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Desertieren die Piloten, die Washingtons Drohnen-Krieg führen müssen?

Eine neue Art Krieg ruft eine neue Art psychischer Beanspruchung hervor

Von Pratap Chatterjee *

Der Drohnen-Krieg der USA in großen Gebieten des Mittleren Ostens und Teilen Afrikas ist in eine Krise geraten – aber nicht weil zu viele Zivilisten sterben oder in Washington über die Tötungslisten für diesen Krieg und seine globale Berechtigung gestritten wird. Es ist ein kaum lösbares Problem aufgetreten: Die Drohnen-Piloten quittieren in Rekordzahl den Dienst.

Derzeit gibt es rund 1.000 Drohnen-Piloten in der U.S. Air Force, die dort unter der Bezeichnung "18X" (s. http://usmilitary.about.com/od/enlistedjobs/a/18x.htm ) geführt werden. In einem Ausbildungsprogramm auf den Flugplätzen Holloman in New Mexico [s. dazu http://www.holloman.af.mil/news/story.asp?id=123289389 ] und Randolph in Texas, das ungefähr ein Jahr dauert, werden jährlich weitere 180 Piloten ausgebildet. Gleichzeitig quittieren in zwölf Monaten etwa 240 ausgebildete Drohnen-Piloten den Dienst, ohne dass sich die Air Force dieses Phänomen erklären kann. Auch die in verdeckten Operationen der CIA eingesetzten Drohnen werden von Piloten geflogen, die von der U.S. Air Force ausgeliehen sind [s. dazu auch http://www.democracynow.org/2014/4/17/former_drone_operators_reveal_air_force ].

Am 4. Januar 2015 veröffentlichte die Website The Daily Beast ein undatiertes internes Memo [s. http://www.thedailybeast.com/articles/2015/01/04/exclusive-u-s-drone-fleet-atbreaking-point-air-force-says.html ], in dem der "sehr besorgte" General Herbert "Hawk" Carlisle den General und Stabschef der Air Force Mark Welsh davor warnt, dass "die steigende Anzahl von ausscheidenden Drohnen-Piloten in den kommenden Jahren die Einsatzfähigkeit von Drohnen der Typen Predator und Reaper gefährden" könnte. Elf Tage später wurde das Problem auch auf einer Pressekonferenz angesprochen, zu der Air-Force-Ministerin Deborah Lee James und General Mark Welsh eingeladen hatten. Frau James erklärte vor den Medien: "Die Drohnen-Piloten stehen durch die hohen Operationsanforderungen unter ständigem Stress [Bericht von der Pressekonferenz s. unter http://www.defense.gov/Transcripts/Transcript.aspx?TranscriptID=5571 ].

In der Theorie haben Drohnen-Piloten ein bequemes Leben. Im Unterschied zu Soldaten in "Kriegsgebieten" können sie (außerhalb ihrer Dienststunden) mit ihren Familien in den USA zusammenleben. Schlammige Schützenlöcher, von Sandstürmen umtoste Zeltunterkünfte in Wüstengebieten und feindliche Angriffe bleiben ihnen erspart. Statt dessen pendeln diese neuen Techno-Krieger wie irgendwelche Büroangestellten zu ihrer Arbeit vor den Computer-Bildschirmen; das Bedienen der Steuervorrichtungen wirkt auf Außenstehende wie das Hantieren mit den Joysticks eines spannenden Videospiels [s. http://motherboard.vice.com/read/the-curious-stressful-life-of-a-us-military-drone-pilot ].

Die von den Piloten gesteuerten Drohnen fliegen normalerweise Missionen über Afghanistan und über dem Irak; dort nehmen sie Fotos und Videos auf und überwachen Einsätze von US-Soldaten am Boden. Nur wenige Piloten sind dazu autorisiert, CIA-Killerdrohnen über Pakistan, Somalia oder dem Jemen zu steuern und auf Befehl "wichtige Zielpersonen" vom Himmel aus zu töten. Seit einigen Monaten sind einige dieser Piloten auch für den neuen Krieg in den Grenzgebieten Syriens und des Iraks zur Bekämpfung des ISIL abgestellt.

