heißen wird - durchaus anfreunden. Die US-Administration beobachtet die europäischen Emanzipationsbestrebungen auf militärischem Gebiet (was für eine Art "Emanzipation"!) mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits entspricht es dem Wunsch Washingtons, dass die europäischen NATO-Partner mehr militärische Anstrengungen und finanzielle Lasten übernehmen ("burden sharing"), auf der anderen Seite wollen sich die USA die himmelweite Führerschaft in der Militärallianz auf keinen Fall streitig machen lassen. Vorerst dürfte sich an diesem Zustand auch nicht viel ändern. Am 15. Dezember 2000 wird voraussichtlich eine gemeinsame Außenministerberatung von EU und NATO in Brüssel stattfinden, auf der die jeweiligen Kompetenzen und die gegenseitige Inanspruchnahme der militärischen Einrichtungen beider Seiten verhandelt werden.

Pikant sind aber noch andere Ungereimtheiten. So gehört z.B. die Türkei zur NATO, nicht aber zur EU. In die EU wird sie aber insofern hineinregieren können, als sie bei den Abstimmungsgesprächen zwischen EU und NATO Sitz und Stimme hat. Beobachter der Geberkonferenz am 20. November berichten, dass die Türkei sich ebenfalls an den EU-Eingreiftruppen beteiligen wollte und als Gegenleistung Sitz und Stimme in den militärischen Gremien der EU fordert. Damit würde sich jedes weitere Herauszögern einer türkischen EU-Vollmitgliedschaft fast von selbst erübrigen, die Türkei wäre - Menschenrechte hin, Kurden her - lachender Gewinner.

Anlässlich einer gemeinsamen Beratung von EU und NATO am 21. November wurde bekannt, dass sich 15 Nicht-EU-Staten (13 EU-Kandidaten plus Norwegen und Island) ebenfalls an der EU-Eingreiftruppe beteiligen möchten. Den größten Beitrag will die Türkei leisten mit einer motorisierten Infanteriebrigade mit etwa 4.000 bis 5.000 Mannn. Dazuhin will Ankara zwei Fregatten, ein U-Boot und ein Versorgungsschiff, 40 Kampfflugzeuge vom Typ F-16 und zwei Transportflugzeuge bereitstellen. Weitere Beiträge wurden zugesagt von Rumänien (1.200 Soldaten), Tschechien (1.000) und der Slowakei (450).

Ein anderes Problem stellen die bündnisfreien EU-Staaten dar. Dies sind Österreich, Irland, Schweden und Finnland. Die Neutralitätsdiskussion in Österreich ist bereits in vollem Gang, der Ausgang zumindest offen, zumal der Neutralitätsgedanke in der Bevölkerung tiefer verankert zu sein scheint als den Regierenden lieb ist. Schwer vorstellbar ist auch eine volle militärische Integration Irlands in die EU-Eingreiftruppe an der Seite der verhassten "British". Aber wer eine politische und militärische Weltmachtrolle spielen will - und zumindest das deutsch-französische "Kerneuropa" will das - muss mit solchen "inneren" Widersprüchen fertig werden.

Humanitär und nicht-humanitär

Äußerungen führender Politiker können hin und wieder verräterisch sein. So erklärte der britische Außenminister Robin Cook bei der Brüsseler Konferenz, anders als bei der NATO gehörten zu den Aufgaben der europäischen Truppe auch "humanitäre Einsätze" wie Evakuierungen nach Naturkatastrophen. Dies wäre denn doch eine andere Definition von "humanitären Einsätzen", als sie uns während des Kosovo-Kriegs angeboten wurde. Auch Scharping hat sich aufs sprachliche Glatteis begeben, als er meinte, wenn der Aufbau der EU-Truppen planmäßig verlaufe, werde die EU voraussichtlich schon im Jahr 2002 zu "humanitären Einsätzen" in der Lage sein, worunter er offenbar Katastrophenhilfe versteht. Ziel sei es weiterhin, bis zum Jahr 2003 "militärisches Krisenmanagement" betreiben zu können - militärisches Krisenmanagement ohne humanitäres Attribut also! Es wäre doch schon ein kleiner Fortschritt, wenn die Sprachregelung in der EU künftig eine Militärintervention "Militärintervention" und nur eine humanitäre Hilfe (Katastrophenschutz, Evakuierungen, Lebensmittelhilfe u.ä.) auch "humanitär" nennen würde.
Peter Strutynski

