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Solare Zölle gegen China

Europäische Photovoltaik-Unternehmen reichen Anti-Dumping-Klage ein

Von Simon Poelchau *

China soll seine Solarbranche zu stark subventioniert haben. Dagegen wird jetzt geklagt.

Europäische Solarfirmen wissen sich offenbar nicht mehr anders gegen ihre Konkurrenz aus China zu wehren: Rund 25 Unternehmen aus Deutschland, Italien, Spanien und weiteren EU-Ländern haben bei der Europäischen Kommission eine Klage gegen die Konkurrenz aus Fernost eingereicht. Sie werfen chinesischen Firmen wie Suntech, Yingli und LDK Solar unfaire Handelspraktiken vor. Wegen staatlicher Subventionen hätten sie Wettbewerbsvorteile.

Die deutsche Photovoltaikbranche steckt zurzeit tief in einer Krise. Überproduktion und billigere Konkurrenzprodukte aus China machen ihr stark zu schaffen. Weil die Bundesregierung die Einspeisevergütungen für Solarstrom schlagartig kürzte, wurde die Lage zusätzlich verschärft.

Die Kläger haben sich in der Initiative »EU Prosun« formiert. Zu ihnen gehört auch das Bonner Unternehmen Solarworld. »Die chinesischen Unternehmen werden mit milliardenschweren Krediten versorgt«, sagte ein Sprecher von »EU Prosun« am Donnerstag dem »Handelsblatt«. Damit ein Verfahren bei der EU-Kommission zustande kommt, müssen 25 Prozent der europäischen Solarfirmen einen entsprechenden Antrag stellen. Unterstützung erhielten die Kläger von Umweltminister Peter Altmaier (CDU), der letzte Woche bei Maybrit Illner eine solche »Anti-Dumping-Klage« befürwortete.

In den USA haben Solarhersteller es schon geschafft, Wettbewerbsschranken gegen China durchzusetzen. Bis zu einer endgültigen Entscheidung im Oktober hatte das dortige Handelsministerium Strafzölle in Höhe von bis zu 250 Prozent auf chinesische Solarprodukte verhängt.

Doch die Klage ist innerhalb der deutschen Sonnenenergiebranche nicht unumstritten: »In der aktuellen Auseinandersetzung verhalten wir uns neutral, da sich unter unseren Mitgliedern Befürworter und Gegner eines Anti-Dumping-Verfahrens befinden«, gibt sich der Bundesverband der Solarwirtschaft betont unparteiisch. Schließlich sind viele deutsche Unternehmen in der Branche bereits eng mit China verbunden.

Kritik am Vorgehen der Firmen kommt von den Grünen: »Anti-Dumping-Klagen behindern die Energiewende, weil sie einen weiteren Preisrutsch der Module ausbremsen«, erklärte ihr energiepolitischer Sprecher im Bundestag, Hans-Josef Fell. Er fordert stattdessen, dass sich die EU-Kommission für freien Wettbewerb einsetzt.

Ob eine Klage der richtige Weg aus der Misere ist, bezweifelt auch Dorothee Menzner, energiepolitische Sprecherin der Linksfraktion, gegenüber »nd«: »Die Firmenpolitik von manchen Unternehmen war vielleicht nicht immer perfekt. Aber die Lage der Solarbranche ist in erster Linie die Folge einer verfehlten Industriepolitik der Bundesregierung.«

Die vier größten chinesischen Solarhersteller riefen unterdessen ihre Regierung auf, »sofort den Dialog mit hohen Stellen« in Brüssel zu suchen.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 27. Juli 2012


Bremsaktion

Von Kurt Stenger **

Es ist eine Art Verzweiflungstat europäischer Solarunternehmen rund um SolarWorld. Mittels Anti-Dumping-Zöllen soll die EU die Kostennachteile hiesiger Hersteller gegenüber der chinesischen Konkurrenz beseitigen helfen.

Ob die pleitegeschüttelte deutsche Solarbranche damit wieder wettbewerbsfähig würde, ist indes ebenso ungewiss wie ein Erfolg der Klage in Brüssel. Zumindest politisch gibt es kaum Rückenwind für das Vorgehen. Das ist in Gestalt der Bundesregierung - mit Ausnahme des Umweltministers - alles andere als überraschend: Zum einen würden hohe Strafzölle den von der Politik gewünschten Preisverfall bei Solarmodulen im Inland behindern. Die hohen Strompreise werden ja fälschlicherweise den gestiegenen Einspeisevergütungen für Photovoltaikanlagen angelastet, obwohl der Hauptgrund dafür ist, dass die Stromkonzerne die durch den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien gesunkenen Börsenpreise für Strom nicht an die Verbraucher weitergeben.

Zum anderen sind für eine Exportnation, die auf offene Märkte und internationale Arbeitsteilung setzt, Handelsstreitigkeiten äußerst hinderlich. Und wenn deutsche Textil- und Autokonzerne von den niedrigen Sozial- und Umweltstandards in China profitieren, stört sich ja auch kein Regierungsvertreter daran.

Es ist absehbar, dass die Anti-Dumping-Klagen den kapitalistischen Lauf der Dinge nicht aufhalten, sondern bestenfalls etwas bremsen könnten. Eine Neupositionierung der deutschen Solarbranche bleibt auf der Tagesordnung.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 27. Juli 2012 (Kommentar)


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