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Straßenfeger Blutdiamanten

Kriege um Edelsteine als Stoff für Kinohits, "saubere Diamanten" bleiben ein Wunschtraum

Von Charlotte Schmitz *

In den USA hat der Film »Blood Diamond« die Debatte um Edelsteine aus Konfliktregionen angeheizt. In Deutschland kommt er diese Woche in die Kinos. Zertifikate für »saubere Diamanten« gibt es zwar, doch sie bleiben weitgehend wirkungslos.

Ein besonders wertvoller rosafarbener Diamant ist das Objekt der Begierde von Leonardo DiCaprio. In dem Film »Blood Diamond«, der am 25. Januar in die deutschen Kinos kommt, spielt der Weltstar einen Diamantenschmuggler. Es geht um »Blutdiamanten«, die in den 90er Jahren Bürgerkriege mit Hunderttausenden von Toten in Sierra Leone, Liberia, Angola und der Demokratischen Republik Kongo finanzieren halfen.

Diamanten bringen Glück und Elend

Diamanten symbolisieren »Liebe« und »Beständigkeit« für die einen, Landvertreibung, Ausbeutung und Hungerlöhne für die anderen. In Afrika haben Diamanten viel Leid verursacht, so etwa in Sierra Leone. Um an den Boden zu kommen, der die schönen Steine birgt, werden Bauern und ihre Familien von ihren Feldern vertrieben. Sie können nur überleben, wenn sie selbst auch anfangen, Diamanten zu schürfen: Knietief im Wasser stehend, durchsieben sie den Kies von Flüssen auf der Suche nach Edelsteinen. »Krankheiten und Unfälle sind die Folge«, erklärt Anne Jung von der Frankfurter Organisation »medico international«, die Menschenrechtsaktivisten in Afrika unterstützt. Die Löhne in den Diamantenminen lägen unter einem Dollar am Tag. »Blutdiamanten« tauften Aktivisten in den 90er Jahren die Steine, um darauf aufmerksam zu machen, dass der Schmuggel mit ihnen Bürgerkriege in Angola (500 000 Tote), Sierra Leone (400 000 Tote), Liberia und Kongo finanzierte. Die Rebellengruppen UNITA in Angola erzielte zwischen 1992 und 1998 Gewinne in Höhe von mindestens 3,7 Milliarden US-Dollar (2,86 Milliarden Euro) durch Diamantverkäufe – Gewinne, die sie für Waffen ausgab. Der UNO-Sicherheitsrat griff zu einer drastischen Maßnahme und verbot 1998 den Export von Diamanten aus Angola, um den Krieg zu stoppen. Das Verbot blieb wirkungslos. Deshalb und um den Ruf ihrer Waren zu retten, willigten die großen Diamantenkonzerne in ein System ein, das die Herkunft von Diamanten aus friedlichen Ländern belegen soll. Resultat war der Kimberley-Prozess, benannt nach dem Ort der Verhandlungen, dem südafrikanischen Kimberley. Daran sind inzwischen 47 Staaten beteiligt, wobei die Europäische Union als einer gezählt wird, sowie alle Länder Afrikas, in denen Diamanten geschürft werden.

In diesen Exportländern wurden staatliche Kontrollstellen aufgebaut, die die Diamanten überprüfen, in versiegelte Pakete packen und mit einem Zertifikat ausstatten. Die Importländer haben sich verpflichtet, nur Steine mit diesem Kimberley-Zertifikat zu akzeptieren. Seit 2003 ist das Kimberley-Abkommen in Kraft. 99 Prozent der weltweit gehandelten Diamanten stammen jetzt aus Nicht-Konfliktregionen, wirbt die Diamantenindustrie. Doch die Bilanz der Menschenrechtler ist ernüchternd: Die Kontrollen seien lückenhaft, die Statistiken über Förderung und Ausfuhr der Diamanten nicht transparent. Fachleute können an Farbe und Reinheit eines Diamanten erkennen, aus welcher Mine oder Region er stammt. Wenn der Stein einmal geschliffen ist, kann seine Herkunft jedoch nicht mehr nachgewiesen werden.

