Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Wann kommt die Bio-Drohne?

Vorläufig plant Amazon Expresslieferungen per Flugroboter *

Die Idee, etwas von A nach B durch die Luft zu transportieren, ist nicht neu. In der Variante, die der Online-Händler Amazon plant, wäre sie vorerst revolutionär: Per Mini-Drohnen sollen Bestellungen zugestellt werden. Konzerngründer Jeff Bezos erklärte in einem Fernsehinterview, der Konzern arbeite an eigenen Fluggeräten. Diese »Octocopter« sollen die Ware binnen 30 Minuten zum Käufer bringen. Zunächst seien Tests und Zulassungen der US-Luftfahrtbehörde FAA nötig. In vier bis fünf Jahren könnte es soweit sein.

Die Dienstleistung dürfte für kleine, eilige Bestellungen auf kurze Entfernung vorbehalten bleiben. Die achtmotorigen Drohnen könnten Waren von bis zu 2,5 Kilogramm transportieren und pro Lieferung etwa 16 Kilometer zurücklegen, sagte Bezos. Ihre Abnehmer sollen sie anhand der Koordinaten finden, die bei der Bestellung angegeben wurden. Wie genau die Drohnen sich orientieren, um etwa Hindernissen auszuweichen, blieb offen.

Die Reaktionen im Internet auf die Ankündigungen kamen prompt: »Weiß man eigentlich etwas über die Arbeitsbedingungen für Drohnen bei Amazon?«, lautete etwa eine Frage beim Kurznachrichtendienst Twitter, die den Bogen schlägt von der schön ausgemalten Zukunft zur Realität bei Amazon: Die Arbeitsbedingungen sind ebenso mies wie das Verhältnis zu Gewerkschaften. In Deutschland weigert sich der Versandhändler, Mitarbeiter nach dem Tarifvertrag für den Einzelhandel zu bezahlen. Daher gibt es so Monaten immer wieder Warnstreiks. Um sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen, suchen Gewerkschafter aus Sachsen, Tschechien und Polen jetzt den Schulterschluss. Gegenüber solch aufmüpfigen Beschäftigten hat die Drohen einen unschätzbare Vorteil: Sie streikt nicht – oder nur dann, wenn ihr Akku leer ist.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 3. Dezember 2013


Amazon fliegt auf Drohnen

Versandhändler arbeitet an neuartigem Zustelldienst

Von John Dyer, Boston **


Luftpost soll bei Amazon eine völlig neue Bedeutung bekommen. Denn der weltgrößte Versandhändler will Waren künftig mit unbemannten Drohnen ausliefern. Das enthüllte Unternehmenschef Jeff Bezos am Sonntag im US-Fernsehen. Die insektenähnlichen Flugkörper sollen entsprechend ihren acht Propellern »Octocopter« heißen, so Bezos in der viel beachteten Talkshow »60 Minutes«.

Die fliegenden Zusteller sollen einen Aktionsradius von 16 Kilometern haben und Päckchen mit bis zu 2,3 Kilogramm Gewicht transportieren. 86 Prozent aller über das Internet bestellten Sendungen fallen in diese Kategorie. »Ich weiß, das hört sich nach Science Fiction an, ist es aber nicht«, versicherte Bezos. »Es wird funktionieren, es wird kommen und es wird Spaß machen.«

Auf seiner Internetseite zeigt Amazon ein 80-Sekunden-Video über den Zustelldienst namens »Prime Air«. Darin klickt jemand auf seinem Tablet-Computer einen speziellen Link an. Im Warenlager packt ein Arbeiter das Bestellte in eine gelbe Verschlussbox. Der »Octocopter« hebt ab und fliegt über Vororte bis zum Haus des Bestellers, wo die gelbe Kiste abgesetzt wird. Vater und Kind kommen aus der Haustür und das Kind nimmt die Box auf.

Die Ankündigung ist der jüngste Schlag von Amazon im kalten Krieg mit der Supermarktkette Walmart und anderen großen Handelsgruppen in den USA. Amazon hat vor Kurzem »Prime« eingeführt, einen Blitz-Lieferdienst, den man für 79 Dollar (58 Euro) pro Jahr abonnieren kann. Teil des Programms ist die Zustellung an Sonntagen, was Amazon erst vor Kurzem mit dem US-Postdienst vereinbart hat.

Bezos ist offensichtlich persönlich an moderner Flugtechnik interessiert. So hat er in die private Raumfahrtfirma Blue Origin investiert. Im Interview verwies er darauf, dass das Projekt noch von der US-Luftaufsichtsbehörde FAA genehmigt werden muss. Das könnte bis zu fünf Jahren dauern. »Technisch könnten wir den Dienst beginnen, sobald die Genehmigungen vorliegen«, heißt es auf der Webseite von Amazon. »Eines Tages werden die Prime-Air-Flieger so normal sein wie heute der Anblick eines Postautos.«

Drohnen für nicht-militärische Zwecke gibt es seit Längerem. In den USA sind bisher 1400 Genehmigungen für den Einsatz an Polizei und Regierungsbehörden erteilt worden. Sie werden bei der Verbrecherjagd ebenso benutzt wie bei der Grenzüberwachung, der Erntebeobachtung oder der Vermessung von Erosionsschäden. Allerdings wird nicht erwartet, dass die FAA zivilen und kommerziellen Drohnen vor 2015 eine Starterlaubnis geben wird. In Europa rechnet man 2016 damit. In Australien wird derzeit ein Bücherlieferdienst per Drohnen eingerichtet. Etwa 41 Millionen Dollar sind nach Erhebungen des Nachrichtendienstes Bloomberg in diesem Jahr an Risikokapital für die Entwicklung ziviler Drohnen investiert worden, doppelt so viel wie 2012.

Der Amazon-Dienst ist noch in der Planung, aber es gibt schon Kritik: Die Privatsphäre könnte durch die schwirrenden Postboten gestört werden. Dennoch rechnet man bei der FAA mit 30 000 zivilen Drohnen bis 2020. Parlamentarier aus 25 Bundesstaaten machen sich dafür stark, die Verwendung gesetzlich zu regeln. Einige wollen den Einsatz deutlich begrenzen. Missbrauch, etwa durch Kriminelle, soll per polizeilichem Drohnenführerschein verhindert werden. Derweil arbeiten Techniker und Wissenschaftler daran, die neuen Flieger möglichst absturzsicher zu machen.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 3. Dezember 2013


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