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Front für Kampfdrohnen

IG-Metall-Vertreter nennt Pläne für Anschaffung der Mordmaschinen »Lichtblick«. SPD tritt für Anmietung israelischer Fluggeräte ein

Von Arnold Schölzel *

Die Pläne der Regierungskoalition zur Beschaffung waffenfähiger Drohnen könnten nach Einschätzung der IG Metall den massiven Jobabbau in der Rüstungssparte von Airbus abfedern. »Das ist ein kleiner Lichtblick«, wurde der Beauftragte der Gewerkschaft für Airbus Defence and Space, Bernhard Stiedl, in der Welt am Sonntag (WamS) zitiert. Der Airbus-Standort im bayerischen Manching befinde sich, so die Zeitung, derzeit »in einer schweren Phase«. Weil im Jahr 2017 voraussichtlich die Produktion des Kampfjets Eurofighter auslaufen werde, baue das Unternehmen 1050 Arbeitsplätze ab – rund ein Viertel der Gesamtbelegschaft vor Ort.

Nun steige die Hoffnung in der Belegschaft, daß neue Beschäftigung entstehen könnte. Stiedl erklärte demnach: »Ein europäisches Drohnenprogramm würde am Standort Manching 1500 Arbeitsplätze sichern«. Airbus wollte sich nach Angaben der Zeitung nicht äußern. Stiedl monierte außerdem eine mangelnde politische Rückendeckung für die Rüstungsbranche: »In der Krise gab es Hilfsprogramme für die Auto- und Bankenindustrie. Wir stellen fest, daß das für die Wehrindustrie nicht gilt.«

Airbus hatte vor zwei Jahren die Entwicklung einer Drohne gebremst, als die Anschaffungspläne des damaligen Kriegsministers Thomas de Maizière (CDU) nach dem Debakel beim »Euro Hawk« auf breiten öffentlichen Widerstand – auch der seinerzeitigen SPD-Opposition – stießen. Mitte Mai hatten die Rüstungskonzerne Airbus, Dassault und Alenia Aermacchi aber einen neuen Vorstoß für ein militärisches Drohnenprojekt gestartet. Geplant sind unbemannte Maschinen für mittlere Flughöhe und lange Flugdauer.

Kriegsexperten der Koalition setzten sich am Wochenende für die Anmietung einer bewaffnungsfähigen Drohne aus Israel ein, bis ein europäisches Modell einsatzfähig ist. »Ich bin sehr für eine Fortführung der Vertragsbeziehung mit Israeli Aerospace Industries«, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Von dem Unternehmen hat die Bundeswehr seit 2010 drei Drohnen vom Typ »Heron 1« für den Afghanistan-Einsatz gemietet. Der Vertrag läuft in neun Monaten aus. Das größere Nachfolgemodell »Heron TP« könnte auch Waffen tragen. Ähnlich äußerte sich Henning Otte (CDU): »Wir haben mit der Heron-Drohne gute Erfahrungen in Afghanistan gemacht und sind als Kunde gut behandelt worden«.

Kriegsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte sich in der vergangenen Woche dafür ausgesprochen, bei Bedarf mit Zustimmung des Bundestags bewaffnungsfähige Drohnen anzumieten. Einziger Konkurrent der »Heron« ist die US-Drohne »Reaper« (auch »Predator B« genannt), die von den USA für gezielte Tötungen in Pakistan, im Jemen oder in Somalia eingesetzt wird.

Bundespräsident Joachim Gauck begrüßte im ZDF-Sommerinterview am Wochenende die sogenannte Debatte über Drohnen-Morde und plädierte dafür, sie sorgfältig zu begleiten, »auch mit unserem kritischen Urteil«. Er wolle bei der Bewertung Bundestag und Bundesregierung nicht vorgreifen. »Aber daß es darüber eine Debatte gibt, das wünsche ich mir geradezu.« Gauck weiß, daß er noch viel reden muß: Nach einer Emnid-Umfrage für Focus lehnen 55 Prozent der Deutschen den Einsatz bewaffneter Drohnen durch die Bundeswehr ab. Nur 40 Prozent befürworten ihn.

