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Drohnen an den Außengrenzen

Slowenien: EU-Innenminister bereiten Regelungen zur weiteren militärischen Abschottung Europas vor

Von Gloria Fernandez *

Die »Sicherung der Außengrenzen« trieb am Mittwoch (12. März) die EU-Innenminister um - ein euphemistisch formulierter Tagesordnungspunkt der zweitägigen Beratungen im slowenischen Brdo. Schließlich ging es dabei im Kern um eine weitere Militarisierung an den EU-Außengrenzen mit dem Ziel, Flüchtlingen zukünftig jede Möglichkeit zu verbauen, Europa zu erreichen. Unter anderem stand zu diesem Zweck der Einsatz von »gewöhnlich im Krieg eingesetzte Drohnen« zur Debatte, so die Website zur Außenpolitik German-Foreign-Policy am Mittwoch.

In Brdo sollten zukünftige Beschlüsse zum europäischen Grenzregime vorbereitet werden. So ist auch der Plan, Flüchtlinge in Zukunft mit unbemannten Luftfahrzeugen zu jagen, die ansonsten über Afghanistan oder dem Irak zum Einsatz kommen, Teil einer umfassenden Strategie zur Fluchtverhinderung. EU-Innenkommissar Franco Frattini hatte beispielsweise bereits vor drei Wochen Vorschläge vorgelegt, die empörte Reaktionen hervorgerufen hatten. Demnach ist die Erfassung von Fingerabdrücken aller Nichteuropäer sowie ein auf biometrischen Daten basierendes elektronisches Einreisesystem vorgesehen. Sämtliche Touristen sollen registriert werden, um bei Aufenthaltsüberschreitung sofort zu reagieren: Sogenannte Overstayer können dann unmittelbar zur polizeilichen Fahndung ausgeschrieben werden. Wie es bei der EU-Kommission heißt, kann das System »bis 2015 funktionsfähig« sein.

German-Foreign-Policy zufolge beinhaltet die zukünftige »Flüchtlingsabwehr« drei miteinander verbundene Bereiche: die Aufrüstung an der Grenze selbst, die Perfektionierung vorgelagerter »Grenzschutztrupps« und die großflächige Überwachung der grenznahen Meeresgebiete. Brüssel will die Totalkontrolle später »auf den gesamten maritimen Bereich der EU« ausdehnen und unter anderem Fischer bei ihrer Arbeit ausspionieren. Von den Milliardensummen aus dem EU-Haushalt, die in den kommenden Jahren zur Verfügung stehen, profitieren Hersteller der modernsten Repressionstechnologien. Sie sollen auch Mittel aus der vorgeblich zivilen Forschungsförderung erhalten, so die Website.

Am Mittwoch (12. März) lagen den europäischen Innenministern in Brdo drei Papiere der EU-Kommission vor. Darin ging es nicht nur um praktische Maßnahmen zur Militarisierung an der Grenze, sondern im Kern um eine Weichenstellung zu einer bislang ungekannten Totalkontrolle des gesamten Grenzgebiets. So wurde unter anderem über die Flüchtlingsjagd im Vorfeld der Grenze debattiert, für die seit Oktober 2005 die »Grenzschutz«-Agentur Frontex zuständig ist. Frontex verfügt inzwischen über ein schlagkräftiges Instrumentarium, darunter über hundert Schiffe, ca. 20 Flugzeuge, 25 Hubschrauber und mehrere Hundert Grenzkontrollgeräte wie mobile Radareinheiten, Fahrzeuge, Wärmebildgeräte und mobile Detektoren. Außerdem stehen »Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke« (»Rapid Border Intervention Teams«, RABIT) zur Verfügung. Die Mittelmeeranrainer der EU betreiben seit dem vergangenen Jahr ein »Europäisches Patrouillennetz« (EPN), mit dessen Hilfe, so German-Foreign-Policy, in den Jahren 2006 und 2007 etwa 53000 Flüchtlinge aufgegriffen wurden.

Den strategischen Zielpunkt benennt Brüssel vorerst nur für den maritimen Bereich. Auf den Meeren an den Außengrenzen der EU soll demnach »ein gemeinsamer Informationsraum« geschaffen werden, »in dem alle bestehenden Melde- und Überwachungssysteme« in nationalen Hoheitsgewässern »und in angrenzenden Hochseegebieten in ein größeres Netz eingebunden werden«. Dieses »integrierte Netz von Melde- und Überwachungssystemen« sei nach Meinung der EU-Kommission zunächst »auf das Mittelmeer, den südlichen Atlantik (Kanarische Inseln) und das Schwarze Meer (zu) beschränken«. »Später« soll die Überwachung »auf den gesamten maritimen Bereich der EU ausgeweitet werden«. Die ersten definitiven Entscheidungen zur Fluchtverhinderung sind für das Treffen der EU-Innen- und Justizminister im Juni vorgesehen.

* Aus: junge Welt, 13. März 2008


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