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Staatliche Förderung für Monsanto?

Entwicklungsbank unterstützt Expansion des Saatgutkonzerns mit 40-Millionen-Garantie

Von Jana Frielinghaus *

Der US-amerikanische Agrarmulti Monsanto ist einer der ganz Großen im globalen Saatgut- und Pestizidgeschäft. Auf 87 Prozent der weltweit mit gentechnisch veränderten Kulturen bestellten Flächen stehen Pflanzen mit Monsanto-Patent, der Nettogewinn lag 2011 bei 1,6 Milliarden US-Dollar.

Nun will der Konzern auch in Osteuropa sein teures Saatgut und seine Pflanzenschutzmittel unter die Leute bringen. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) will dem Giganten dabei offenbar hilfreich zur Seite stehen – mit Garantien in Höhe von 40 Millionen Euro. Darauf hat die Linke-Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann aufmerksam gemacht. Von der Bundesregierung, die durch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Gouverneursrat der Bank vertreten ist, wollten sie und ihr Kollege Harald Ebner (Bündnis 90/Grüne) jetzt wissen, wie sie sich zum sogenannten »Monsanto Risk Sharing«-Projekt positioniert, in dessen Rahmen die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), an der auch Deutschland beteiligt ist, entsprechende Garantien für Geschäfte in Osteuropa gewährt.

Die Antwort des Kabinetts kam am Donnerstag. Darin erklärte Steffen Kampeter (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, die Bereitstellung von Garantien zur »Flankierung von Privatinvestitionen« stelle ein »übliches geschäftspolitisches Mittel der Bank« dar. Warum ein extrem profitables Unternehmen seiner Ansicht nach auf diese Weise gestützt werden muß, verriet Kampeter nicht. Der »Zugang der Bevölkerung zu gesunden Nahrungsmitteln und die Gewährleistung der Versorgungssicherheit« gehöre zu den »Hauptzielen« der EBRD im Bereich der Landwirtschaft, formulierte er statt dessen.

Das EBRD-Direktorium wollte über die Bürgschaft ursprünglich bereits am 15. Januar 2013 entscheiden. Inzwischen avisiert die Bank auf ihrer Website den 9. April als Termin. Nach Angaben von Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk (CSU) gegenüber dem Abgeordneten Ebner wird die Bundesregierung »frühestens Ende Dezember« Detailinformationen über das Projekt bekommen. Erst danach sei eine »abschließende Beurteilung« dazu möglich.

Konkret sollen mit dem Vorhaben nach EBRD-Angaben Saatgut- und Pestizidkontrakte mit mittleren und großen Landwirtschaftsbetrieben und Handelsunternehmen in Bulgarien, Ungarn, Rußland, Serbien, der Türkei und der Ukraine vorfinanziert werden. Die Bank, die von 61 Staaten sowie der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Investitionsbank getragen wird, begründet die geplanten Beihilfen allen Ernstes damit, daß »Monsantos Produkte« den Bauern helfen würden, »mehr Pflanzen zu produzieren und dabei mehr natürliche Ressourcen zu erhalten«, daß mit dem Vorhaben also eine »nachhaltige Landwirtschaft« gefördert werde. Zugleich wird in der Projektbeschreibung beteuert, die Finanzierung von »Aktivitäten hinsichtlich Nutzung und Handel von genetisch veränderten Organismen« sei ausgeschlossen.

Kirsten Tackmann fordert von der Bundesregierung, sich »von diesem absurden Projekt« zu distanzieren. EU-Mittel sollten vielmehr für »regional angepaßtes Saatgut und nachhaltige Anbaumethoden« zur Verfügung gestellt werden, sagte die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion am Freitag gegenüber jW. Harald Ebner betonte, es sei »ein Skandal, wenn eine Entwicklungsbank ausgerechnet einen milliardenschweren Konzern« fördere, »um dessen bereits erdrückende Dominanz auf dem Saatgutmarkt noch weiter auszubauen«. Die Konzentration der Märkte in der Hand weniger Unternehmen habe in anderen Regionen bereits »zur Verteuerung des Saatguts, zur Verdrängung kleiner Pflanzenzüchtungsunternehmen und zum Verlust der traditionellen Sortenvielfalt geführt«.

Kritik am »Risk Sharing« kommt auch von der Organisation Bankwatch. Zusammen mit über 150 anderen Initiativen forderte sie den Präsidenten und andere EBRD-Entscheidungsträger am 19. November in einem offenen Brief auf, davon Abstand zu nehmen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 24. November 2012


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