Pressestimmen

Süddeutsche Zeitung; Autor: Udo Bergdoll
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Hauptmotiv für die Planung der Schnellen Eingreiftruppe war die Scham der Europäer darüber, im Kosovo-Krieg von den Amerikanern deklassiert worden zu sein. Nicht nur Frankreich, auch Großbritannien sah dadurch den nationalen wie auch den Einfluss Europas insgesamt in der Weltpolitik in unerträglichem Maße eingeschränkt. So kam der Anstoß zum Aufbau der Krisenreaktionskräfte aus Paris und London. Frankreich, Großbritannien und Deutschland werden auch mehr als die Hälfte der EU-Truppe stellen. Aber nicht nur der Schock über die so peinlich sichtbar gewordenen Defizite ließ die Europäer ihre sonst notorischen Streitigkeiten und Eifersüchteleien überwinden. Im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf haben sie die Botschaft vernehmen können, dass der nächste US-Präsident nicht mehr unbedingt zu einem Engagement wie auf dem Balkan bereit sein wird. Bei George W. Bush war die Forderung nach Entlastung Amerikas noch deutlicher als bei Al Gore.

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Dass die Europäer eine eigene Armee brauchen, steht außer Frage. Auch eine friedliebende wirtschaftliche Großmacht darf den Bereich der Sicherheitspolitik nicht ausklammern. Die Europäische Union kann es sich nicht länger leisten, immer dann nach Amerikas Hilfe zu rufen, wenn es in ihren Hinterhöfen, in Nachbarregionen oder in Gebieten brennt, in denen sie ihre Interessen zu vertreten hat. Nur wenn die Europäer sich nicht länger militärisch machtlos zeigen, hat auch ihre Diplomatie eine Chance, Konflikte friedlich beizulegen. Und in der Diplomatie dürfen sich die Europäer den militärisch und damit politisch dominierenden Amerikanern durchaus überlegen fühlen.

Die Europäer würden sich aber übernehmen, wenn sie sich das Ziel setzten, eine „Mini-Nato“ aufzubauen. Dies würde zu einer Dopplung der westlichen Verteidigungsstrukturen führen – was erstens eine Verschwendung von Ressourcen wäre und zweitens Europa und Amerika auseinander driften ließe. Wer das verhindern will, muss darauf achten, dass die Europäer mit der Stärkung ihrer militärischen Fähigkeiten auch die Nato stärken. Meist handelt es sich ohnehin um dieselben Verbände, die der EU-Eingreiftruppe und der Allianz zur Verfügung zu stellen sind. Dass die Amerikaner die Bemühungen der Europäer zunächst misstrauisch verfolgten, sollte nicht überbewertet werden. Es ist eben bequemer, in der Nato mit einem schwachen und wenig selbstbewussten Partner umzugehen als mit einer aufstrebenden neuen Macht....
Aus: Süddeutsche Zeitung, 21. 11. 2000

Neue Zürcher Zeitung
... Die EU als politische Union mit einer gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik will sich zwar nicht mehr mit der Rolle des Subkontraktors der Nato begnügen. Umgekehrt kann die EU aber die Nato und damit auch die USA nicht als unerheblich für die europäische Sicherheit ansehen. Nicht minder wichtig ist, wie die EU jene europäischen Nato-Partner, die der EU nicht angehören, als Mitglieder der Allianz indes zur Sicherheit Europas beitragen, in ihr sicherheitspolitisches Planen einbezieht.

