Uranwaffen: Das größte Kriegsverbrechen unserer Zeit
Interview mit Frieder Wagner
Frieder Wagner, Köln, ist Filmemacher und Journalist; er erhielt für seine Arbeiten zwei Mal den renommierten Grimme-Preis; seine jüngste Kinodokumentation zum Thema heißt: "Deadly Dust – Todesstaub".
FJ: Uranwaffen gehören nicht in die
Rubrik Atomwaffen, sondern sind als
eine spezielle Kategorie „unkonventioneller“
Waffen zu sehen. Was kann man
in wenigen Sätzen zu deren Eigenschaften
und Wirkungsweise sagen?
Uranmunition und Uranbomben sind
die wohl furchtbarsten Waffen, die
heutzutage in Kriegen eingesetzt werden,
weil sie die Menschheit unweigerlich
in den Abgrund führen. Denn
eine der Folgen der Anwendung von
Uranwaffen ist, dass es bei Mensch
und Tier zu Chromosomenbrüchen
kommt und so der genetische Code
verändert wird. Das ist seit Jahrzehnten
eine wissenschaftliche Tatsache
und der amerikanische Arzt Dr. Herman
Joseph Muller, hat dafür schon
1946 den Nobelpreis bekommen.
Trotzdem haben die alliierten Streitkräfte
in den vergangenen fünf Kriegen
so getan, als würde es diese Tatsachen
nicht geben: 1991, im ersten
Irakkrieg haben die alliierten Streitkräfte
mindestens 320 Tonnen dieser
Uranmunition eingesetzt. Aus einer
vertraulichen Mitteilung des britischen
Verteidigungsministeriums wissen wir
inzwischen, dass nach ihren Erkenntnissen
schon die Anwendung von
40 Tonnen dieser Uranmunition zu
500 000 Nachfolgetoten führt und
zwar durch so entstehende hoch
aggressive Krebstumore und Leukämien.
FJ: Sucht man z.B. im Internet nach
dem Stichwort Uranwaffen, findet man
dort sehr wenig. Eher noch das Stichwort
Irakkriegs-Syndrom oder auch
Balkankriegs-Syndrom. Es wird dabei
auf fehlende wissenschaftliche Untersuchungen
hingewiesen. Angesichts
dessen stellt sich doch auch die Frage:
Gibt es ein besonders prägnantes Beispiel,
wo die Signifikanz der Folgewirkungen
von Uranwaffen absolut eindeutig
ist?
1995 im Bosnienkrieg wurde die kleine
serbische Stadt Hadzici, 15 km entfernt
von Sarajewo, mit Uranbomben
vom Typ GBU 28 bombardiert, der
Grund: die Serben hatten dort ein Panzerreparaturwerk.
Damals ahnten die
Serben, dass die Auswirkungen der
eingesetzten Bomben auch nach ihrer
Anwendung noch lebensgefährlich für
die Bewohner sein könnten und siedelten
3500 Bürger von Hadzici in das Gebirgsstädtchen
Bratunac um. Aber es
war zu spät, denn viele dieser Menschen
hatten sich schon kontaminiert.
In den folgenden fünf Jahren starben
von den umgesiedelten Bürgern aus
Hadzici 1 112 an aggressiven Krebserkrankungen.
Der britische Journalist
Robert Fisk schrieb darum zu Recht im
„Independent“: Man hätte auf die
Grabsteine dieser Menschen schreiben
können: Gestorben an den Folgen
von Uranmunition.
FJ: Was macht Uranmunition für
Mensch und Tier und Natur so gefährlich?
