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Von Obama geopfert

US-Regierung gesteht versehentliche Tötung zweier Geiseln in Pakistan ein. Präsident hält an Geheimhaltung der Umstände fest

Von Knut Mellenthin *

Die US-Regierung hat bei einer »Antiterrorismusoperation« im Januar zwei »unschuldige Geiseln« getötet, die von Al-Qaida gefangengehalten wurden. Das teilte Präsident Barack Obama am Donnerstag mit und verkündete gleichzeitig, dass alles nach Gesetz und Dienstvorschrift zugegangen sei. Eine nachvollziehbare oder gar öffentliche Untersuchung des Vorfalls wird es unter Berufung auf die Sicherheitsinteressen der USA nicht geben.

Für die »Transparenz« seiner Mitteilung erteilte sich Obama selbst großes Lob. Mit seinem gewohnten Pathos sagte er, dass die Angehörigen der getöteten Geiseln »die Wahrheit verdient« hätten. Aus der Ansprache des Präsidenten wurde jedoch deutlich, dass er selbst vor diesem Hintergrund an seiner absurden Geheimniskrämerei festhalten will. Fast alles, was man seit Donnerstag in den Medien las, sah und hörte, sind nur inoffizielle Äußerungen oder Gerüchte und damit verbundene Schlussfolgerungen oder Spekulationen. Der Präsident nannte nicht den Tag des tödlichen Vorfalls und ließ den Schauplatz lediglich von seinem Pressesprecher Josh Earnest mit »die Grenzregion zwischen Afghanistan und Pakistan« umschreiben. Die Grenze ist etwas über 2.600 Kilometer lang. Weder Obama noch Earnest sprachen explizit von einem Drohnenangriff, auch wenn das die allgemeine Version der Medien ist, sondern gebrauchten den unbestimmten Begriff »Counterterrorism operation«.

Genannt wurden immerhin die Namen der getöteten Geiseln: Es waren der im August 2011 aus seinem Haus in der Millionenstadt Lahore entführte US-Amerikaner Warren Weinstein und der Italiener Giovanni Lo Porto, der im Januar 2012, ebenfalls weit von den Aufstandsgebieten entfernt, von Unbekannten gefangengenommen worden war. Ebenso wie der mit ihm entführte Bernd Mühlenbeck hatte Lo Porto für die deutsche Welthungerhilfe gearbeitet. Die Organisation meldete im Oktober 2014 Mühlenbecks »Freilassung«, ohne auf die Umstände einzugehen.

Weinstein war zuletzt Leiter der pakistanischen Filiale von JE Austin Associates gewesen, einer US-amerikanischen Beratungsfirma für ausländische Unternehmen und Regierungsstellen. Diese wiederum arbeitete im Auftrag des US-Außenministeriums in Pakistan. Drei Monate nach seiner Entführung veröffentlichte Al-Qaida ein Video, in dem deren Chef Ayman Al-Zawahiri die Freilassung Weinsteins ankündigte, falls die USA ihre Drohnenangriffe auf Ziele in Afghanistan, Pakistan, Somalia und Jemen einstellen würden. Im Mai 2012 erschien ein weiteres Video, in dem Weinstein Obama beschwor, diese Forderung zu erfüllen. »Mein Leben ist in Ihrer Hand«, flehte der damals schon 70jährige und bat Obama, den er direkt als Vater zweier Töchter ansprach, ihm ein Wiedersehen mit seiner Familie zu ermöglichen. Die US-Regierung lehnte daraufhin Gespräche mit den Entführern ausdrücklich ab. Auf Journalistenfragen sagte Obamas damaliger Pressesprecher James Carney, er glaube nicht, dass sich der Präsident das Video angesehen habe.

Nebenbei gab das Weiße Haus jetzt auch bekannt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit bei »Antiterrorismusoperationen« im Januar zwei weitere US-Amerikaner getötet worden seien. Es soll sich um Ahmed Farouq, »einen Führer von Al-Qaida«, und Adam Gadahn, »ein prominentes Mitglied« der Terrororganisation, gehandelt haben. Farouq sei bei derselben Aktion ums Leben gekommen, bei der auch die beiden Geiseln getötet wurden, Gadahn jedoch bei einer nicht näher bezeichneten anderen »Operation«. In beiden Fällen habe man nicht gewusst, dass sich Farouq und Gadahn in den Zielobjekten befanden. Al-Qaida hatte am 12. April im Internet gemeldet, dass Farouq am 15. Januar in Nordwasiristan Opfer eines Drohnenangriffs geworden sei. Damit scheinen indirekt auch Datum, Ort und Umstände des Todes von Weinstein und Lo Porto festzustehen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 25. April 2015


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