Die EU, beschrieb ein deutscher Diplomat das Dilemma, beharre in einer Krisenlage auf ihrer Entscheidungsautonomie und wolle sich nicht von Drittstaaten wie der Türkei an die Hand nehmen lassen. Aber, fuhr er weiter, diese europäischen Nato-Partner, auf deren Zustimmung dieEU zudem beim Rückgriff auf Nato-Mittel angewiesen ist, könnten nicht erst nach einem EU- Entscheid für einen Kriseneinsatz kontaktiert werden. Nach Aussagen von Beteiligten ist die rechtliche Fixierung solch neuer Partnerschaftsfragen so schwierig, weil sowohl die EU als auchdie Nato mit der ESVP politisch, sicherheitspolitisch und organisatorisch Neuland betritt.
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Aus: Neue Zürcher Zeitung, 21. 11. 2000

Frankfurter Rundschau; Autor: Martin Winter
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Mit dem, was die Verteidigungsminister bislang erarbeitet haben, wird sich auch der EU-Gipfel am 7. Dezember in Nizza beschäftigen. Der Union stehen noch schwierige Verhandlungen mit der Nato bevor. Außerdem sind institutionelle Fragen, etwa nach dem Gewicht des Militärausschusses im Vergleich zum (zivilen) Politischen und Sicherheitsausschuss der EU, noch nicht geklärt.

Im Gerangel um wichtige Posten in der neuen militärischen Struktur der EU ist es zu einem Zerwürfnis zwischen Frankreich und Deutschland gekommen. Gegen die Franzosen setzte Berlin den deutschen Generalleutnant Rainer Schuwirth als neuen Chef des EU-Militärstabes durch. Frankreich will jetzt dafür mit dem Vorsitz im Militärausschuss entschädigt werden. Am heutigen Dienstag werden die EU-Beitrittskandidaten mitteilen, ob und welche Beiträge sie zur Schnellen Eingreiftruppe leisten wollen.
Aus: Frankfurter Rundschau, 21.11.2000

junge welt; Autor: Rainer Rupp
... Hatten in der Vergangenheit nur die Franzosen und die Briten dem amerikanischen Handlungsmuster der bewaffneten Intervention in fremden Ländern hin und wieder nachgeeifert, so soll überall dort, wo europäische Interessen und europäisches Kapital in Gefahr sind, wo der Zugang zu Märkten oder Rohstoffen oder die eigene europäische Einflußsphäre beeinträchtigt werden, in Zukunft europäisch arbeitsteilig überfallen und geschossen werden.

Bei dieser gefährlichen Entwicklung hat Washington seine schweren Bedenken und giftigen Angriffe gegen das befürchtete militärische Konkurrenzunternehmen zur US- geführten NATO indes aufgegeben. Noch vor wenigen Monaten hatten Präsident Clinton, sein Verteidigungsminister Cohen und seine Außenministerin Albright aus Sorge, die Führungsrolle in Europa zu verlieren, die EU eindringlich davor gewarnt, parallele Strukturen zur NATO aufzubauen, die transatlantischen Beziehungen zu beschädigen oder nicht EU- Mitglieder der NATO zu diskriminieren. Seit einigen Wochen hat das Pentagon jedoch scheinbar eine 180-Grad-Wende vollzogen, und es begrüßt ausdrücklich die derzeit ablaufenden Entwicklungen. Allerdings ist kaum anzunehmen, daß die Amerikaner die EU-Truppe als unabänderlich hingenommen haben. Der Grund für den amerikanischen Sinneswandel findet sich anderswo.

Eine Analyse der Stellungnahmen von US- Verteidigungsministers Cohen und seiner Experten im Pentagon zeigt, daß Washington auf absehbare Zeit den europäischen Interventionstruppen - auf sich alleine gestellt und ohne die USA - nichts zutraut. Allerhöchsten solche EU- »Rettungsaktionen« wie die Evakuierung von EU-Bürgern und anderen Ausländern vom Flughafen der albanischen Hauptstadt Tirana während der bürgerkriegsartigen Unruhen scheinen möglich. Und selbst zu dieser Aktion seien die Europäer nicht ganz ohne amerikanische Hilfe fähig gewesen, bemerkte jüngst ein hoher Beamter des Pentagon in einem Pressegespräch genüßlich.
Aus: junge welt, 21. 11. 2000

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