Nun: Uranwaffen werden aus abgereichertem
Uran hergestellt. Abgereichertes
Uran, englisch Depleted
Uranium, ist ein Abfallprodukt der
Atomindustrie. Wenn man aus Natururan
Brennstäbe herstellt, fallen viele
Tonnen abgereichertes Uran an. Diese
vielen Tonnen sind zwar, als Alphastrahler
nur schwach radioaktiv, müssen
aber entsprechend entsorgt und
bewacht werden und das kostet Geld,
viel Geld. Dieses abgereicherte Uran,
das als Schwermetall wie Blei auch
noch hoch giftig ist, hat eine Halbwertszeit
von 4,5 Milliarden Jahren,
das heißt, dieses Zeug haben wir ewig
und inzwischen gibt es weltweit davon
etwa 1,2 Millionen Tonnen und es werden
täglich mehr. So stellte sich alsbald
die Frage: Wie kriegt man dieses
radioaktive und hoch giftige Zeug wieder
los? Da entdeckten die Waffenentwickler
der Militärs, dass dieses Metall,
das als Abfallprodukt sehr billig
zu haben ist, für militärische Zwecke
zwei ausgezeichnete Eigenschaften
besitzt: formt man dieses Metall zu einem
spitzen Stab und beschleunigt
ihn entsprechend, dann durchdringt er
aufgrund seines enormen Gewichtes
Stahl und Stahlbeton, wie heißes Eisen
ein Stück Butter. Dabei entsteht
an diesem abgereichertem Uranmetallstab
ein Abrieb, der sich bei der
enormen Reibungshitze von Temperaturen
zwischen 3 000 – 5 000 Grad Celsius
selbst entzündet. Das heißt, wenn
sich ein solches Geschoss in Sekundenbruchteilen
durch einen Panzer
schweißt, entzündet sich das abgereicherte
Uran und die Soldaten in dem
Panzer verglühen. 2-3 Sekunden später
explodiert dann die im Panzer befindliche
Munition und das Fahrzeug
wird so völlig zerstört. Das heißt, wegen
dieser beiden Eigenschaften:
Stahl wie Butter zu durchdringen und
die Fähigkeit sich selbst zu entzünden
und so wie ein Sprengstoff zu wirken,
ist das Abfallprodukt „abgereichertes
Uran“ heute bei den Militärs so beliebt.
Das ist aber noch nicht alles: Bei den
hohen Temperaturen von bis zu 5 000
Grad Celsius verbrennt das Urangeschoss
zu keramisierten Nanopartikelchen
von einer Größe, die 100 Mal
kleiner ist als ein rotes Blutkörperchen.
Das bedeutet, es entsteht praktisch
ein Metallgas und dieses Metallgas ist
weiterhin radioaktiv und hoch giftig.
FJ: Zu den von Ihnen genannten 5
Kriegen gehört auch der in Afghanistan.
Deshalb die Frage: Was haben
deutsche Soldaten bei einem Einsatz
diesbezüglich zu befürchten?
Ich prognostiziere hier an dieser Stelle,
und bin da einig mit vielen unabhängigen
Wissenschaftlern weltweit,
dass von unseren Tausenden eingesetzten
deutschen Soldaten im Kosovo und in Afghanistan – und das gilt
natürlich für alle anderen Soldaten
auch – etwa 30 % durch Uranmunition
kontaminiert nach Hause zurück kommen
werden. Und diese jungen Soldaten
werden alle mit ihren Ehefrauen
Kinder zeugen und werden, ohne es
zu wissen, ihre Kontamination an ihre
Kinder und Kindeskinder weitergeben,
mit allen furchtbaren Folgen von Missbildungen,
Immunschwäche, Leukämie
und Krebstumoren. Und Sie dürfen
nicht glauben, dass das Problem
gelöst wäre, wenn all diese kontaminierten
Soldaten tot sind – nein, ihre
Kinder und Kindeskinder werden den
deformierten genetischen Code weitergeben
an ihre Kinder und Kindeskinder,
wie bei einer Epidemie und wir
werden nichts dagegen tun können.
FJ: Wurde dieses Thema eigentlich
schon mal in den Bundestag eingebracht?
Die Bundestagsfraktion Die Linke hat
vor einigen Wochen eine Kleine Anfrage
an die Bundesregierung gemacht mit
einem Fragenkatalog zu den Folgen
des Einsatzes der Uranmunition. Diese
Fragen hat der Staatsminister Gernot
Erler von der SPD im Namen der Bundesregierung
beantwortet. Eine der
Fragen lautete, ob der Bundesregierung
Erkenntnisse über den Einsatz von
Uranmunition in Afghanistan seit 2001
vorliegen und ob man entsprechend die
Soldaten informiert hat? Der Staatsminister
Gernot Erler antwortete dazu
wörtlich: „Der Bundesregierung liegen
keine Erkenntnisse zu möglichen Einsatzorten
bzw. -zeiten von Munition mit
abgereichertem Uran in Afghanistan
seit 2001 vor“ und er fährt dann fort:
„Der Bundesregierung wird ein Einsatz
von Muntion mit abgereichertem Uran
nicht angezeigt. Eine Informationspflicht
hierzu besteht nicht.“
FJ: Sie erwähnten eingangs eine vertrauliche
Mitteilung des britischen Verteidigungsministeriums
dazu – gibt es
vielleicht auch in Deutschland inoffiziell
andere Informationen?