An jeder Drohnen-Kampfpatrouille [s. http://www.wired.com/2012/02/air-force-drones/ ] sind drei bis vier Drohnen beteiligt – meistens mit Hellfire-Raketen bewaffnete, von der Firma General Atomics in Südkalifornien gebaute Predators oder Reapers; an einer solchen Operation sind jeweils 180 Personen beteiligt [s. http://www.af.mil/News/ArticleDisplay/tabid/223/Article/485358/rpa-community-launches-65th-combat-air-patrol.aspx ]. Zusätzlich zu den Piloten werden Kameraoperatoren, Geheimdienst- und Kommunikationsexperten und Wartungspersonal gebraucht. Zur Durchführung der Überwachungsflüge der Global Hawk werden sogar 400 Personen benötigt.

Die U.S. Air Force muss gegenwärtig sicherstellen, dass täglich rund um die Uhr 65 Drohnen-Kampfpatrouillen geflogen werden können, und zusätzlich zu weltweiten Drohnen-Notfalleinsätzen aus militärischen oder humanitären Gründen in der Lage sein. Dafür werden eigentlich 1.700 voll ausgebildete Piloten gebraucht. Wegen der hohen Aussteigerquote ist die Zahl der verfügbaren Drohnen-Piloten aber unter 1.000 gesunken; deshalb musste die Air Force aktive Piloten von Transportflugzeugen und Kampfjets und Reservisten regelrecht zwingen, sich in einer Kurzausbildung zu Drohnen-Piloten umschulen zu lassen, um den enormen Appetit des Pentagons auf rund um die Erde aufgenommene Echtzeitvideos einigermaßen stillen zu können.

Die Air Force macht sich die Erklärung der hohen Aussteigerquote sehr einfach. Die Aussteiger seien einfach überarbeitet. Die Piloten selbst finden es erniedrigend, von Flugzeugpiloten als zweitklassig verachtet zu werden. Einige geben auch zu, dass sie, wegen der Schrecken des Krieges, die sie tagtäglich auf ihren Bildschirmen aus nächster Nähe miterleben müssen, an einer bisher nicht bekannten Form des Post-Traumatic Stress Syndrome / PTSD leiden.

Ist es denn möglich, dass der neuartige ferngesteuerte Krieg auch eine neuartige, noch nicht erkannte psychologische Beanspruchung hervorruft? Der Drohnen-Krieg wird häufig auch als "Krieg der Feiglinge" [weitere Infos dazu unter http://www.theguardian.com/commentisfree/ 2012/jan/30/deadly-drones-us-cowards-war ] bezeichnet, eine Meinung die nach Berichten auch von der durch die ständigen Drohnen-Einsätze traumatisierten Bevölkerung im Jemen und in Pakistan geteilt wird [s. dazu auch http://www.bariatwan.com/english/?p=307 ]. Könnte es sein, dass auch die Drohnen-Piloten unter dem Makel leiden, aus sicherer Entfernung von mehreren Tausend Meilen Menschen umbringen zu müssen, und ein Gefühl der Scham und Schande empfinden, das die sie betreuenden Psychologen nicht wahrhaben wollen?

Aus der Ferne töten und trotzdem den Opfern beim Sterben zusehen

Es steht außer Frage, dass Drohnen-Piloten darunter leiden, von Flugzeug-Piloten als zweitklassig angesehen zu werden [s. http://www.motherjones.com/politics/2013/06/dronepilots- reaper-photo-essay ]. "Es ist schwer zu ertragen, während einer Nachtschicht eine Drohne am Himmel kreisen zu lassen und dabei den Kameraden zusehen zu müssen, die um ihr Leben kämpfen," sagte Ryan, ein Ausbilder für Drohnen-Piloten, dem Magazin Mother Jones. Seine Kollegen würden sich selbst als Soldaten einer "verlorenen Generation" sehen.

"Außenstehende halten das ganze Programm für einen Witz und die Drohnen-Piloten und Kamera-Operatoren für Videospiel-Süchtige oder Nintendo-Krieger," beklagte sich Brandon Bryant, der früher auf der Nellis Air Force Base Drohnen-Kameras bedient hat, bei Democracy Now [s. dazu auch http://www.democracynow.org/2013/10/25/a_drone_warriors_torment_ex_air ].

