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"Ich plädiere für ein generelles Verbot"

Die Bundesregierung macht falsche Angaben zur Rüstungskontrolle bei Drohnen. Ein Gespräch mit Jürgen Altmann


Jürgen Altmann forscht am Lehrstuhl für Experimentelle Physik an der TU Dortmund. Mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Friedensforschung bearbeitete er zwischen 2009 und 2010 das Projekt »Unbemannte bewaffnete Systeme – Trends, Gefahren und präventive Rüstungskontrolle«. Er ist Mitbegründer des International Committee for Robot Arms Control (ICRAC) und stellvertretender Vorsitzender des Forschungsverbundes Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit (FONAS).

In einer Stellungnahme von Anfang Februar haben Sie der Bundesregierung vorgeworfen, die bestehende Rüstungskontrolle für Drohnen nicht zutreffend darzustellen. Was ist falsch?

Die Bundesregierung behauptete, daß für Drohnen keine Kontroll-Vereinbarungen gelten. Dabei werden sie sowohl vom Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE), dem Wiener Dokument der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als auch vom Waffenregister der Vereinten Nationen erfaßt. Auch wenn es keine eigenen Kategorien für unbemannte Systeme gibt, müssen sie angezeigt werden und unterliegen somit Inspektionen.

Wie beurteilen Sie die Informationspolitik des Verteidigungsministeriums in Bezug auf bewaffnete Drohnen?

Das Thema wurde lange heruntergespielt, über laufende Projekte wurde nicht angemessen berichtet. Erst seit September geht das Ministerium in die Offensive, weil im Sommer entschieden werden soll, ob auch die Bundeswehr bewaffnete Drohnen bekommt. Es ist gut, daß die Diskussion jetzt geführt wird, auch wenn sie zu spät begonnen hat.

Sie erforschen schon seit Jahren unbemannte Waffensysteme. Mit welchem Ergebnis?

Bewaffnete Drohnen können schlimme Auswirkungen auf den internationalen Frieden und die Sicherheit in Gesellschaften haben. So besteht die Gefahr, daß von ferngesteuerten auf autonome Schießsysteme umgestellt wird. Damit wäre die Einhaltung des Kriegsvölkerrechts nicht mehr gewährleistet. Außerdem können unkontrollierte Wechselwirkungen zwischen zwei Flotten von Kampfdrohnen in einer Krise einen Krieg auslösen. Wenn Staaten mit viel Geld kleine ausgefeilte Kampfsysteme entwickeln, können sie später auch von nicht-staatlichen Gruppen genutzt werden, etwa von Terroristen.

Wie argumentieren die Befürworter bewaffneter Drohnen?

Sie wollen die nächste Runde der Bewaffnung nicht verpassen – militärisch und wirtschaftlich. Natürlich spielen Verkaufs- und Exportinteressen eine Rolle. Daneben zielen die Argumente vor allem auf die Vorteile für die eigenen Soldaten ab. Das ist allerdings eine kurzsichtige Sichtweise, wenn man die erwähnten Folgen bedenkt. Trotzdem hat das globale Wettrüsten bereits begonnen. Und wenn das Verteidigungsministerium bekommt, was es will, wird Deutschland ein aktiver Teilnehmer.

Spielen die Einwände der Kritiker überhaupt eine Rolle?

Es hält sich in Grenzen. So sieht der Verteidigungsminister zum Beispiel keinen Unterschied zwischen bemannten und unbemannten Systemen. Allerdings sollen für die Bundeswehr gezielte Tötungen außerhalb von Kriegsgebieten, wie sie die USA in Pakistan durchführen, ausgeschlossen werden. Daß auch mögliche Gegner irgendwann bewaffnete Drohnen haben könnten, wird bisher nicht beachtet.

Gehen Sie davon aus, daß die Bundeswehr bewaffnete Drohnen bekommt?

Das ist offen, es muß in der politischen Diskussion beantwortet werden. Ich plädiere für ein generelles Verbot. Da es aber schon einige Länder gibt, die bewaffnete Drohnen einsetzen, sieht es nicht nach einer freiwilligen Begrenzung aus. Wenn also die Einführung weltweit nicht mehr verhindert werden kann, sollte zumindest das autonome Schießen verboten werden. Ich hoffe, daß Deutschland aktiv zu entsprechenden internationalen Abkommen beiträgt.

Wie könnten diese aussehen?

Neben einem Verbot autonomer Schießsysteme im Kriegsvölkerrecht muß der KSE-Vertrag wieder aktiviert werden. Ähnliche Regeln wie in Europa sollten auch anderswo eingeführt werden. Die USA spielen eine Schlüsselrolle, dort muß politisch umgedacht werden.

Druck von außen hilft dabei wenig, die Bundesrepublik könnte aber immerhin die gezielten Tötungen kritisieren. Immer mehr Nichtregierungs- Organisationen machen auf das Thema aufmerksam.

Interview: Regine Beyß

* Aus: junge Welt, Samstag, 16. Februar 2013


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