Mir wurde eine Anweisung in Kopie
zugespielt, die als „VS – Verschlußsache
– NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“
deklariert ist und aus
dem Verteidigungsministerium aus
dem Jahr 2003 stammt und den Titel
„Leitfaden für Bundeswehrkontingente
in Afghanistan“ trägt. Dort heißt ein
eigener Unterabschnitt: „“Gefährdung
durch DU-Munition „ unter anderem,
dass von den US-Truppen in Afghanistan
auch panzerbrechende Brandmunition
mit DU-Kern eingesetzt wurde.
Explizit heißt es dann: „Beim
Einsatz dieser Munition gegen Hartziele
(z.B. Pz, Kfz) entzündet sich das
Uran auf Grund seiner pyrophoren
Wirkung. Bei der Verbrennung entstehen
besonders an und in den Zielen
sesshafte toxische Stäube, die jederzeit
aufgewirbelt werden können. DU-Munition
kann deshalb bei ungeschütztem
Personal toxische und
radiologische Schädigungen hervorrufen“
usw.
Dieses Papier beweist, dass unser
Staatsminister Gernot Erler, von der
SPD, das Parlament, den Parlamentspräsidenten
und uns das Volk belogen
hat, wenn er sagt, „der Bundesregierung
liegen keine Erkenntnisse zu
möglichen Einsatzorten von Uranmunition
in Afghanistan seit 2001 vor“.
FJ: Welche Schlüsse sollten wir daraus
ziehen, dass uns Politiker heute
derart belügen?
In Sachen Uranmunition jedenfalls folgendes:
Die Gefahren der Uran-Munition
sind der Bundesregierung seit
dem Golf-Krieg von 1991 und dem
Kosovo-Krieg 1999 öffentlich zugänglich
und bekannt, auch unseren damaligen
und heutigen Politikern. Wer darum
2003 für den Golfkrieg gestimmt
hat, stimmte nicht nur für einen völkerrechtswidrigen
Krieg, er war damit
auch wissentlich und willentlich für
das Kriegsverbrechen der Uranmunition.
Hochrangige Persönlichkeiten und
Politiker, die heute in der Regierungsverantwortung
stehen, haben sich in
Deutschland 2003 für diesen Golfkrieg
ausgesprochen. Sie können sich nun
nicht darauf zurückziehen, von der
zwangsläufigen Verwendung von
Uranmunition und den Folgen in einer
heutigen kriegerischen Auseinandersetzung
nichts gewusst zu haben.
Und sie werden sich für die Folgen eines
Tages verantworten müssen.
Von den Regierungen der Welt, also in
der UN und im UN-Sicherheitsrat,
aber natürlich auch in unserem Parlament
ist ein Verbot des Einsatzes von
Uranwaffen zu fordern. Denn keine
Macht dieser Welt hat das Recht, auf
ihren selbst gewählten Kriegsschauplätzen
ganze Regionen unbewohnbar
zu machen und die Menschen
noch lange nach Beendigung der
Kriegshandlungen zu vergiften und zu
töten, denn das ist ein Kriegsverbrechen.
Weitere Infos:
Die Kinodokumentation „Deadly Dust –
Todesstaub“ sowie eine Faktensammlung
zu diesem Thema können bei Frieder
Wagner unter
ochowa-film@t-online.de bestellt werden.
Dieser Beitrag erschien in: FriedensJournal, Nr. 5, September 2008
Das FriedensJournal wird vom Bundesausschuss Friedensratschlag herausgegeben und erscheint sechs Mal im Jahr. Redaktionsadresse (auch für Bestellungen und Abos):
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