Was die Arbeitszeiten angeht, sind die Drohnen-Piloten sicher nicht zweitklassig. Sie sitzen 900-1.800 Stunden pro Jahr vor ihren Bildschirmen, während andere Air-Force-Piloten nur 300 Stunden jährlich fliegen. Auch die Gesamtarbeitszeit ist sehr unterschiedlich: "Ein Drohnen-Pilot, der seit sieben oder acht Jahren diesen Job macht, hat sechs oder sieben Tage pro Woche und zwölf Stunden pro Tag gearbeitet," erklärte General Welsh kürzlich im NPR. "Und die ein oder zwei freien Tage pro Woche reichen wirklich nicht für ein vernünftiges Privatleben mit der Familie aus." [s. dazu auch http://www.npr.org/2015/01/24/379550383/the-drone-war-hits-a-bottleneck-too-manytargets-not-enough-pilots ]

Das sehen auch die Drohnen-Piloten so: "Wir sind beansprucht wie ein Motor, der so hochtourig gefahren wird, dass sich der Zeiger auf der Temperaturanzeige dem roten Bereich nähert. Trotzdem dürfen wir nicht weniger Gas geben, sondern müssen das Gaspedal ganz durchtreten," sagte ein Drohnen-Pilot der Air Force Times [s. http://www.airforcetimes.com/story/military/2015/02/02/more-missions-for-reaper-pilots/22752129/ ] "Sie opfern den Motor, um die Geschwindigkeit für kurze Zeit zu steigern, ohne Rücksicht darauf, dass er dabei kaputt geht."

Die Air Force will das Problem mit einem "Trostpflaster" beheben. Erfahrene Drohnen-Piloten sollen eine Tagesprämie von 50 Dollar zusätzlich erhalten. Weil aber so viele den Dienst vorzeitig quittieren, sind nur ganz wenige erfahren genug, um den Bonus beanspruchen zu können. Die Air Force hat sogar zugegeben, dass in diesem Jahr gerade mal 10 Drohnen-Piloten Anspruch auf die Zulage haben; auch das ist ein Beleg für viel zu frühes Ausscheiden. [s. http://www.military.com/daily-news/2015/02/13/fewer-than-10-pilots-to-receive-monthly-bonus-incentive.html ]

Die meisten 18X-Soldaten halten ihren Job für wesentlich härter und fordernder als den der viel angeseheneren Kampfjet-Piloten. "Ein Predator-Pilot sieht viel besser, was er bewirkt, als die Piloten von Kampfjets oder Bombern der Typen B-52, B-1 und B-2, die ihr Ziel nie zu sehen bekommen, gab Lt. Col. Bruce Black, ein ehemaliger Drohnen-Pilot der Air Force. zu bedenken. "Ein Predator-Pilot hat seine Zielpersonen lange beobachtet und kennt sie und ihre Umgebung ganz genau." [s. http://rt.com/shows/sophieco/weapon-drones-industry-demand-465/ ]

Einige klagen, der Drohnen-Krieg habe sie an den Rand des Wahnsinns getrieben. "Wie viele von Hellfire-Raketen zerfetzte Frauen und Kinder musste ich mir anschauen? Wie viele Männer ohne Beine habe ich hilfesuchend und verblutend über ein Feld auf ein Haus zukriechen sehen?" hat sich Heather Linebaugh, eine ehemalige Analystin von Drohnen-Videos, in einem Interview mit dem Guardian gefragt. "Wenn man so etwas ständig anschauen muss, läuft es wie ein ständig wiederholtes Video im Kopf ab; die psychische Belastung war so quälend, dass ich diese Erfahrung niemandem wünsche." [s. http://www. theguardian.com/commentisfree/2013/dec/29/drones-us-military ]

"Es war erschreckend, zu erleben, wie leicht es war (jemand zu töten). Ich fühlte mich als Feigling, weil ich mich auf der anderen Seite des Erdballs befand und der Angegriffene nichts von mir wusste," erzählte Brandon Bryant in einer Sendung des KNPR Radio in Nevada. "Ich fühlte mich ständig von einer Legion von Toten heimgesucht. Ich war physisch und psychisch krank und litt so sehr, dass ich mich erschießen wollte." [Weitere Infos dazu s. unter http://knprnews.org/post/former-nellis-afb-drone-operator-first-kill-ptsd-being-shunned- fellow-airmen .]

