Weitere Drohne droht abzustürzen
FDP, Grüne und SPD fordern Stopp deutscher Beteiligung an NATO-Projekt
Nach dem Scheitern des Drohnenprojekts Euro-Hawk fordern FDP, SPD und Grüne, ein ähnliches Drohnen-Programm der NATO vorerst auf Eis zu legen. Auf dieser Ebene dürfe kein weiteres Steuergeld investiert werden, solange die Zulassung im europäischen Luftraum ungeklärt sei, erklärte die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff am Montag. »Ansonsten droht eine weitere Fehlinvestition in Millionenhöhe.«
Der Militärpakt will bis 2017 ein Aufklärungssystem namens AGS (Alliance Ground Surveillance) aufbauen, das im Kern aus fünf gemeinschaftlich betriebenen Global-Hawk-Drohnen besteht. Deutschland plant, vier weitere Global-Hawks zu beschaffen und dem System beizustellen. Für die Beteiligung an dem NATO-System hatte der Haushaltsausschuß des Bundestags im Mai 2012 knapp 500 Millionen Euro freigegeben.
Unterdessen berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS), daß der Bundeswehr die Zulassungsprobleme von »Euro-Hawk« schon seit 2004 bekannt gewesen seien. Mehrfach hätten Flugsicherung, Industrie und Bundeswehrzulassungsstelle auf den fehlenden Kollisionsschutz hingewiesen, ohne den eine Zulassung nicht habe erfolgen können. Das Ministerium hatte dem Verteidigungsausschuß nach Medienberichten hingegen mitgeteilt, erst Ende 2011 sei deutlich geworden, daß eine Musterzulassung nur mit einer 500 bis 600 Millionen Euro teuren Nachrüstung zu erreichen sei. Zu den Berichten der FAS wollte sich das Ministerium nicht äußern.
Der Bundesrechnungshof will dem Haushaltsausschuß noch vor der Sommerpause einen Prüfbericht zum Euro-Hawk vorlegen. Das hänge jedoch davon ab, ob die Rechnungsprüfer doch noch die Dokumente zu dem Projekt einsehen könnten, sagte der Sprecher der Behörde, Martin Winter, am Montag. Bisher habe er dazu aber nichts Neues vom Verteidigungsministerium gehört, das die Papiere bisher nur geschwärzt herausgibt.
* junge Welt, Dienstag, 21. Mai 2013
De Maizières Bredouille
Skandal um »Euro-Hawk«-Projekt bringt Verteidigungsminister in Schwierigkeiten. 680 Millionen Euro verbrannt, Zukunft des Programms unklar **
Das Verteidigungsministerium hat nach der »Euro Hawk«-Pleite noch nicht über eine weitere Beteiligung an der Beschaffung von NATO-Drohnen entschieden. Die nach dem Stopp von »Euro Hawk« eingesetzte Arbeitsgruppe werde sich auch mit der Frage beschäftigen, was das für andere Drohnen-Projekte bedeute, sagte Ministeriumssprecher Stefan Paris am Dienstag zu dpa. Die Ergebnisse würden am 5. Juni von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) vor dem Verteidigungsausschuß präsentiert. Dabei werde es auch um die vier »Global Hawk«-Drohnen gehen, die im Rahmen eines Nato-Projekts erworben werden sollen.
Das spektakuläre Scheitern des »Euro Hawk«-Projekts hat den Verteidigungsminister erstmals in seiner Amtszeit in die Bredouille gebracht. Die Opposition wirft ihm vor, Defekte der Drohne lange verheimlicht zu haben.
Die Geschichte des »Euro Hawk« begann allerdings viele Jahre vor dem Einzug des CDU-Politikers in den Bendlerblock. Wie ein gigantischer Datenstaubsauger sollte der »Euro Hawk« für die Bundeswehr aus 20000 Metern Höhe den Funkverkehr belauschen. Geplant war, dazu für 1,2 Milliarden Euro fünf Global-Hawk-Drohnen des US-Konzerns Northrop Grumman umzubauen und mit Sensoren der EADS-Tochter Cassidian auszustatten. Die rot-grüne Bundesregierung schob das Projekt Anfang der 2000er Jahre an, den Vertrag schloß 2007 in der großen Koalition Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Vor einigen Tagen zog das Verteidigungsministerium die Reißleine und beendete das Vorhaben, weil eine Zulassung kaum mehr erreichbar schien. Nach Schätzungen der Opposition wurden bis dahin bis zu 680 Millionen Euro Steuergelder verbrannt.
Welches Problem am Ende zum Aus für das Drohnenprogramm führte, ist bisher unklar. Doch taten sich bei dem Prototypen, den die Bundeswehr seit 2011 erprobt, wohl gleich mehrere Schwachstellen auf. So hat die Drohne kein Kollisionswarnsystem, wie es bei Verkehrsflugzeugen Standard ist. Ein weiteres Manko war offenbar die sogenannte Black Box, also der Bereich der sensiblen technischen Daten, über den US-Rüstungskonzerne ausländischen Abnehmern häufig keine Auskunft geben und der damit bei der Zulassung auch nicht geprüft werden kann.
