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EU-Ultimatum für AKP Staaten

Zustimmungsfrist zu Wirtschaftspartnerschaftsabkommen endet 2013

Von Servaas van den Bosch, Windhuk, (IPS) *

Bis zum 31. Dezember 2013 sollen die Verhandlungen über die umstrittenen Wirtschaftspartnerschaften (EPAs) zwischen der Europäischen Union und den sogenannten AKP-Staaten in Afrika, der Karibik und der Pazifik-Region abgeschlossen sein. Andernfalls droht den Ländern der Verlust der Handelspräferenzen, die ihnen die EU bislang einräumt.

Die Zeit tickt: Mit ihrem Ultimatum vom 30. September setzt die Europäische Kommission Nachzügler wie Namibia und Botswana unter Druck. »Diese Entscheidung der EU kommt nicht unerwartet«, meinte der unabhängige namibische Handelsexperte Wallie Roux. Sie ziele auf Länder wie Namibia, die sich nur widerwillig an den EPA-Verhandlungen beteiligten. »Vielleicht versucht die EU, ihren letzten Trumpf auszuspielen, um die Verhandlungen über dieses schlecht konzipierte Modell zukünftiger Handelsbeziehungen überhaupt zeitlich in den Griff zu bekommen«, sagte er IPS. Besonders in afrikanischen Ländern sind die EPAs unpopulär. Sie kritisieren, die darin vorgegebenen Handelsbedingungen seien unfair und schränkten den Spielraum ihrer eigenen Handels- und Wirtschaftspolitik ein.

Roux betonte, es sei wohl kein Zufall, dass die EU ihr Ultimatum zu einer Zeit stelle, in der Ländern mit mittleren Einkommen wie Botswana und Namibia der Verlust der Zollvorteile droht, die das Allgemeine Präferenzsystem (GSP) der EU armen Entwicklungsländern einräumt. »Das Ultimatum könnte der Versuch der EU sein, diejenigen AKP-Länder in die Zange zu nehmen, die bislang nicht sicher sind, wie ihre künftigen Handelsbeziehungen aussehen sollen, oder die es, wie Namibia, gewagt haben, sich mit der EU anzulegen«, erklärte er.

In einer Presseerklärung begründete die EU ihr Vorgehen. »In den vergangenen vier Jahren hatten die Länder genügend Zeit, um die EPAs zu ratifizieren oder weiter darüber zu verhandeln. Es ist an der Zeit, diesen Prozess zu Ende zu bringen.« Kritisch kommentierten Isabelle Ramdoo und San Bilal vom unabhängigen 'European Centre for Development Policy Management' (ECDP) das EU-Ultimatum. »Oberflächlich betrachtet mag diese Fristsetzung vernünftig sein, doch viele Länder wollen sich noch Klarheit über bestimmte umstrittene Regelungen der EPAs verschaffen. Viele von ihnen befinden sich derzeit auch in Verhandlungen über regionale Integrationsprozesse und sind noch nicht so weit, mit dritten Parteien Handelsverträge über Vergünstigungen abzuschließen.«

Die nächsten Monate dürften schwierig werden, warnen die beiden Wirtschaftsexperten. »Die Furcht, Vergünstigungen des EU-Marktes zu verlieren, könnte einige Länder zur Unterschrift, Ratifizierung und Durchführung der EPAs zwingen, obwohl diese ihren Ansprüchen und Interessen in Bezug auf Inhalt, Zeitplan und geographischer Abstimmung nicht genügen. Andere könnten einfach aus den Verhandlungen aussteigen. Wenn es auf regionaler Basis zu keiner gemeinsamen Position kommt, könnten die EPAs die Bemühungen um die Integration der regionalen Wirtschaft ernsthaft gefährden.«

Der Wirtschaftsforscher Paul Kruger rechnet damit, dass die Europäer zumindest von den Parlamenten der einzelnen AKP-Staaten die Ratifizierung der EPAs vor 2014 erwarten, damit deren Handelspräferenzen mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) kompatibel werden. Gleichzeitig warnte er davor, das Potenzial des Süd-Süd-Handels als Alternative zum EU-Markt zu überschätzen. So etwa gebe es bislang kein Handelsabkommen zwischen China und einem afrikanischen Land, stellte er fest. »Länder wie Namibia haben erfahren, wie schwierig es ist, sich mit Rindfleisch und Traubenexporten angesichts der Konkurrenz auf aufstrebenden Märkten zu behaupten.« Der Analyst betonte: »Die EU ist für südafrikanische Länder weiterhin der wichtigste Handelspartner. Deren Interesse an einem zoll- und quotenfreien Zugang zur EU ist zu groß, um jetzt einfach aus den Verhandlungen auszusteigen.« Die EU hatte das EPA-Modell entwickelt, weil ihre bisherigen Zoll- und Handelsvergünstigungen gegen die WTO verstoßen.

* Aus: neues deutschland, 11. Oktober 2011


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