EADS sahnt bei jeder Drohne ab
Untersuchungsausschuss befragte Industriechefs *
Das US-Luftfahrt- und Rüstungsunternehmen Northrop Grumman forderte das Verteidigungsministerium erneut zu mehr Zusammenarbeit auf, um das Drohnenprojekt »Euro Hawk« zu retten. Der Konzern stehe »weiter voll hinter dem Programm«, sagte Vizepräsident Janis Pamiljans am gestrigen Montag vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags. Zugleich widersprach er der Schätzung des Ministeriums, dass eine Zulassung der Aufklärungsdrohne im deutschen Luftraum bis zu 600 Millionen Euro zusätzlich kosten würde. Northrop Grumman gehe von einer Summe zwischen 160 und 193 Millionen Euro aus. Eine Garantie dafür wollte Pamiljans jedoch nicht abgeben.
Das Verteidigungsministerium hatte die geplante Beschaffung von vier Serienmaschinen Anfang Mai wegen der geschätzten Mehrkosten für die Zulassung gestoppt, nachdem bereits 668 Millionen Euro verpulvert waren.
Northrop Grumman ist mit der EADS-Tochter Cassidian in der Euro Hawk GmbH zu gleichen Teilen verbunden. Der US-Konzern baut den Flugroboter, EADS integriert Aufklärungstechnik. Möglicherweise sind für den Ausstieg nicht nur Kostengründe ausschlaggebend. Selbst EADS-Cassidian ist nach Aussage von Firmenchef Bernhard Gewert erst Mitte 2012 klar geworden, dass die US-Verschlüsselungssoftware, die zur Steuerung wie zur Übertragung der Aufklärungsergebnisse genutzt wird, auf Dauer fremdes »Mitlesen« ermöglicht. Das Programm hat der US-Nachrichtendienst NSA, der wegen seiner globalen Schnüffelei unter Kritik steht, geliefert.
Bei der gestrigen Fragerunde kam der Verdacht auf, dass EADS zweigleisig fährt. Schon bevor das Euro-Hawk-Projekt offiziell gekippt wurde, präsentierte man eine Plattform für die eigene Aufklärungstechnik. Die Drohne FEMALE wird nun in dem vertraulichen Bericht des Beschaffungsamtes der Bundeswehr als Alternative angepriesen.
Am Mittwoch ist Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) als Zeuge geladen.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 30. Juli 2013
Der Konzern und der "Flegel"
Warum Europas Rüstungsgigant EADS clever ist und ein Linkspartei-Abgeordneter von der Union geehrt wird
Von René Heilig **
Am Montag war »Tag der Industrie« beim Euro-Hawk-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Als erster Zeuge geladen: Bernhard Gewert, Chief Executive Officer von Cassidian – kurzum, der Boss der EADS-Tochter.
Seit die Bundeswehr dem deutschen Drang in die Welt gefolgt ist, weiß sie: Um stets im Vorteil zu sein, helfen nicht nur Gefechtsfeldaufklärung und Satelliten. Man braucht ein eigenständiges fliegendes Spionagesystem, das lange über interessanten Territorien kreisen und mannigfache elektronische Informationen sammeln kann. Der größte europäische Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS versprach die Entwicklung – doch damals, Anfang der 2000er Jahre fehlte der geeignete Träger. Die Lobbyarbeit ging los. Man gründete die Euro Hawk GmbH, übernahm 50 Prozent, die andere Hälfte kam vom US-Flugzeughersteller Northrop Grumman. Der produziert bereits den Global-Hawk-Flugroboter, in die die EADS-High-Tech-Spionage-Technik namens ISIS eingebaut werden konnte. 2007 schloss die Bundesregierung mit der Euro Hawk GmbH einen Vertrag über die Entwicklung eines Demonstrators. Verlaufe die Erprobung des Prototyps positiv, so lautete der Köder für die US-Partner, könnte man weitere vier Himmelsspione bestellen.
Bereits zum Vertragsabschluss sei für die Euro-Hawk-GmbH aber klar gewesen, dass der Vogel nie eine Zulassung zur Teilnahme am allgemeinen Luftverkehr erhalten würde. Frage an Cassidian-Chef Bernhard Gewert, der mit Rechtsbeistand gekommen war: Hat das Verteidigungsministerium die Musterzulassung für den allgemeinen Luftverkehr nicht zur Bedingung gemacht? Antwort: »Diesen Vertrag hätte die Industrie nie unterschrieben«.
Das ist umstritten. Aber was wirklich im geheimen Vertrag steht, ist ohnehin nicht so wichtig. Man hat ihn mehrmals nicht nur preislich angepasst. Unversehens wurde so in der Zulassungsfrage aus dem »Muss« ein zartes »Sollte«. Einerlei, EADS hatte seine Plattform, kann seine Geräte samt Software per vorläufiger Zulassung und trotz der ministeriellen Reißleine bis in den September hinein testen und zertifizieren lassen.