Die NATO will bis 2017 ein neues Aufklärungssystem aufbauen und stützt sich dabei ebenfalls auf US-Drohnen. Fünf gemeinschaftlich betriebene »Global Hawks« sollen mit ihrem Radar Bodenlagebilder erstellen und Truppenbewegungen verfolgen. Deutschland ist an dieser »Alliance Ground Surveillance« (AGS) mit 480 Millionen Euro beteiligt. Darüber hinaus will Deutschland vier weitere »Global Hawks« beschaffen und dem AGS beistellen. CDU, SPD, FDP und Grüne fordern inzwischen, das Programm auf Eis zu legen, bis die Zulassungsfrage geklärt ist. Die Linke fordert de Maizières Rücktritt.
** Aus: junge Welt, Mittwoch, 22. Mai 2013
De Maizière im Blindflug
Opposition fordert politische Konsequenzen im Drohnen-Skandal
Von Olaf Standke ***
Bundesverteidigungsminister
Thomas de Maizière (CDU) gerät
im Beschaffungsskandal um die
Aufklärungsdrohne »Euro Hawk«
immer stärker unter Druck. Die
Opposition verlangt detailliert
Aufklärung und fordert politische
Konsequenzen.
Thomas de Maizière will sich
Zeit lassen und den Verteidigungsausschuss
des Bundestages
erst auf der Sitzung am 5.
Juni über die Entscheidungsprozesse
bei der Bruchlandung
mit der weltweit größten Aufklärungsdrohne
»Euro Hawk«
informieren. Eine Arbeitsgruppe
wurde gebildet. Doch schon
das Pfingstwochenende zeigte:
Der politische Druck auf den
Verteidigungsminister nimmt
täglich zu. Medienberichten zufolge
sollen die Zulassungsprobleme
seit mindestens neun
Jahren bekannt gewesen sein. Schon lange vor dem Vertragsabschluss
mit dem US-Hersteller
Northrop Grumman hätten
Flugsicherung, Industrie und
die Bundeswehr-Zulassungsstelle
auf den fehlenden Kollisionsschutz
hingewiesen. Ohne
den aber ist keine Flugerlaubnis
im zivilen europäischen Luftraum
möglich.
Als der Bundesrechnungshof
im November 2011 Vertragsunterlagen
und Statusberichte
bei der Bundeswehr anforderte,
schwärzte das Verteidigungsministerium
unter Verweis auf
Geheimhaltungsklauseln entscheidende
Stellen. In einem
Brief an den Bundestag mahnten
die Prüfer damals, dass sie
so »das verfassungsrechtliche
Postulat« einer lückenlosen Finanzkontrolle
nicht gewährleisten
könnten. Doch bis heute
haben sie nicht alle angeforderten
Unterlagen. Der Rechnungshof
will noch vor der
Sommerpause dem Haushaltsausschuss
einen Bericht vorlegen
und dabei auch auf seine
»nicht zu akzeptierenden«
Schwierigkeiten hinweisen, wie
man am Montag erklärte.
Obwohl der zuständige Abteilungsleiter
für Rüstungsfragen
im Ministerium Ende April
in einer vertraulichen Sitzung
des parlamentarischen Verteidigungsausschusses
zugegeben
haben soll, dass man schon im
Sommer 2011 »fundamentale
Probleme« beim »Euro Hawk«
voraussah, habe sich de Maizière
persönlich Ende 2011 für
die Fortsetzung des Projekts
entschieden. Dabei war schon
die Überführung des 15 Tonnen
schweren Kolosses aus den USA
ein einziger Pannenflug. Erst als
wohl nicht mehr zu verschleiern
war, dass eine Musterzulassung
der Drohne nur mit erheblichem
finanziellen Mehraufwand von
500 bis 600 Millionen Euro
möglich ist, stoppte der Verteidigungsminister
die Beschaffung
von vier weiteren unbemannten
Drohnen. Bislang
wurden rund 580 Millionen Euro
investiert; dabei erhielt der
Rüstungskonzern EADS Cassidian
den Auftrag, den Prototyp
der Drohne für den hiesigen
Luftraum auszurüsten. Hinzu
kommen noch Millionenkosten
auf dem Luftwaffenstützpunkt
Jagel, wo der »Euro Hawk« stationiert
werden sollte.
Die Opposition verlangt nun
detailliert Aufklärung darüber,
warum das Rüstungsprojekt
nicht eher gestoppt wurde, und
hat dabei den Verteidigungsminister
im Visier. »Es drängt sich
der Verdacht der Vertuschung
auf höchster Ebene auf«, sagte
etwa der Grünen-Politiker Tobias
Lindner. Für den SPD-Verteidigungsexperten
Hans-Peter Bartels steht fest: »Die Gesamtverantwortung
liegt beim Minister. « Die LINKE hatte de
Maizière schon zuvor den
Rücktritt nahegelegt.
*** neues deutschland, Dienstag, 21. Mai 2013
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