* Aus junge Welt, Montag, 7. Juli 2014


Kriegslobby

IG Metall für Drohnenproduktion

Von Arnold Schölzel **


Der Beauftragte der IG Metall für den Airbus-Standort Manching, Bernhard Stiedl, macht weiter wie bisher. Im Mai vergangenen Jahres warnte er angesichts des teuren »Euro Hawks«-Debakels vor einem Ende der Entwicklung eigener Drohnen im Rüstungskonzern: »Für Deutschland wäre es eine Katastrophe, wenn nach dem Stopp des ›Euro Hawk‹ die Politik jetzt einen Komplettausstieg aus dem unbemannten Fliegen beschließen würde.« Die Bundesrepublik dürfe sich nicht aus einer »Schlüsseltechnologie« auch für die zivile Luftfahrt verabschieden: »Das wäre so, als würde die deutsche Automobilindustrie auf die Entwicklung des Elektromotors verzichten, mit allen negativen Folgen für die Wirtschaft und die Arbeitsplätze.« (siehe jW vom 23. Mai 2013)

Damals stand an dieser Stelle: »Mit der zivilen Luftfahrt hat die Entwicklung unbemannter Flugzeuge freilich nichts zu tun. Es geht ums Töten. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um Aufklärungs- oder Kampfdrohnen handelt.« Dem ist nichts hinzuzufügen – was die technische Seite der Angelegenheit angeht.

Herr Stiedl wird nun ein gutes Jahr später in der Welt am Sonntag mit dem Satz zitiert, das Bekenntnis Ursula von der Leyens zu einer von europäischen Rüstungskonzernen entwickelten und produzierten Drohne sei »ein kleiner Lichtblick für den Standort«. Er resümiert damit auf seine Weise den nach der Bundestagswahl verkündeten Schwenk in der deutschen Außenpolitik, die zukünftig vor allem Militärpolitik sein soll. Der deutsche Imperialismus erhebt energisch wie nie seit 1945 Anspruch auf die eigenständige Durchsetzung seiner Interessen mit Hilfe von Truppen. In Stiedl hat er einen Gefolgsmann, er ist ein Repräsentant der deutschen Kriegslobby.

2012 herrschte noch breitere Entrüstung, als Thomas de Maizière den Einsatz einer bewaffneten Drohne mit der Betätigung eines Pistolenabzugs oder dem Abfeuern eines Torpedos verglich, und salbungsvoll hinzufügte: »Ethisch ist eine Waffe stets als neutral zu betrachten.« Die Rechtfertigung Stiedls – Arbeitsplätze – hält dieses Waffensegnungsniveau nicht ganz, sondern steht mit seiner grob materiellen Argumentation etwas darunter, hat aber in der IG Metall Tradition. Aus ihr kam in der Vergangenheit regelmäßig neben dem Bekenntnis zum Frieden die Forderung, den deutschen Rüstungsexport zu steigern. Vom DGB-Workshop zur Friedens- und Sicherheitspolitik im November 2013 ging das Signal aus, daß die deutschen Gewerkschaften bereit sind, Militär als neuen Sozialpartner zu akzeptieren. Den ethisch-philosophischen Überbau lieferte auf der Veranstaltung der Politikwissenschaftler Herfried Münkler, der in der Vergangenheit schon mal für die »Herstellung von imperialer Ordnung zwecks Absicherung von Wohlstandszonen« eingetreten war. Stiedl dürfte kein Problem haben, dem zu folgen. Sein »Lichtblick« resultiert aus machtgestütztem blinden Tapern auf dem Weg in mehr Krieg.

** Aus junge Welt, Montag, 7. Juli 2014 (Kommentar)


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