"Rückkehr zum 'Business as usual' ist jedenfalls keine Option"
UNCTAD-Generalsekretär Supachai Panitchpakdi über Reaktionen des Südens auf die Krise
Die Entwicklungsländer haben ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren erheblich ausgebaut und nehmen nun Kurs auf eine gemeinsame Währungs- und Finanzkooperation. Damit reagieren die Länder des Südens nach Ansicht von Supachai Panitchpakdi, Generalsekretär der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), nicht zuletzt auf die Gefahren, die von den unregulierten internationalen Kapitalströmen ausgehen. Mit Panitchpakdi sprach in New York Thalif Deen (IPS).
ND: Welche Rolle spielt China für die Entwicklung des Handels und der Finanzkooperation zwischen den
Ländern des Südens?
China hat in diesem Zusammenhang hohe Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Engere
Wirtschaftsverbindungen zu seinen Nachbarländern führten dazu, dass der regionale Handel
inzwischen 40 Prozent des Gesamtvolumens erreicht. China ist inzwischen aber auch der wichtigste
Handelspartner für andere große Entwicklungsländer außerhalb Asiens, etwa Brasilien und
Südafrika.
Welche Bedeutung hat der zunehmende Handel zwischen China und Afrika?
Seit 2000 beträgt die jährliche Zuwachsrate etwa 30 Prozent. Im vergangenen Jahr erreichte der
chinesisch-afrikanische Handel ein Volumen von mehr als 100 Milliarden Dollar. China ist
inzwischen der größte Handelspartner des Kontinents.
Wie sieht es in Ostasien, in Lateinamerika und auf dem afrikanischen Kontinent mit der Süd-Süd-
Kooperation aus?
In Ostasien steht die regionale Wirtschaftsintegration in engem Zusammenhang mit den
wachsenden Investitionen. Die wachsenden Netzwerke haben die Auslandsdirektinvestitionen weiter
in die Höhe getrieben. Auch in Lateinamerika hat der regionale Handel zugenommen, obgleich die
Möglichkeiten eher begrenzt sind. Gehandelt wird dort vor allem mit Agrarerzeugnissen und
industriellen Nischenprodukten. In Afrika basiert die Produktion vor allem auf Rohstoffen, und der
innerregionale Handel ist bisher kaum entwickelt. Die zunehmenden Geschäfte des Kontinents mit
anderen Ländern des Südens haben jedoch die Entwicklungszusammenarbeit gefördert.
In dem neuen Bericht zum Stand der Süd-Süd-Kooperation sagt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon,
dass der rasche Niedergang der globalen Wirtschaft neue Chancen für die Süd-Süd-
Zusammenarbeit geschaffen hat.
Die Entwicklungsländer haben sich selbstverständlich nicht von den Entwicklungen in den
Industriestaaten abgekoppelt. Daher leiden viele der am schwächsten entwickelten Länder (LDC)
unter den schädlichen Auswirkungen der Krise. Dennoch haben Entwicklungsländer gezeigt, dass
ihre Wirtschaft belastbar ist. Vor allem Staaten wie China, Brasilien und Indien konnten aufgrund
ihrer gefestigten Finanzlage positiv auf den Schock reagieren. Wie und in welchem Zeiträumen sich
die Wirtschaft der Länder erholen kann, ist allerdings eine schwierige Frage. Die Rückkehr zum
»Business as usual« -- zu unregulierten Finanzmärkten und einer zutiefst ungleichen
Einkommensverteilung -- ist jedenfalls keine Option.
Es gibt mehrere Vorschläge, wie die Süd-Süd-Kooperation im nächsten Jahrzehnt vorangetrieben
werden kann. Diskutiert wird etwa über Freihandelszonen und gemeinsame Währungen. Was davon
ist umsetzbar?
Die Kooperationspläne werden von Region zu Region unterschiedlich ausfallen. Man sollte dabei
vermeiden, ein gemeinsames Modell für alle finden zu wollen. Solche Vorstöße haben der
Entwicklungszusammenarbeit in den vergangenen Jahren eher geschadet. Die Süd-Süd-
Kooperation ist gerade deshalb eine attraktive Option, weil die beteiligten Länder sensibel auf die
Geschichte und die aktuelle Lage ihrer Partnerstaaten reagieren können. Wenn die wirtschaftliche
Abhängigkeit zwischen einzelnen Ländern zunimmt, wird es allerdings auch immer schwieriger,
gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Freihandelszonen können vielleicht früher realisiert werden
als die Einführung einer gemeinsamen Währung.
Welche Rolle spielt UNCTAD bei der Süd-Süd-Kooperation?
UNCTAD fördert seit Langem die Wirtschaftsintegration zwischen den Ländern des Südens. Sie
gehörte zu den 15 Leitzielen für den Welthandel, die wir auf unserer ersten Konferenz 1964
festgelegt haben. Einen Höhepunkte erreichte unsere Arbeit in diesem Bereich in den späten 70er
und frühen 80er Jahren. Damals entstanden das Globale Handelspräferenzsystem (GSPT),
Kooperationen zwischen staatlichen Handelsorganisationen sowie multinationale
Marketingunternehmungen. Ein Rückschritt erfolgte nach der Schuldenkrise, als die
Entwicklungspolitik neu ausgerichtet werden musste. UNCTAD hat inzwischen aber Neuerungen im
Bereich der Wirtschaftszusammenarbeit zwischen den Entwicklungsländern eingeführt. Es geht nicht
darum, zu den Themen aus der Vergangenheit zurückzukehren, sondern die Entwicklungspolitik mit
Blick in die Zukunft zu gestalten. Auch andere Bereiche des Systems der Vereinten Nationen haben
die Süd-Süd-Kooperation mittlerweile in ihre Arbeitsprogramme aufgenommen.
* Aus: Neues Deutschland, 24. November 2009
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