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Im Gleichschritt mit der Rüstungsindustrie

Minister Niebel militarisiert Entwicklungshilfe

Von Helmut Lorscheid *

Die von Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel eingeleitete Militarisierung der deutschen Entwicklungspolitik schreitet voran. Nachdem er sein Ministerium auf Linie gebracht hat, gilt es nun, das entwicklungspolitische Fachpersonal einzuschwören.

Im Juni wurde eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Bundesverteidigungsministerium geschlossen. Darin ist die Rede von »Personalaustausch« und vom »Austausch von Informationen zu Einsatzgebieten und zu Regionen bzw. Ländern, in denen die Bundeswehr zukünftig voraussichtlich stärker gefordert sein wird«. Die GIZ-Mitarbeiter sollen die »Marketenderwaren im Einsatzgebiet« sowie die »Feldpost« nutzen können. Im Bundestag fragte Heike Hänsel, Abgeordnete der Linksfraktion, nach »entwicklungspolitisch relevanten Verbesserungen«, die das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) durch diese Kooperationsvereinbarung erwarte. Die Regierungsantwort verlor sich in Allgemeinplätzen.

Nun tritt die GIZ als »Sponsor« der »Berliner Sicherheitskonferenz« auf, die am 8. und 9. November stattfindet. Für Hänsels Fraktionskollegen Andrej Hunko ist es ein »Skandal«, dass die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH als Sponsor für eine »Verkaufsmesse der Privatwirtschaft« auftritt. Nichts anderes sei der als »Sicherheitskonferenz« präsentierte Kongress zur Europäischen Sicherheit und Verteidigung. Hier würden – »ähnlich dem 13. Polizeikongress im Februar 2011« – ein weiteres Mal Steuergelder verwendet, »um eine Messe zur Ankurbelung der Rüstungsindustrie zu unterstützen«. Hunko fordert die Bundesregierung auf, »unverzüglich die Unterstützung derartiger Verkaufsmessen der Rüstungsindustrie einzustellen«.

Auf seine Anfrage hin bestätigte die Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ, Gudrun Kopp (FDP), die Teilnahme der GIZ an dem Kongress und der Ausstellung. Der GIZ sei angeboten worden, sich »als Bundesunternehmen mit einem kleinen Stand auf der Konferenz darzustellen«. Dort sollten demnach v. a. die Erfahrungen der GIZ in der Durchführung von Bauaufträgen für das Bundesverteidigungsministerium und das Auswärtige Amt in Südosteuropa und Afghanistan präsentiert werden. Die GIZ sei kein Sponsor der Veranstaltung, sie »entrichte für den Stand eine Nutzungsgebühr, deren Höhe abhängig sei von der Größe des Standes«. Im Konferenzprogramm werde die GIZ »fälschlicherweise als Sponsor der Kategorie Bronze« genannt. Der Veranstalter habe auf einen entsprechenden Hinweis der GIZ hin zugesagt, »die falsche Darstellung zu beheben und die GIZ nicht länger als Sponsor aufzuführen«.

Vom Auswärtigen Amt erfuhr Hunko auf eine weitere Anfrage hin, dass noch ein anderer »Bronze-Sponsor«, die überwiegend bundeswehreigene BwFuhrparkService GmbH, 7800 Euro als Standgebühr zahlt. In Stellenanzeigen sucht die GIZ derzeit übrigens Videoüberwachungsspezialisten für das Innenministerium in Saudi-Arabien.

* Aus: Neues Deutschland, 12. September 2011


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