Bisher werden Diamanten vor allem in Indien geschliffen. Aber mehr und mehr lassen Händler Diamanten bereits in Afrika vorschleifen. Diamanten aus Konfliktregionen können so unbemerkt unter Diamanten mit Kimberley-Zertifikaten gemischt werden. Deshalb wurde im Herbst vergangenen Jahres in Botswana beschlossen, den Kimberley-Zertifizierungsprozess zu verbessern. Doch Anne Jung von »medico international« ist auch damit nicht zufrieden: »Es handelt sich um eine reine Selbstverpflichtung der Industrie.« Zusammen mit dem europäischen Netzwerk »Fatal Transactions« fordert sie stattdessen unabhängige Kontrollen für das Kimberley-Abkommen und gesetzliche Regulierungen für den Diamantenhandel.

Zum Film "Blood Diamond"

Der Film «Blood Diamond» spielt vor dem Hintergrund des Bürgerkrieges, der in den neunziger Jahren Sierra Leone in seinen Fesseln hielt. Leonardo DiCaprio spielt darin einen südafrikanischen Söldner, der sich auf den Verkauf von «Blutdiamanten» spezialisiert hat. Leonardo DiCaprio alias Danny Archer trifft auf einen Fischer Solomon Vandy (Djimon Hounsou), dessen Sohn in eine Armee von Kindersoldaten eingezogen wurde. Gemeinsam brechen sie auf, um einen wertvollen Diamanten zu suchen.

Die idealistische, amerikanische Journalistin Maddy Bowen (Jennifer Connelly), die Archer im Film zunehmend näher kommt, begleitet sie auf ihrer Reise. Für Vandy und Archer ist die Reise mehr als die Suche nach einem wertvollen Diamanten: Sie könnte Vandys Familie retten und Archer die zweite Chance geben, die er sich schon immer erhofft hatte. (www.blooddiamond.ch)

Konfliktdiamanten

Die Geschichte von Vandy und Archer ist fiktiv. Dass sich die Rebellengruppen in Sierra Leone mit dem illegalen Verkauf von Diamanten ihre Waffenkäufe finanziert haben, ist aber eine traurige Tatsache. Auch in Angola, Liberia, Sierra Leone und der Demokratischen Republik Kongo haben Diamanten in den 1990er Jahren Kriege finanziert, die gegen vier Millionen Opfer gefordert haben.



Die Schweizer Sektion von Amnesty International veranstaltete 2004 eine Umfrage unter 550 Juwelieren, von denen jedoch nur 56 antworteten. Elf dieser 56 Befragten verlangten Garantiescheine über die Herkunft der Diamanten von ihren Zulieferern und nur sieben befragte Juweliere stellten ihren Kunden solche Zertifikate aus.

Edelsteinhändler bangen ums Geschäft

Der Start des Hollywoodfilms »Blood Diamond« kocht die Debatte wieder hoch, die nach Ende der Bürgerkriege in Angola und Sierra Leona in Vergessenheit geraten war. In den USA haben Diamanthändler den Filmstart letztes Jahr mit einer Anzeigenkampagne im Wert von 15 Millionen US-Dollar (11,6 Millionen Euro) begleitet. Guy Leymarie, Geschäftsführer des weltweit größten Diamantenhändlers De Beers, äußerte sich im Fernsehsender CNN besorgt über den Film. Filmstar Leonardo DiCaprio zeigte sich betroffen von seinen Erfahrungen beim Dreh von »Blood Diamond«. Er werde sich in Zukunft beim Kauf von Schmuck schriftlich bestätigen lassen, dass es sich nicht um Konflikt-Diamanten handele, sagte er der Presse. »Blood Diamond« wurde übrigens nicht in Sierra Leone, sondern in Mosambik und Südafrika gedreht. Dreharbeiten in Sierra Leone sind viel zu gefährlich.

* Aus: Neues Deutschland, 23. Januar 2007

Der Kimberley-Prozess

Im Dezember 2000 verabschiedete die Uno-Generalversammlung einstimmig eine Resolution, in der sie den direkten Zusammenhang zwischen dem illegalen Handel mit Rohdiamanten und den blutigen Konflikten in Afrika aufzeigte. Im selben Jahr wurde der «Kimberley-Prozess» initiiert, der im Januar 2003 in Kraft trat.

