Front gegen Monsterwaffen formiert sich
Internationale Kampagne soll neue Killer-Roboter verhindern helfen
Von Reiner Oschmann *
Robert Gibbs, bis vor zwei Jahren
Sprecher von US-Präsident Barack
Obama, enthüllte dieser Tage in einem
Interview, dass er bei seiner Ernennung
verpflichtet worden war, die
Existenz eines Programms zum Einsatz
von Drohnen im »Krieg gegen
den Terror« nicht zuzugeben.
»Als man mich zum Sprecher ernannte,
wurde mir gesagt, dass ich
nicht einmal den Fakt des Bestehens
des Programms zum Einsatz
von Drohnen zugeben und nicht
sagen darf, dass ein solches Programm
existiert«, teilte Gibbs in
einem Interview für den Fernsehsender
MSNBC mit.
Inzwischen ist der Drohneneinsatz
nicht nur zugegeben, die unbemannten Flugobjekte sind
sogar zu einer der Hauptwaffen im
»Krieg gegen den Terror« erhoben
worden. Und während die Öffentlichkeit
ihren Einsatz wegen der zahlreichen zivilen Opfer immer
heftiger kritisiert, arbeiten Wissenschaftler
an mehreren Orten bereits an der Nachfolgegeneration
– an sogenannten autonomen
Waffen (»autonomous weapons«).
Gegen diese Killer-Roboter, für
die es wie im Falle der Drohnen
bisher keine eindeutigen völkerrechtlichen
Beschränkungen gibt, formiert sich nun eine globale
Kampagne. Sie soll im April in
London im Unterhaus des Parlaments
gegründet werden und zur
völkerrechtlichen Ächtung dieser
neuesten Generation von Monsterwaffen
beitragen.
Wissenschaftler, Friedensnobelpreisträger
und Aktivisten der Friedensbewegung gehören nach
Angaben des britischen »Guardian« zu den Initiatoren der Kampagne
unter dem Namen »Stop the Killer Robots«. Die Kriegführung
per Roboter und eigenständig handelnder Waffensysteme werde
von Wissenschaftlern forciert. Entsprechende Waffen könnten
»binnen eines Jahrzehnts Produktionsreife
erlangen«, sagte Dr. Noel Sharkey von der Sheffield
University, Experte für Roboter und künstliche Intelligenz, der
Zeitung. Solche Waffen hätten nichts mit Science-Fiction zu tun.
An ihrer Entwicklung werde »intensiv gearbeitet«.
Die Forschungsabteilung des Pentagons etwa arbeite am unbemannten
X47B-Flugzeug mit bisher
ungekannter Beweglichkeit.
Sharkey erinnerte daran, dass in
den USA, wo derzeit 1300 Drohnenpiloten
im Einsatz sein sollen,
»schon jetzt mehr Drohnenpiloten
ausgebildet werden als für klassische
Kampfflugzeuge«. Ständig
würden »junge Menschen mit außergewöhnlichen
Fertigkeiten bei
Computerspielen gesucht«.
Sharkey sieht sich nicht als Pazifist,
ist aber wie andere besorgt
darüber, dass die Entwicklung
dieser neuen Systeme faktisch
rechtsfrei und ohne Rücksicht auf
moralische und völkerrechtliche
Konsequenzen erfolgt. Die Waffentechnologie
entwickle sich viel
schneller als die Prinzipien, die der
Genfer Konvention und den Völkerrechtsbestimmungen
zugrunde liegen. »Viele Fachleute sind ganz
aufgeregt über die neue Waffentechnologie,
in den USA, bei BAE
Systems (in Großbritannien), in
China, Israel und Russland.« Es
entstehe eine neue »Multimilliarden-
Dollar-Industrie«, obwohl es
keinerlei Transparenz und keinen
rechtlichen Rahmen dafür gibt.
»Das Völkerrecht regelt Kapitulationsbestimmungen,
Rechte von Kriegsgefangenen oder Kollateralschäden
für Zivilisten. Doch
wenn ein Roboter Krieg führt, wer
ist dann rechenschaftspflichtig?
Ganz sicher nicht der Roboter«,
sagt Prof. Sharkey.
»Stop the Killer Robots« soll
weit über Britannien hinaus Aktivisten
und Gruppen einbeziehen,
die bereits erfolgreich für internationale
Maßnahmen gegen Streubomben
und Landminen eingetreten
sind. Die Akteure zielen auf
ein ähnliches Abkommen zur Ächtung
von Roboterwaffen. Auch die
US-Friedensaktivistin Jody Williams
hat ihre Teilnahme an der
Kampagne in Aussicht gestellt. Für
ihren Einsatz zum Verbot von
Landminen erhielt sie 1997 den
Friedensnobelpreis. Williams, die
Vorsitzende der Nobel Women’s
Initiative ist, erklärte, die sechs
Nobelpreisträgerinnen in der Initiative
unterstützten die Forderung
nach einem vollständigen
Verbot bewaffneter Roboter. »Ich
weiß, wir können für die Killer-
Roboter das Gleiche schaffen wie
bei der internationalen Ächtung
von Anti-Personen-Landminen.
Wir können sie stoppen, ehe sie
aufs Schlachtfeld gelangen.«
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. Februar 2013
The Scientists’ Call
... To Ban Autonomous Lethal Robots
As Computer Scientists, Engineers, Artificial Intelligence experts, Roboticists and professionals from related disciplines, we call for a ban on the development and deployment of weapon systems in which the decision to apply violent force is made autonomously.
We are concerned about the potential of robots to undermine human responsibility in decisions to use force, and to obscure accountability for the consequences. There is already a strong international consensus that not all weapons are acceptable, as illustrated by wide adherence to the prohibitions on biological and chemical weapons as well as anti-personnel land mines. We hold that fully autonomous robots that can trigger or direct weapons fire without a human effectively in the decision loop are similarly unacceptable.
Demands within the military for increasingly rapid response times and resilience against communications failures, combined with ongoing investments in automated systems, indicate a trend towards fully autonomous robotic weapons. However, in the absence of clear scientific evidence that robot weapons have, or are likely to have in the foreseeable future, the functionality required for accurate target identification, situational awareness or decisions regarding the proportional use of force, we question whether they could meet the strict legal requirements for the use of force. This is especially true under conditions in which battlefields are not clearly delimited and discrimination between civilians, insurgents and combatants is increasingly difficult.
Moreover, the proliferation of autonomous robot weapons raises the question of how devices controlled by complex algorithms will interact. Such interactions could create unstable and unpredictable behavior, behavior that could initiate or escalate conflicts, or cause unjustifiable harm to civilian populations.
Given the limitations and unknown future risks of autonomous robot weapons technology, we call for a prohibition on their development and deployment. Decisions about the application of violent force must not be delegated to machines.
* Quelle: http://icrac.net/
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