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"Wir wünschen uns ein breites gesellschaftliches Engagement für Entwicklungszusammenarbeit"

Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, erläutert neues Konzept: "Chancen schaffen – Zukunft entwickeln"


D o k u m e n t i e r t

Dirk Niebel stellt entwicklungspolitische Konzeption des BMZ vor *

Heute (3. Aug.) hat Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in Berlin das neue entwicklungspolitische Konzept des BMZ vorgestellt. Das Papier erläutert die Leitlinien der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.

Dirk Niebel: "Erstmals haben wir detailliert zu Papier gebracht, nach welchen Leitlinien wir unsere Entwicklungspolitik in den nächsten Jahren gestalten werden. Dabei wird es aber nicht bleiben. Wir werden in einem offenen und transparenten Prozess selbstbewusst an die Öffentlichkeit herantreten und unser Konzept zur Diskussion stellen. Dazu gehören neben dem Parlament die Zivilgesellschaft, unsere Durchführungsorganisationen, die politischen Stiftungen und Kirchen, aber auch die breite Öffentlichkeit, die wir unter anderem über einen Online-Auftritt einbeziehen werden. Ich hoffe auf einen fruchtbaren Austausch in den nächsten beiden Monaten. Die Anregungen werden wir in die weitere Ausarbeitung des Konzepts einspeisen."

Die Dialogformate sind auf die einzelnen Adressatenkreise zugeschnitten. Sie reichen vom Hintergrundgespräch mit Durchführungsorganisationen und Zivilgesellschaft über Gesprächskreise mit Wirtschaftvertretern und wissenschaftlichen Konferenzen bis hin zum öffentlichen Social Media-Dialog im Internet.

Dirk Niebel weiter: "Dieser Ansatz zeigt, dass wir ernst meinen, was wir sagen: Wir wünschen uns ein breites gesellschaftliches Engagement für Entwicklungszusammenarbeit, das aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Wir machen Ernst mit Transparenz und Partizipation."

Das Konzept trägt den Titel "Chancen schaffen – Zukunft entwickeln". "Wer Zukunft gestalten will, der muss den Wandel denken können und auf Innovation setzen", so Dirk Niebel. Im Mittelpunkt des entwicklungspolitischen Konzepts steht der Mensch und die Bekämpfung der Ursachen von Armut. Ziel ist es, Menschen in Entwicklungsländern so zu stärken, dass sie ihre Zukunft aus eigener Kraft gestalten können. Deshalb sind Menschenrechte und Gute Regierungsführung Leitprinzipien des Konzepts. Weitere Schwerpunkte sind Bildung als Schlüssel zur Überwindung von Armut sowie die wirtschaftliche Entwicklung. Dirk Niebel: "Unternehmertum schafft Arbeitsplätze und Steuereinnahmen, und breitenwirksames Wachstum führt zu nachhaltiger Entwicklung. Staatliches Engagement alleine kann das nicht schaffen."

Quelle: Website des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), 3. August 2011; /www.bmz.de



Hier geht es zum Dokument:

Chancen schaffen - Zukunft entwickeln [pdf-Datei - externer Link!]



Niebels neue Leitlinien für eine alte Politik

Von Martin Ling **

Nun sind sie raus: die neuen Leitlinien der deutschen Entwicklungspolitik. Das 26-seitige Konzept mit dem Titel »Chancen schaffen – Zukunft entwickeln« lässt auf dem Papier kaum etwas zu wünschen übrig. Künftig soll es ein Mehr von allem geben: Innovation, Bildung, Eigenverantwortung, Wirkung, Engagement, Unternehmertum, Dialog, Investitionen, Klimaschutz, Prävention. Auch an Selbstkritik fehlt es dem neuen Strategiepapier nicht – ein »›Weiter So‹ geht nicht«, lautet die Bestandsaufnahme und eine »bessere Welt ist möglich« die Zielsetzung.

In dem Papier finden sich viele Versatzstücke aus der Theorie einer progressiven Entwicklungspolitik, beispielsweise wird der Förderung lokaler Wertschöpfungsketten das Wort geredet, also der Stärkung der Verflechtung von lokalen Unternehmen und dem Aufbau von lokalen Märkten, um im Süden selbsttragendes Wachstum zu schaffen. Etwas, was in der Praxis der Entwicklungspolitik eher selten eine Rolle spielt, wo die Auftragsvergabe an deutsche Unternehmen großen Stellenwert genießt. Nicht umsonst brüstete sich Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) jüngst im »Focus«, »diese Entwicklungspolitik sichert schon heute 140 000 deutsche Arbeitsplätze«.

In den neuen Leitlinien, die vom Geberländerklub OECD eingefordert wurden, wird das privatwirtschaftliche Interesse klein geschrieben und als Helfer des entwicklungspolitischen Interesses ausgemacht. Auch in diesem Kontext gilt, was für das gesamte Papier zutrifft: An den wohlfeilen Formulierungen an sich ist wenig auszusetzen, der Praxistest steht indes aus. Und alle Erfahrungen, die seit Niebels Amtsantritt 2009 gemacht wurden, deuten darauf hin, dass es unabhängig von Leitlinien mehr denn je ein übergeordnetes Interesse der deutschen Entwicklungspolitik gibt: Aufträge und Beschäftigung für deutsche Unternehmen und Experten.

** Aus: Neues Deutschland, 9. August 2011


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