Der «Kimberley-Prozess» ist ein Zertifizierungssystem aller am Diamantenhandel beteiligten Produktions-, Handels- und Konsumentenländer. In jedem Land ist eine staatliche Kontrollinstanz dafür verantwortlich, die Diamantensendungen zu prüfen und in einem versiegelten Paket mit einem Zertifikat weiterzusenden, welches den Wert und das Gewicht der Steine bescheinigt.

Damit sollen die Diamanten bis zur ihrem Ursprung in der Mine zurückverfolgt werden können. Alle importierenden Länder sind dazu verpflichtet, nur Rohdiamanten mit Kimberley-Prozess-Zertifikat zu akzeptieren.

Dank des Kimberley-Prozesses verzeichnet der Kampf gegen Konfliktdiamanten gewisse Fortschritte. Regierungen und Diamantenindustrie setzen sich aber noch zu wenig gegen den Handel mit Konfliktdiamanten ein. An einem Treffen des Kimberley-Prozess im November 2006 in Botswana wurde versprochen, das Zertifizierungssystem zu stärken. Nur wenn die Regierungen und die Diamantenindustrie ihre Versprechen in Taten umsetzen, kann der Handel mit Konfliktdiamanten gestoppt werden. Alle teilnehmenden Länder müssen strenge Kontrollmechanismen schaffen und umsetzen. Dazu gehören Mechanismen, welche dafür sorgen, dass die Diamantenindustrie den Kimberley-Prozess nicht umgeht.

Wenig Bewusstsein beim Schmuckhandel

Um den Kimberley-Prozess zu unterstützen, hat die internationale Diamantenindustrie eingewilligt, ein freiwilliges Garantieschein-System zu schaffen. Damit soll der Handelsweg der Edelsteine bis zum Verkauf überprüft werden können. Denn sobald die Steine geschliffen werden, fallen sie aus dem Kimberley-Zertifizierungssystem heraus.

Von diesem Zeitpunkt an muss die Diamantenindustrie mit Garantiescheinen dafür sorgen, dass keine Schmuggelware in den Handel eingeschleust wird. Alle Rechnungen, die beim Verkauf von Diamant-Schmuckstücken ausgestellt werden, sollten eine schriftliche Garantie enthalten, die bestätigt, dass es sich um unbedenkliche Steine handelt.

Im Herbst 2004 haben Amnesty International und die Organisation «Global Witness» in einer weltweiten Umfrage überprüft, ob die Branche ihr Versprechen einhält. Die Resultate zeigen, dass sich erst eine Minderheit der Schmuckhändler mit dem Thema auseinandergesetzt hat.

In der Schweiz wurden rund 550 Juweliergeschäfte befragt. Lediglich 56 antworteten auf die Umfrage. Davon gaben knapp elf Geschäfte an, immer einen Garantieschein von ihren Zulieferern zu verlangen und nur sieben geben standardmässig Garantiescheine an ihre KundInnen ab. Die Resultate als pdf-Datei zum Download »

Diese Zahlen zeigen, dass die freiwilligen Kontrollen zu schwach sind, um den Handel mit Konfliktdiamanten zu unterbinden. Das System der Selbstkontrolle wurde seit dem Versprechen der Branche nicht vollständig umgesetzt. Die Vereinigung Schweizerischer Juwelen- und Edelmetallbranchen (UBOS) hat einen Ethik Codex ausgearbeitet, der die unterzeichnenden Juweliere zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Diamanten verpflichtet.

Amnesty International Schweiz begrüsst die Bemühungen der UBOS, kritisiert aber, dass das System auf Freiwilligkeit beruht und keine systematischen Kontrollen vorgesehen sind. KonsumentInnen sind gefragt

Amnesty International engagiert sich seit 2000 für eine Eindämmung des Handels mit Blutdiamanten und beteiligte sich aktiv an der Erarbeitung des Kimberley-Prozesses. Die Schweizer Sektion von Amnesty interveniert auch bei Regierungs- und Branchenvertretern für eine bessere Kontrolle des Diamantenhandels.

Information aus: amnesty international, Schweiz; www.amnesty.ch




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