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FRONTEX macht die Grenzen dicht

EU will Grenzagentur ausbauen und verstärkt die Datenerfassung

Von Dominic Heilig, Brüssel *

Der Innenausschuss des Europäischen Parlaments hatte dieser Tage zu einem Runden Tisch mit den nationalen Parlamenten geladen, um über die Sicherung der Außengrenzen der EU zu diskutieren.

Im Kern sollte es in dieser Woche in Brüssel um die seit Jahren auf sich warten lassende Einführung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) und um den Ausbau der neu geschaffenen europäischen Grenzschutzagentur (FRONTEX) gehen. Doch schnell wurde deutlich, dass die Überlegungen von Kommission und Rat längst in eine andere Richtung weisen. Die neuen Zauberformeln heißen »Integriertes Grenzschutzsystem« und (ethnisches) »Profiling«. Jacques Barrot, Innen- und Justizkommissar der EU, freute sich denn auch über die rege Teilnahme nationaler Parlamentarier, die er am Runden Tisch für seine Ideen erwärmen wollte.

Es störte dabei wenig, dass aus dem Bundestag nicht ein Abgeordneter den Weg nach Brüssel fand, denn die meisten der neuen Initiativen sind wohl längst mit Deutschland verabredet. Trotzdem wurde deutlich, dass es den EU-Mitgliedstaaten und der Brüsseler Kommission vor allem um eine umfassende, europaweite Sammlung personenbezogener Daten geht. Und so wurden die Probleme bei der Einführung von SIS II nur kurz erläutert und Besserung gelobt. An den Start sollte die zweite Generation eigentlich im März 2007 gehen. Wohl nicht nur technische Probleme, sondern auch der Wunsch nach immer neuen Datenkategorien – wie die Aufnahme von biometrischen Daten – verzögerten die Umsetzung des Projektes. Nun soll es bis September 2009 arbeiten.

Gleichzeitig ließ die Kommission durchblicken, dass der bisherige Schutz der europäischen Außengrenzen nicht hinreichend sei und sich dies mit dem neuen SIS-System auch nicht nachhaltig verändern würde, wie der FRONTEX-Chef Illka Laitinen und Don Francisco Gabella Maroto, General der Guardia Civil, ausführlich darlegten. Beiden kam die Aufgabe zu, nicht nur um eine bessere Infrastruktur, also Hubschrauber, Flugzeuge, Schiffe, und Geld für die Grenzagentur zu bitten, sondern auch für das geplante integrierte Grenzschutzsystem zu werben.

Modernste Technik wie Iris-Scan bei Grenzkontrollen, biometrische Ausweispapiere und unbemannte Drohnen soll illegale Einwanderung verhindern und Personen mit abgelaufenen Visa innerhalb der EU stellen. Ebenfalls neu ist die Idee, ein sogenanntes (ethnisches) Profiling durchzuführen. Mit Hilfe europaweiter polizeilicher Datenbanken soll aus wenigen Informationen zu einer Person ein Profil zu dieser erstellt werden. Besonders interessiert ist man an Informationen über Ethnie, Rasse, Religionszugehörigkeit und die Nationalität eines Menschen. Damit, so die Begründung, solle sowohl der Terrorismus erkannt und bekämpft, als auch die zunehmende illegale Migration verhindert werden.

Kritiker wiesen während des Treffens im Europaparlament darauf hin, dass mit einem solchen Profiling kaum ein Terrorist gestellt werden könne. Alle Erfahrungen deuteten darauf hin, dass man vermeintliche Terroristen eher anhand ihres sich verändernden sozialen Verhaltens erkenne. Die aktuellen Vorschläge würden so nur zu einer Diskriminierung von Menschen führen. Die Kommission nahm es mit gelassenem Interesse zur Kenntnis. Die Arbeiten an einer polizeilichen Megadatenbank zur »Sicherung der Außengrenzen« werden wohl vorerst ungebremst weiter laufen. Fraglich hingegen ist noch, bei wem dann alle Fäden zusammenlaufen. Vieles deutet darauf hin, dass FRONTEX die Schnittstelle hierfür in EU-Europa werden wird. Ein erster Grundstein dafür wurde vergangene Woche mit der Verabschiedung der EU-Rückführungsrichtlinie gelegt.

* Aus: Neues Deutschland, 4. Juli 2008


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