Viele Drohnen-Piloten verteidigen jedoch ihre Rolle bei den gezielten Tötungen. "Wir töten die Leute ja nicht zum Spaß. Wir müssten sie auch töten, wenn wir ihnen gegenüber stünden," sagte die Kontrolleurin Janet Atkins zu Chris Woods, dem Autor des Buches "Sudden Justice" [s. http://www.amazon.com/dp/0190202599/ref=nosim/?tag=tomdispatch-20 ]. "Wir müssen den Feind töten, damit er nicht unsere Kameraden tötet." [s. http://www.theguardian.com/world/2015/feb/24/drone-warfare-life-on-the-new-frontline ]

Andere wie Bruce Black sind sogar stolz auf ihr Tun. "Meine erste Rakete habe ich abgefeuert, als ich zwei Wochen hier war. Seither habe ich Hunderten von Menschen, auch vielen Irakern und Afghanen, das Leben gerettet," erzählte er einer Zeitung in seiner Heimatstadt in New Mexico [s. http://www.daily-times.com/four_corners-news/ci_24600432/retired- military-drone-operator-shares-experience-remote-piloting ]. "Nach dem Dienst tranken wir in Buffalo Wild Wings ein Bier und besprachen unsere Arbeit. Das war surreal, aber es dauerte nicht lange, bis ich begriffen hatte, wie wichtig mein Job war. Der Wert dieses Waffensystems im Kampf erschließt sich nur denen, die ihn erlebt haben. Manche Leute brauchen lange, um ihn zu erkennen."

Ist der Stress der Piloten messbar?

Wem soll man glauben? Janet Atkins und Bruce Black, die behaupten, ausscheidende Drohnen-Piloten seien nur überarbeitet – oder Brandon Bryant und Heather Linebaugh, die behaupten, die Beteiligung an ferngesteuerten gezielten Tötungen habe sie psychisch krank gemacht?

Militärpsychologen haben das Phänomen untersucht. Ein Team von Psychologen der School of Aerospace Medicine auf der Wright-Patterson Air Force Base in Ohio hat eine Reihe von Studien zum Stress von Drohnen-Piloten veröffentlicht. Einer Studie aus dem Jahr 2011 ist zu entnehmen, dass fast die Hälfte der Piloten unter "Arbeitsüberlastung" litt. Eine ganze Anzahl habe auch über Beschwerden wie Angstzustände und Depressionen geklagt, die sich negativ auf ihr Privatleben auswirkten. [Diese Studie ist aufzurufen unter http://www.dtic.mil/dtic/tr/fulltext/u2/a548103.pdf .]

Wayne Chappelle, der führend an sämtlichen Studien beteiligt war, behauptet dennoch, das Hauptproblem sei die durch den Piloten-Mangel verursachte chronische Arbeitsüberlastung. Seine Studien scheinen zu belegen, dass posttraumatische Belastungssymptome bei Drohnen-Piloten seltener vorkommen als in der Gesamtbevölkerung. Andere Psychologen stellen seine Untersuchungsergebnisse jedoch in Frage. Jean Otto und Bryant Webber vom Armed Forces Health Surveillance Center und der Uniformed Services University of the Health Sciences sind der Meinung, dass die befragten Drohnen-Piloten, weil sie Nachteile für ihre Karriere und Gehaltseinbußen durch Verlust der Flugtauglichkeit befürchteten, ihre psychischen Probleme nicht zugegeben haben. [Diese Studie ist aufzurufen unter https://timemilitary.files.wordpress.com/2013/04/pages- from-pages-from-msmr_mar_2013_external_causes_of_tbi.pdf .]

Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen

Eine Sache ist klar: Die Piloten töten nicht nur "Bösewichte", und sie wissen das auch. Bruce Black hat ausgeplaudert, dass sie alles sehen, was vor, während und nach einem Drohnen-Angriff vorgeht.

