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Roboter sollen EU-Grenzen sichern

Gefährliche Forschung: Frontex will Flüchtlingsabwehr automatisieren

Von Matthias Monroy *

Bereits mehrmals testete die EU-Agentur Frontex Drohnen verschiedener Hersteller auf ihre Eignung zur Flüchtlingsabwehr. Im Januar wurden in der griechischen Hafenstadt Aktio unbemannte Flugzeuge der Klasse »Medium Altitude Long Endurance« gezeigt, die maximal zehn Kilometer hoch fliegen können. Der spanische Rüstungskonzern Thales hatte das System »Fulmar« mitgebracht, das von einem fahrbaren Katapult gestartet wird. Im Sommer durfte der israelische Rüstungskonzern Aerospace Industries (IAI) seine Heron-Drohne präsentieren, die auch von der Bundeswehr geflogen wird.

Die Flugroboter könnten in ein EU-Grenzüberwachungssystem integriert werden, das nächstes Jahr unter dem Namen EUROSUR in Betrieb genommen wird. Die neue Plattform verarbeitet Aufklärungsdaten von Satelliten, Radaranlagen, Flugzeugen und Drohnen. Doch auch unbemannte Landfahrzeuge sollen womöglich eingebettet werden: Dieses Jahr endet ein fünfjähriges Forschungsvorhaben, das unter dem Namen »Transportable Autonomous patrol for Land Order Surveillance« (TALOS) entsprechende Forschungen betrieb. Das Akronym entstammt der griechischen Mythologie. Ein gleichnamiges Wesen wurde nur deshalb erschaffen, um fortwährend die Insel Kreta zu umrunden und unerwünschte Eindringlinge durch rotes Glühen abzuwehren.

Laut der TALOS-Projektwebseite gelten insbesondere die östlichen EU-Grenzen als Risiken für unerwünschte Migration. Ein starkes Einkommensgefälle gegenüber Staaten der früheren Sowjetunion würde zudem Schmuggel in die EU attraktiv machen. Die Roboter seien laut ihren Machern aber auch geeignet, die »schnellen Eingreiftruppen« von Frontex zu unterstützen. Der europaweit erste Einsatz dieser sogenannten »Rapid Border Intervention-Teams« wurde Anfang 2011 erstmals für Griechenland angeordnet und auf unbestimmte Zeit verlängert.

Im Frühjahr wurden in einer polnischen Militärkaserne in Warschau erstmals Prototypen von TALOS vorgeführt. Die TALOS-Roboter sind mit mehreren Kameras und einem Radar ausgerüstet. Zur gesamten Plattform gehören neben den Kettenfahrzeugen jeweils eine Einheit zur Steuerung und eine zur Kommunikation. Beide sind in transportablen Containern untergebracht. Das gesamte Vorhaben hat rund 20 Millionen Euro gekostet, von dem die EU wie üblich rund zwei Drittel übernimmt. Den Rest tragen die beteiligten Rüstungs- und Elektronikfirmen, die derart subventioniert in den Genuß günstiger Forschung kommen. Zum Konsortium von TALOS gehören 14 Einrichtungen aus acht EU-Mitgliedstaaten. Neben Rüstungsfirmen dominieren Grenztruppen aus Polen, Rumänien, Bulgarien, Estland und Slowenien. Als »EU-Beitrittskandidat« darf auch ein Unternehmen aus der Türkei mitarbeiten. Die türkische Gendarmerie, die für die Grenzsicherung zuständig ist, gehört wie das Nachbarland Griechenland zu den Interessenten für die fertige Plattform.

Eine wichtige Rolle spielt überdies der israelische Militärausrüster IAI, der neben den Heron-Drohnen einen Landroboter unter dem Namen »Guardian« entwickelt. Das System ist laut einem Promotionsvideo geeignet, Störungen in gesicherten Anlagen aufzuspüren. Aufgefundene Personen werden per Lautsprecher zum Stehenbleiben aufgefordert. Ein jetzt von TALOS veröffentlichter Film beschreibt ähnliche »Qualitäten«: Das EU-System sei preisgünstig, weil es die Errichtung teurer Grenzzäune erübrigen würde. Zudem könnten die Operationen stets von einem zentralen Lagezentrum überwacht werden. Die Forscher bewerben aber auch die künstliche Intelligenz der Maschinen. Wohl um weitere Fördermittel einzuwerben, soll die unbemannten Landfahrzeuge mit erneuerbaren Energien versorgt werden.

Während der EU-Roboter unbewaffnet ist, kann der israelische »Guardian« mit Reizgas sprühen. Als Einsatzgebiete gibt die Firma IAI Militäranlagen, kritische Infrastruktur (z.B. Energieanlagen oder wichtige Handelsknotenpunkte) sowie die Grenzsicherung an. Weil die Geräte transportabel sind, können auch Großereignisse wie etwa Gipfeltreffen überwacht werden.

* Aus: junge Welt, Montag, 19. November 2012


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