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Lobbyregister mit Mängeln

Von Nina Katzemich *


Die Autorin arbeitet für die Nichtregierungsorganisation LobbyControl (www. lobbycontrol.de).

Haben sie es also doch endlich geschafft: Vergangene Woche hat eine Arbeitsgruppe von Europäischer Kommission und Europäischem Parlament einen Entwurf für ein gemeinsames EU-Lobbyregister beschlossen. Der muss noch von beiden Institutionen offiziell verabschiedet werden und soll ab Juni 2011 wirksam werden.

Zunächst einmal ist es außerordentlich erfreulich, dass endlich die seit Langem angekündigte Verschmelzung der beiden einzelnen Register eingeleitet wird. Leider aber hat sich die EU-Kommission in entscheidenden Punkten durchgesetzt: Es bleiben wesentliche Schwachpunkte des bisherigen Registers erhalten.

Entscheidender Vorteil ist, dass dauerhafte Zugangspässe zum Parlament nur noch an Organisationen und Individuen vergeben werden, die sich ins gemeinsame Register eintragen, wodurch sich die Zahl der relevanten eingetragenen Lobbyisten stark erhöhen wird. Denn immer noch haben sich im bisherigen Register der Kommission 40 Prozent der in Brüssel ansässigen Lobbyakteure nicht registriert, darunter so gewichtige wie die mächtige Lobbyorganisation der Getränke- und Nahrungsmittelindustrie, CIAA, einflussreiche Großkonzerne und Großbanken wie Nestlé, Eon, Deutsche Bank oder Royal Bank of Scotland oder stillschweigend Einfluss ausübende Lobbyorganisationen wie die der Hedgefonds und der Private-Equity-Unternehmen (AIMA und EVCA), die bei den diesjährigen »Worst EU Lobbyawards« wegen fragwürdiger Taktiken nominiert worden sind. Das kann sich mit dem neuen Register ändern, muss es aber nicht. Wer im Dunkeln arbeiten will, kann es weiterhin tun. Das Register bleibt freiwillig und es gibt andere Möglichkeiten, sich mit Abgeordneten und ihren Mitarbeitern zu treffen. Das Register muss deshalb verpflichtend ausgestaltet werden.

Auch was die Qualität der Daten betrifft, bleiben wesentliche Mängel bestehen. Kürzlich hat unser Brüsseler Netzwerk, die Allianz für Lobby-Transparenz und ethische Regeln, eine Studie veröffentlicht, die für Kommission und Parlament offensichtlich peinlich war. Sie zeigte auf, dass das Register kein realistisches Bild von der Lobbylandschaft der EU gibt. Wir betrachteten die laut Register 50 größten Lobbyakteure: Neben sinnlosen Einträgen wie dem der »Sanctuary Medical Ltd.«, die unter dem Kürzel »Petloonie« registriert ist und erklärt, ihr Auftrag sei es, »den Planeten zu heilen und sich auf STARGATE 2012 vorzubereiten«, mussten wir feststellen, dass ein kleines griechisches Unternehmen namens »Prisma Electronics« anscheinend das größte Lobbybudget der EU hat – während beispielsweise Giganten wie British Petroleum oder BusinessEurope in den Top 50 nicht einmal auftauchen. Es ist bekannt, dass BP in den USA Millionen für das Lobbying ausgibt.

Wenn auch die Arbeitsgruppe kleinere »Checks« der Richtigkeit von Einträgen angekündigt hat: Kontrollen in Hinblick auf die Wahrheit von Eintragungen sind nicht geplant. So können weiterhin Unternehmen und Lobbygruppen ungestraft viel zu geringe Lobbybudgets angeben. Das nimmt dem Register viel von seiner Kraft. Weil das Register freiwillig ist, so die Argumentation, habe man keine Handhabe. Ein weiteres Argument dafür, dass ein verpflichtendes Register unabdingbar ist.

Anerkannt werden sollte allerdings die Tatsache, dass die EU-Institutionen immerhin überhaupt um Lobbytransparenz bemüht sind – während die Bundesregierung dieses Thema offensichtlich nach wie vor für linke Flausen hält.

* Aus: Neues Deutschland, 19. November 2010 ("Brüsseler Spitzen")

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