Seine Aussage wird bestätigt durch die einzige veröffentlichte ausführliche Niederschrift eines Gesprächs, das bei einer realen Überwachungs- und Tötungsmission geführt wurde [s. http://documents.latimes.com/transcript-of-drone-attack/ ]. Das oberflächliche Geschwätz wurde am 21. Februar 2010 auf der Creech Air Force Base in Nevada aufgezeichnet und bezog sich auf einen Drohnen-Einsatz in einer ländlichen Gegend der Provinz Daikondi in Zentralafghanistan. An dem Gespräch beteiligten sich Drohnen-Operatoren in Creech, Videoanalysten im Hauptquartier der Air Force für Spezialoperationen in Okaloosa, Florida, und US-Hubschrauber-Piloten in Afghanistan. An diesem Tag wurden in der Morgendämmerung drei im Konvoi fahrende Lastwagen entdeckt, die jeweils ein Dutzend Passagiere beförderten. In der falschen Annahme, es handle sich um eine Gruppe von "Aufständischen", die in der Nähe operierende US-Soldaten töten wollten, entschied sich das Drohnen-Team für einen Angriff.

Controller: "Wir glauben, da könnte ein hochrangiger Taliban-Kommandeur dabei sein."

Kamera-Operator: "Ja, auf der Ladefläche des Lastwagen soll ein Mann im wehrfähigen Alter mit einer Waffe sein."

Geheimdienst-Koordinator: "Ein Prüfer will mindestens ein Kind in der Nähe des Geländewagens gesehen haben."

Controller: "Ach du Scheiße, wo denn? Ich glauben nicht, dass sie schon so früh Kinder dabei haben. Ich weiß, dass sie gern tricksen, lasst uns aber trotzdem loslegen!"

Kamera-Operator: "Wie süß! Oh-je! Das führende Fahrzeug sucht das Weite, holt die Helis her!"

Einige Augenblicke später bringen die Piloten ihre Kiowa-Hubschrauber in Schussposition und feuern eine Hellfire-Rakete auf das vorderste Fahrzeug ab.

Controller: "Schau dir das an, das war ein Volltreffer! Die wurden geröstet! Dieser Lastwagen ist ausgeschaltet!"

20 Minuten später haben sich die Überlebenden des Angriffs ergeben; aus der Abschrift ist ersichtlich, dass die Drohnen-Piloten jetzt weniger gut gelaunt waren, weil sich herausstellte, dass die meisten Passagiere auf den Lastwagen Frauen und Kinder waren und keinerlei Waffen gefunden wurden.

Bei einer nachfolgende Untersuchung vor Ort wurde festgestellt, dass alle Getöteten harmlose Dorfbewohner waren. "Die Technik kann gelegentlich ein falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln, weil man glaubt alles sehen, hören und richtig einschätzen zu können," erklärte James Poss, ein Maj. Gen. (Generalmajor) der Air Force, der die Untersuchung geleitet hatte, später gegenüber der Los Angeles Times. [s. http://articles.latimes. com/2011/apr/10/world/la-fg-afghanistan-drone-20110410/4 ]

Natürlich behauptet die Obama-Administration, solche Ereignisse seien die Ausnahme. Im Juni 2011, als der jetzige CIA Direktor John Brennan noch Anti-Terrorberater des Weißen Hauses war, machte er zum Problem ziviler Drohnen-Opfer folgende dreiste Aussage: "Während des letzten Jahres gab es wegen der mittlerweile erreichten außergewöhnlichen Präzision unserer Drohnen-Angriffe keinen einzigen Kollateral-Toten." [s. http://www.nytimes. com/2011/08/12/world/asia/12drones.html?_r=0 ]

Seine Behauptung und ähnliche Äußerungen anderer Offizieller sind, höflich formuliert, maßlos untertrieben. In ihrem neuen Bericht "You Never Die Twice" weist Jennifer Gibson von REPRIEVE, einer britischen Menschenrechtsorganisation, nach, dass einige Männer auf der vom Weißen Hauses erstellten "Liste der zu tötenden Terrorverdächtigen" bis zu siebenmal "gestorben" sind. [Der REPRIEVE-Bericht ist aufzurufen unter http://www.reprieve.org/uploads/2/6/3/3/26338131/2014_11_24_pub_you_never_die_twice_multiple_kills_in_the_us_drone_program.pdf .]