Gewert bestätigte, dass er Ende 2012 ein Vier-Augen-Gespräch mit Minister Thomas de Maizière (CDU) gehabt habe. Dabei sei es in der Tat auch um Zulassungsmodalitäten gegangen. Doch nicht um die des »Euro Hawk«, bei dessen Erprobungen man »ganz, ganz viel gelernt« hat.
Mehr wollte die EADS offenbar auch nicht. Deshalb unterhielt man sich mit dem Minister über die Zulassung künftiger Flugmaschinen. »Zufällig« hatte EADS da etwas auf eigene Kosten entwickelt. »Talarion« heißt der Vogel, aus dem kann noch was werden. Denn es sei kein Problem, die ISIS-Technologie in dessen Nachfolger einzubauen. Man weiß ja jetzt – dank Euro-Hawk-Demonstrator – wie es geht.
Sicher, der EADS-Drohnentyp, weiterentwickelt zum »Future European MALE« (FEMALE), fliegt tiefer, folglich wird man die ISIS-Fähigkeiten nicht ausreizen. Doch ehe die Bundeswehr ihre »Fähigkeitslücke« länger als unbedingt notwendig erduldet, nimmt sie, was verfügbar ist. So das Kalkül.
Wann ist ISIS an Bord der EADS-Drohne einsatzbereit? Man sei dabei, neue Mitstreiter für dieses europäische Drohnenmodell zu akquirieren, erzählte der EADS-Manager. Und auch, dass es mit dem keine Zulassungsschwierigkeiten geben werde, weil man die Anforderungen bei der Entwicklung von Anfang an mitdachte.
Dennoch wird es wohl noch sieben Jahre dauern, bis Bundeswehr, BND und andere luftgestützt tief hinein in fremde Länder spionieren können. Damit ISIS auch dann noch auf neuestem Stand ist, hat man in Gewerts Konzern schon einen Vorschlag parat. Soll doch der Euro-Hawk-Demonstrator weiter fliegen. Nicht in Deutschland, sondern irgendwo im harten Einsatz. Wie erkennt man Schwachstellen besser, kann sie schneller beheben und das System weiterentwickeln?
Hut ab, clever! Erst zieht man bei Regierung und Parlament den ISIS-Auftrag an Land. Dann lässt man sich vom Steuerzahler die US-Drohne als Erprobungsträger bezahlen. Alles ohne Risiko. Als die Euro-Hawk-Zulassung plangemäß scheitert, bietet man sogleich die Alternative an und hält erneut die Hand auf, während man die Systemführerschaft in EU-Europa anstrebt. Derweil stellt die Bundeswehr die Erprobungsmannschaft, schon, weil sie so eine Aufklärungsdrohne dringend braucht beim Rückzug aus Afghanistan.
Um die Umrisse einer solchen Geschichte zeichnen zu können, muss man sich erstens kundig machen und zweitens direkt fragen, ohne sich mit Antwortstanzen zu begnügen. Die drei Männer von Linksfraktion taten das gestern. Resultat? Jan van Aken wurde von der CDU-Abgeordneten Karin Strenz als »Flegel« bezeichnet. Mehr Auszeichnung ist von der EADS-Schmusetruppe der Union wohl kaum zu bekommen.
** Aus: neues deutschland, Dienstag, 30. Juli 2013
Zu wichtig für Wahlkampf
Von René Heilig ***
Der »Euro Hawk« ist tot, es lebe ... Ja, welches Projekt erklimmt denn jetzt, nachdem der Gemeinschaftsvogel von Northrop-Grumman und EADS flügellahm am Boden liegt, die militär-bürokratischen Zulassungshöhen? Für welches High-Tech-Projekt ohne finanzielle Bodenhaftung müssen wir Steuerbürger demnächst Unsummen blechen?
Die Auswahl fällt schwer. Schließlich gibt es das Handwerkszeug künftiger staatlicher Totschläger in jeder Art und Größe. Elf Angebote für strategische Aufklärer habe man sich angeschaut, heißt es in einem höchst vertraulichen Bericht des Bundeswehr-Beschaffungsamtes. Drei kämen in die engere Wahl. Die israelische Heron? Die ist aber – siehe Leasing-Gerät in Afghanistan – eher im taktischen Bereich einsetzbar. Ein Airbus A319? Der ist bemannt und daher kaum zukunftsberechtigt. Bleibt die Nummer 3. Das ist ein Roboter, der sich »Future European MALE« (FEMALE) nennt. Wer sich das Projekt (auch von EADS) anschaut, betrachtet einen alten Bekannten. Vor gut zehn Jahren hieß er »Talarion« und war noch nicht flügge genug, um es mit dem Global-Habicht, aus dem ein Euro-Falke hätte werden können, aufzunehmen.
Nun jedoch scheint die Zeit reif, um FEMALE flattern und neue Milliarden fließen zu lassen. Das zeigt, wie stabil Lobbybeziehungen sein können. Solche mafiösen Klüngel zerschlägt man nicht dadurch, dass man – wie es vor allem die SPD versuchte – mal rasch einen Wahlkampf-Untersuchungsausschuss etabliert.
*** Aus: neues deutschland, Dienstag, 30. Juli 2013 (Kommentar)
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