Brüssel schnürt "Balkanpaket"
Kosovo-Frage bereitet EU Kopfzerbrechen
Von Holger Elias, Brüssel *
Die Europäische Union will einer Destabilisierung des Westbalkans nach der Unabhängigkeitserklärung Kosovos entgegenwirken. Zur Förderung von Kontakten beabsichtigt Brüssel, den Bürgern dieser Staaten den Zugang zur EU wesentlich zu erleichtern.
In einem von Erweiterungskommissar Olli Rehn am Mittwoch (5. März) vorgestellten
Papier (pdf-Datei, englisch) werden mit allen betroffenen Staaten Gespräche in Aussicht gestellt, »um schnellstmöglich einen Fahrplan zur Abschaffung der Visumpflicht festzulegen«. Zur Zeit benötigen alle Länder des Westbalkans – mit Ausnahme Kroatiens – ein Visum zur Einreise in die Union.
Rehn sagte in Brüssel, dass die Gespräche über die Visaerleichterungen bereits in der vergangenen Woche mit Serbien, Mazedonien und Montenegro begonnen haben, mit Bosnien und Albanien sollen sie in den nächsten Tagen folgen. Unter den »gegenwärtigen Umständen« sei es wichtig, Frieden und Stabilität in der gesamten Region zu wahren, heißt es in dem Strategiepapier. Dies könne dadurch erreicht werden, dass man die EU-Perspektive für die Menschen »so erkennbar und so fühlbar wie möglich macht«. Die Europäische Union bekräftigte ihr Angebot, den rund 25 Millionen Bewohnern des Westbalkans einen Beitritt zur Union zu ermöglichen. Auch Kosovo könne Mitglied der EU werden, bekräftigte Rehn. Grundlage für die Beitritte wären jedoch umfangreiche Reformen in den Ländern. Die EU will ihrerseits die Beitritts-Vorbereitungen beschleunigen.
Doch gerade die Integration Kosovos bereitet der Europäischen Kommission offenbar arge Kopfschmerzen. Die Tatsache, dass mit Spanien und Zypern zwei EU-Mitglieder das neue Staatsgebilde nicht anerkennen wollen, lässt keinerlei vertragliche Vereinbarungen mit Kosovo zu. Parallel entwickelt sich das Verhältnis Serbiens zur Union ausgesprochen kritisch. Das Parlament in Belgrad kündigte nun auf Initiative der oppositionellen Radikalen Partei einen Stopp der Zusammenarbeit mit der EU an. Selbst Ministerpräsident Vojislav Kostunica forderte alle Parteien auf, für die Beschlussvorlage zu stimmen. In dem Papier wird die Rücknahme der Anerkennung Kosovos und der Abzug von Aufbauhelfern gefordert. Sollte die Resolution angenommen werden, dann droht zudem ein Bruch der Koalitionsregierung.
EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot kündigte indes an, dass die EU ihre transeuropäischen Netze (TEN) weiter über den Balkan bis nach Skopje, Sofia und Saloniki spannen werde. Neue rechtliche Rahmenbedingungen, die den EU-Standards entsprechen, sollen die Wirtschaft zum Ausbau der Straßen, der Schienen und der Schifffahrt auf dem Balkan motivieren. Zudem will die Kommission mit ihrem Erasmus-Programm künftig deutlich mehr Studenten aus den Ländern mit Förderstipendien ausstatten. Demnach sollen bereits 500 Stipendien im Studienjahr 2008/2009 vergeben werden. Ein Jahr später soll sich diese Zahl mehr als verdoppeln. Für die Jahre 2007 bis 2011 kündigte Rehn mehr als vier Milliarden Euro an, die als Fördergelder in die Westbalkan-Staaten fließen sollen.
Die Versprechen der Brüsseler Kommission gegenüber den Westbalkanstaaten zur perspektivischen Aufnahme in die Union sorgen derweil in den Mitgliedsländern für Unruhe. Ein Mitarbeiter des Erweiterungskommissariats bestätigte gegenüber ND, dass die Bereitschaft zur Aufnahme weiterer Kandidaten derzeit eher »sehr ungünstig« sei, was vor allem an den Erfahrungen mit Bulgarien und Rumänien liege. Die Rolle der neuen Mitglieder werde von den »meisten EU-Ländern« eher kritisch gesehen. Deren Integrationswille habe sich als »sehr mangelhaft« erwiesen.
* Aus: Neues Deutschland, 7. März 2008
Dokumentiert: Pressemitteilung der EU-Kommission
Brückenschlag zu den westlichen Balkanländern
Bei ihren Vorbereitungen auf einen EU-Beitritt erhalten die Staaten des westlichen Balkans wertvolle Unterstützung.
Eine mögliche EU-Mitgliedschaft für westliche Balkanländer wie Albanien, Bosnien und Herzegowina oder Montenegro rückt näher. Die Kommission stockt deshalb ihre Hilfe für die Beitrittsvorbereitungen auf. In diesem Zusammenhang werden beispielsweise
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mehr Stipendien zur Verfügung gestellt, um Studierenden ein Studium in der EU zu erleichtern;
- Kontakte zwischen Wissenschaftlern und Forschern ausgebaut;
- die Zusammenarbeit in Bereichen wie Umweltschutz, Justiz, Freiheit und Sicherheit vertieft.
Erwogen werden auch Reiseerleichterungen durch die Abschaffung der Visapflicht.
„Innerhalb der EU besteht der entschlossene Wille, den Völkern der westlichen Balkanstaaten bei ihrer Entscheidung für europäische Wertvorstellungen und Lebensverhältnisse zur Seite zu stehen“, erklärte Erweiterungskommissar Olli Rehn. Letztlich seien es jedoch die politischen Führer und die Völker der Region, die bestimmen, ob sie sich einer europäischen Zukunft zuwenden, die durch Stabilität und Wohlstand geprägt sein wird.
Die EU unterstützt die Vorbereitungen der westlichen Balkanländer auf eine EU-Mitgliedschaft mit jährlich rund 800 Millionen Euro bis einschließlich 2011 – nirgends auf der Welt leistet sie eine höhere Hilfe pro Einwohner. Ein größerer Anteil dieser Mittel ist nunmehr für die Zivilgesellschaft bestimmt, d. h. für Gewerkschaften, Verbraucherorganisationen sowie Frauen- und Jugendverbände. Die Rolle der Zivilgesellschaft in der Region steht im Mittelpunkt einer Konferenz English, die für den 17. und 18. April geplant ist.
Schon seit langem unterstützt die EU die Zusammenarbeit zwischen den westlichen Balkanländern in den Bereichen Handel, Energie und Verkehr. Diese Woche werden nun weitere Initiativen gestartet, darunter zum grenzüberschreitenden Vorgehen English in Katastrophenfällen wie den Waldbränden von 2007.
Quelle: Website der EU-Kommission; http://ec.europa.eu
Hier geht es zum Dokument der Europäischen Kommission:
Western Balkans: Enhancing the European perspective
COMMUNICATION FROM THE COMMISSION TO THE EUROPEAN PARLIAMENT AND THE COUNCIL, Brussels, 5.3.2008 (englisch)
Originalquelle: http://ec.europa.eu
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