Frau Gibson stellte fest: "Wir fanden 41 Namen von Männern, die das Unmögliche geschafft zu haben scheinen. Das wirft die drängende Frage auf: Wer war in den Leichensäcken für die Männer auf der Tötungsliste, deren Ermordung gescheitert ist?" REPRIEVE fand heraus, dass bei der Jagd auf 41 "Zielpersonen" in Pakistan 1.147 Personen durch Drohnen-Angriffe getötet wurden. Bei zwei Angriffen auf Aiman al-Zawahiri, den gegenwärtigen Al-Qaida-Chef, starben nach Erkenntnissen von REPRIEVE 76 Kinder und 29 Erwachsene. Al-Zawahiri lebt heute immer noch. [s. http://www.theguardian.com/us-news/2014/nov/24/-sp-us-drone-strikes-kill-1147 ]

Desertieren aus der Steuerkabine

Die Drohnen-Piloten in den USA scheinen unter einer Kombination aus mangelndem Ansehen, Arbeitsüberlastung und psychischem Trauma zu leiden. Während des Vietnam-Krieges desertierten Soldaten nach Kanada oder brachten sogar ihre Offiziere um [weitere Informationen dazu s. unter http://www.amazon.com/Fragging-Soldiers-Assaulted-Officers-Southeast/dp/0896727157 ]. Was sollen Soldaten in einem Krieg tun, den sie mit einer Tastatur als Waffe von einer Steuerkabine in Nevada aus führen?

Könnte es sein, dass auch die Drohnen-Piloten wie ihre Opfer in Pakistan und im Jemen, die darüber klagen, dass sie von dem dauernden Motorengeräusch der über ihnen kreisenden Drohnen und der Angst vor einem plötzlichen Tod ohne Vorwarnung verrückt werden, das Morden einfach nicht mehr ertragen? Seit dem US-Bürgerkrieg haben alle modernen Kriege psychische Traumata unterschiedlichster Ausprägung hervorgerufen – bis zur heutigen Posttraumatischen Belastungsstörung. Es wäre eine Überraschung, wenn eine völlig neue Art der Kriegsführung nicht auch eine neue Art psychischer Störungen hervorbrächte.

Wir wissen nicht, wohin das führen wird. Aber es sieht nicht gut aus für die neue Kriegsführung, die das Weiße Haus und Washington insgesamt anstreben – den propagandistisch sorgfältig vorbereiteten, mit relativ wenig Aufwand verbundenen und mit ferngesteuerten Robotern ohne eigene Verluste geführten Präzisionskrieg, wie er bei der Terrorbekämpfung bereits praktiziert wird. Wenn die Drohnen-Piloten bereits desertieren, wie soll diese neue Art der Kriegsführung dann überleben?

Pratap Chatterjee ist Geschäftsführer von CorpWatch (s. http://en.wikipedia.org/wiki/Corp-Watch ) und Autor der Bücher "Halliburton's Army: How A Well-Connected Texas Oil Company Revolutionized the Way America Makes War" (Die Armee des Halliburton-Konzerns: Wie eine Ölfirma aus Texas mit guten Beziehungen die Kriegsführung der USA revolutionierte, s. http://www.amazon.de/Halliburtons-Army-Well-Connected-Company-Revolutionized/ dp/1568584431 ) und "Iraq, Inc." (s. http://www.amazon.com/Iraq-Inc-Profitable-Occupation-Series/dp/1583226672 ) Sein nächstes Buch "Verax", ein Comic-Roman über Whistleblower und Massenüberwachung, das er zusammen Khalil Bendib verfasst, wird 2016 bei Metropolitan Books erscheinen.

(Wir haben den Artikel komplett übersetzt und mit Ergänzungen und Links in runden Klammern versehen. Die Links in eckigen Klammern hat der Autors selbst eingefügt. Infos über ihn sind nachzulesen unter http://en.wikipedia.org/wiki/Pratap_Chatterjee)


* TomDispatch.com, 05.03.15; http://www.tomdispatch.com/post/175964/

V.i.S.d.P.: Wolfgang Jung, Assenmacherstr. 28, 67659 Kaiserslautern
www.luftpost-kl.de

Mit bestem Dank an "Luftpost" für die Übersetzung!



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