Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Neue Begehrlichkeiten

Uneingeschränkte Überwachung droht zukünftig selbst im eigenen Fahrzeug. Linke-Bundestagsabgeordneter warnt vor neuen Technologien

Von Markus Bernhardt *

Der Schutz persönlicher Daten wird immer wichtiger. Während viele Menschen – nicht nur im Internet und den dort vorhandenen sogenannten sozialen Netzwerken wie etwa Facebook – leichtfertig mit ihren persönlichen Daten umgehen, schreitet die Überwachung der Bundesbürger durch staatliche Stellen und Privatfirmen immer weiter voran. Die Ausspähung über Smartphones und Computer ist schon seit Jahren so weit fortgeschritten, daß mit verhältnismäßig wenig technischem Aufwand Bewegungsprofile erstellt, Kurzmitteilungen und selbst mit den Geräten aufgenommene Fotos abgefangen werden können. Unternehmen sowie Polizei- und Geheimdienstbehörden sind nun zunehmend im Bereich der Fahrzeugüberwachung aktiv.

So bieten verschiedene Firmen mittlerweile Autokameras mit sogenannter GPS-Aufzeichnung zum Kauf an. »Sie sind viel mit dem Auto unterwegs? Dann kennen Sie das Problem mit Dränglern und Verkehrsrowdys auf der Autobahn – oder gefährliche Situationen durch unachtsame Verkehrsteilnehmer. Kommt es zu einem Unfall, haben Sie ein unbestechliches Beweismaterial zur Hand.« So etwa heißt es in einer Werbeanzeige, die sich in der Februar-Ausgabe der ADAC-Motorwelt findet. Die dort beworbene Kamera nimmt »automatisch alle Fahrten auf«, »mit Ton« und »bis zu 30 Bilder pro Sekunde«, wirbt die Anzeige weiter. Mit dem integrierten GPS-Modul würden zu den Videos »auch Bewegungsdaten wie Position und Geschwindigkeit aufgezeichnet«. Potentiellen Käufern soll so ein Rundum-Sicherheitsgefühl suggeriert werden.

Was genau jedoch mit den gesammelten Datensätzen passiert und für wen sie einsehbar und nützlich sind, bleibt für potentielle Käufer bisher weitestgehend im dunkeln. Bei dem zitierten Anbieter hingegen könne die jeweilige Fahrtstrecke bei »Google Maps« nachvollzogen werden, wodurch man beispielsweise wisse, wo der Firmenwagen unterwegs gewesen sei, heißt es.

Schon seit Beginn dieses Jahres werben Versicherungsunternehmen damit, Fahrzeughaltern eine sogenannte Blackbox in ihren PKW einzubauen, die die jeweilige Position des Wagens, die Fahrtdauer, Bremsvorgänge, Start und Ziel der Fahrt und sogar Überschreitungen des Tempolimits – versehen mit Datums- und Uhrzeitangabe – speichert. Mit der neuen Technik ausgestattete Fahrzeuge, die beispielsweise gestohlen wurden, könnten leicht wiederbeschafft werden, bei Unfällen würde außerdem automatisch ein Rettungswagen alarmiert (jW berichtete).

Kritik an den verhältnismäßig neuen Überwachungs- und Bespitzelungsmöglichkeiten übte Ende der letzten Woche Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter der Linksfraktion. Anläßlich der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage forderte der Abgeordnete, daß »Datenschutz und Bürgerrechte« auch »für vernetzte Fahrzeuge« gelten müßten. Schließlich führe »die zunehmende digitale Vernetzung von Fahrzeugtechnik zu neuen polizeilichen Begehrlichkeiten«. So hätte etwa die Bundespolizei bereits geprüft, wie serienmäßig in Fahrzeugen verbaute GPS-Empfänger und SIM-Module polizeilich genutzt werden könnten. »Mit ähnlicher Zielsetzung ist das staatliche Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt an der Entwicklung eines einheitlichen GPS-Tracking auf europäischer Ebene beteiligt«, welches polizeiliche Bespitzelungen EU-weit erleichtern solle, so Hunko weiter.

Deshalb brauche es »Regelungen zum Datenschutz und zur Verhinderung des polizeilichen Zugriffs auf Fahrzeuge und ihre Bewegungsdaten«, fordert der Bundestagsabgeordnete. Vorher sei jedoch »eine öffentliche Auseinandersetzung über die polizeiliche Nutzung der Daten unerläßlich«. »Ich appelliere daher an die Bundesregierung, die bisherigen Maßnahmen zu stoppen und sich auch auf EU-Ebene für ein Ende der Polizeiphantasien aus Entenhausen einzusetzen«, so der Linke-Politiker.

Hunko wies außerdem darauf hin, daß das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei gemeinsam mit dem Rüstungskonzern Diehl BGT Defence schon seit 2006 untersuchen, wie Hochfrequenztechnik gegen Kraftfahrzeuge eingesetzt werden könnte, diese also ferngesteuert manipuliert werden könnten. Auch das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt forsche gegenwärtig in einem EU-Projekt zur Miniaturisierung dieser Mikrowellenwaffen, um sie in Polizeifahrzeugen mitzuführen.

Ein anderes EU-Vorhaben befördert die polizeiliche Bewaffnung von Drohnen mit Netzen, Nagelbrettern oder Sprühgeräten, um Autos und Boote aus der Luft zu stoppen, so Hunko weiter, der sich durch die Vorhaben »an Szenarien aus Computerspielen« erinnert fühlt. Zur Information der Bevölkerung hat der Bundestagsabgeordnete die ihm vorliegenden Informationen auf seiner Internetseite veröffentlicht.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 11. März 2014

Antwort der Bundesregierung

auf die Anfrage des Abgeordneten Andrej Hunko [pdf]




Zurück zur Drohnen-Seite

Zur Drohnen-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage