Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Apple zeigt Drohnen-App rote Karte

Friedensforscher: Politische Grundsatzdiskussion ausständig

Von Johannes Pernsteiner *

Eine Smartphone-App, die Einblick in Angriffe unbemannter Flugzeuge der CIA gibt, löst bei Apple Abwehrreaktionen aus. Die gelieferten Infos sind anrüchig, geschmacklos und zu wenig nützlich oder unterhaltsam, argumentiert der Konzern die Zurückweisung des Programms im AppStore. Dabei wollte der 27-jährige Entwickler vor allem Aufklärung und Bewusstsein schaffen für den Einsatz von Drohnen und des Leides, das sie bewirken. Friedensforscher fordern indes eine politische Grundsatzdiskussion über den Einsatz dieser Kriegstechnik.

Drohnenverfolgung per Handy

Ins Rollen kam die Angelegenheit durch eine iPhone-App des Guardian, die Daten des Londoner Büros für investigativen Journalismus [http://thebureauinvestigates.com; siehe unten im Kasten] aufbereitet - unter anderem zu Drohnenangriffen. Josh Begley, Student der New York University, kreierte auf Basis derselben Quelle eine eigene App, die sich nur auf Drohnen spezialisiert und deren Angriffe auf einer interaktiven Weltkarte verortet. "Drones+", so der Name des Programms (Video unter http://vimeo.com/47976409), informiert zudem über Datum und Uhrzeit des Angriffs, seine Zielgruppe sowie dessen Folgen wie etwa die Anzahl der getöteten mutmaßlichen Terroristen oder Zivilisten.

Anders als zuvor bei der App der britischen Tageszeitung, beäugte Apple das studentische App-Pendant weitaus kritischer. Mehrfach wurde das Programm zurückgewiesen, berichtet Begley gegenüber dem Guardian, begründet unter anderem dadurch, dass das Thema "nur für eine kleine Gruppe interessant" oder "nicht mit den AppStore-Richtlinien" vereinbar sei. Den Vorwurf, nicht nützlich oder unterhaltend genug zu sein, entgegnete Begley durch die Integration neuer Features wie etwa die Möglichkeit, Drohnen-Warnungen zu empfangen - jedoch vergebens. Nun programmiert der Student seine App für Android.

Deutschland will Drohnen

Große Informationslücken zu Drohnenangriffen gibt es in Deutschland nicht, sagt Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschuss Friedensratschlag [www.ag-friedensforschung.de], im pressetext-Interview. "Alle paar Tage berichten die Zeitungen, wenn in Jemen oder Pakistan Drohnen zuschlagen oder wie viele Tote es gab", so der Experte. Das Londoner Büro für investigativen Journalismus verzeichnet für das vergangene Jahr 75 Drohnenattacken mit insgesamt 655 Todesopfern.

Sehr realistisch sei es, dass bald auch deutsche Drohnen in diesen Meldungen auftauchen: Laut Strutynski wird im deutschen Verteidigungsministerium vor allem diskutiert, ob man bewaffnete Drohnen anschaffen oder produzieren will, wobei die Bundeswehr weder ethisch noch völkerrechtlich Bedenken sieht. "Die Grundsatzentscheidung, ob Drohnen überhaupt sinnvoll und nötig sind, wird jedoch von der Politik völlig ausgeklammert."

Kein "sauberer" Krieg

Die Position des Kasseler Friedensforschers ist klar: Es braucht eine Ächtung bewaffneter Drohnen. "Diese Kriegstaktik sieht so erfolgsträchtig und einfach aus, da der Absender in weiter Ferne bleibt und es kaum eigene Opfer gibt. Zumal wird ähnlich wie bei Flugangriffen behauptet, dass die Angriffe derart präzise werden, dass sie zwischen Terrorist und Zivilist unterscheiden können. Das stimmt jedoch nicht, vor allem weil sich Angriffsziele oft in einer Menschenmenge befinden, weshalb Kolateralschäden zu- statt abgenommen haben. Es gibt keinen sauberen Krieg - auch keinen sauberen Drohnenkrieg."

* http://www.pressetext.com, 1. September 2012

Auszüge aus dem Artikel des Londoner Büros für investigativen Journalismus (The Bureau of Investigative Journalism)

(...) Drones+, the creation of NYU student Josh Begley, was meant to be a simple way of notifying users whenever US drones struck somewhere in the world.

(...)

In correspondence seen by the Bureau, the US tech giant told Begley that apps that ‘present excessively objectionable or crude content will be rejected.’

The company added: ‘We found that your app contains content that many audiences would find objectionable.’

Apple’s decision did not come as a surprise to Begley. ‘I think their position is often just they don’t want to let anything through that could be seen by anyone at any particular table that could be seen as controversial,’ he said.

But how its content could have been objectionable or crude for a user is difficult to fathom.

(...) Following their latest rejection Begley is abandoning the Apple app idea. He is thinking about producing a version for the rival Android system instead.

But iphone users were of specific interest to Begley. Having schooled himself on the extent of the US drone programme, he says he wanted to push the drone debate ‘into corners where it hasn’t been discussed.’(...)

Originaltitel des Artikels: "Apple rejects app built from the Bureau’s data"; vollständig nachzulesen hier [externer Link].

Oabams Drohnen auf Pakistan

Und hier geht es zu einer Website des Büros für investigativen Journalismus, auf der alle Drohnenangriffe der USA im Jahr 2012 auf Ziele in Pakistan aufgelistet werden:Obama 2012 Pakistan strikes



Deutscher Sensenmann

Bundeswehr will bewaffnete Drohnen

Von Rüdiger Göbel **


Auf Befehl von Friedensnobelpreisträger Barack Obama sind an diesem Mittwoch im Südosten des Jemen fünf Menschen getötet worden. »Mutmaßliche Al-Qaida-Kämpfer«, heißt es in den hiesigen Presseberichten. Im Nordwesten Pakistans waren am vergangenen Freitag mindestens 15 Menschen per US-Drohnenangriff ermordet worden – »mutmaßliche Aufständische«. Am 19. August starben mindestens zwölf Menschen bei drei Attacken mit ferngesteuerten Killermaschinen – »mutmaßliche Kämpfer«. Die Liste läßt sich lange fortsetzen, in keinem einzigen Fall hat das US-Militär zugegeben, Zivilisten ermordet zu haben. Die »mutmaßlichen Terroristen« werden weder angeklagt, noch wird ihnen ein Prozeß gemacht. Allenfalls ein kurzer, das Todesurteil steht von vornherein fest.

Drohnen sind in den letzten Jahren zu einer bevorzugten Waffe der Militärs geworden. Ende Mai hatte die New York Times gemeldet, daß allein in Pakistan seit 2004 über 300 Angriffe mit unbemannten Flugobjekten geflogen wurden. Das gemeinnützige Londoner »Bureau of Investigative Journalism« geht von bisher bis zu 3250 Drohnenopfern aus – darunter 175 Kinder. Das Long War Journal schätzt, allein in Obamas Amtszeit sind in Pakistan und im Jemen 2000 Menschen durch Drohnen getötet wurden.

Was CIA und U.S. Air Force haben, will jetzt auch die Bundeswehr. Die deutsche Luftwaffe drängt auf eine Entscheidung über die Anschaffung bewaffneter Drohnen. Geht es nach den Militärs, soll der Bundestag noch in diesem Herbst eine entsprechende Entscheidung treffen. Dies sei nötig, damit im Oktober 2014 ein Ersatz für die bisherige Leasinglösung mit Israel bereitstehe. Im Armeesprech von Luftwaffeninspekteur Karl Müller heißt das: »Ich erwarte, daß wir im Oktober 2014 bruchfrei eine vergleichbare Fähigkeit haben.«

Im Afghanistan-Krieg setzt die Bundeswehr derzeit unbewaffnete Aufklärungsdrohnen ein. Im Oktober 2014 läuft ein Leasingvertrag für die israelische Drohne »Heron 1« aus. Für die Bundeswehr die Gelegenheit, danach Drohnen anzuschaffen, die mit Luft-Boden-Raketen oder Präzisionsbomben bewaffnet werden können. Favorisiert werden offensichtlich die »marktverfügbaren« Drohnen vom Typ »Predator B« – besser bekannt unter ihrem ehrlichen Namen »Reaper«, »Sensenmann«.

In den USA werden die Todeslisten vom Präsidenten persönlich genehmigt. Die Agentur dapd merkt zur bundesdeutschen Debatte an: »Natürlich ist es schwer vorstellbar, daß so etwas in Deutschland geschieht, falls die Bundeswehr bewaffnete Drohnen erhält. Weder würden Kanzlerin Angela Merkel wohl Todeslisten vorgelegt, noch würden deutsche Soldaten in irgend­einem Befehlsbunker – vielleicht in der Eifel – Drohnen steuern und mit Raketen auf Terrorverdächtige feuern.« Warum ist das eigentlich so schwer vorstellbar? Bis vor wenigen Tagen war auch schwer vorstellbar, daß für die Bundesregierung jeder Muslim in der BRD ein potentieller Schläfer ist, nach dem per Plakatanschlag gefahndet wird.

** Aus: junge Welt, Samstag, 31. August 2012


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