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Kriegsverbrechen Uranmunition

Von Birgit Malzahn *

Heute, am 1. September, begehen wir den Antikriegstag. Der 2. Weltkrieg hinterließ mit all seinen grausamen Verbrechen 55-60 Millionen Tote und mahnt uns, dass es nie wieder Faschismus und nie wieder Krieg geben darf.

Die Mahnung, dass es nie wieder Krieg geben darf, ist offensichtlich vergessen. Seit dem Kosovo-Krieg von 1999 beteiligt sich die Bundeswehr im Rahmen der Nato an Angriffskriegen. Als Rechtfertigungsgründe dienen vor allem humanitäre Argumente. Menschenrechte und Demokratie lassen sich jedoch niemals durch militärische Maßnahmen erreichen. Die Argumente sind vorgeschoben. In Wirklichkeit geht es um geostrategische Vorteile, die die heutige Wirtschaftsordnung erhalten sollen. Frieden kann jedoch nur durch soziale Gerechtigkeit und Dialog erreicht werden. Der Krieg ist selbst die größte Verletzung der Menschenrechte. Die grausamen Folgen der heutigen Kriegseinsätze scheinen weit von uns entfernt zu sein und werden deshalb oft nicht wahrgenommen.

Der Einsatz von Uranwaffen gehört zu den größten Kriegsverbrechen unserer Zeit, auch wenn es kaum jemand weiß.

Was sind Uranwaffen? Und wie wirken sie?

Diese Waffengattung besteht meistens aus abgereichertem Uran, das bei der Herstellung von Brennstäben für die AKW´S anfällt Um 1.Tonne angereichertes Uran für die Brennstäbe herzustellen, fallen 8 Tonnen abgereichertes Uran als Abfallprodukt an. Die Verwendung des abgereichten Urans für militärische Zwecke scheint offensichtlich eine kostengünstige Entsorgungslösung zu sein. Sie ist militärisch von Vorteil, da die hohe Dichte des Urans eine große Durchschlagskraft hat und deswegen bunker- und panzerbrechend wirkt.

Die Verharmloser der Uranmunition sagen immer wieder, dass abgereichertes Uran nur schwach radioaktiv ist und deswegen ein geringes Risiko hat. Das ist falsch. Uran ist schon als Schwermetall hochgiftig und führt beispielsweise zu Nieren- und Leberschäden. Abgereichertes Uran 238 ist ein Alpha –Strahler und v. a. dann nicht mehr harmlos, wenn es in den Körper gelangt. Die Reichweite von Alpha- Strahlern ist zwar gering, aber die biologische Wirkung ist um das 20- fache schädlicher als die von Beta- oder Gamma Strahlern.

Beim Aufprall der Uranmunition, auf z.B. ein gepanzertes Ziel, entzündet sich die Munition bei extrem hohen Temperaturen von 3000-5000°C selbst und explodiert. Dabei entstehen sehr feine Uranoxidstäube, die eingeatmet werden oder über die Nahrung- oder das Grundwasser in den Körper gelangen. Die Uranoxidstäube haben die Größe von Nano- Partikeln und können sich im ganzen Organismus verteilen und festsetzen. Dort strahlen sie über lange Zeiträume, beispielsweise direkt am Knochenmark und führen zu Leukämie, oder sie sitzen z.B. in der Lunge fest und bewirken Lungenkrebs. Direkt an den Eierstöcken oder bei der Spermienbildung führen sie zu Erbgutveränderungen, die Krankheiten und Missbildungen bei Neugeborenen verursachen. Erbgutveränderungen werden und von Generation zu Generation weitergegeben und werden noch viele zukünftig lebende Menschen stark belasten.

Seit dem Golfkrieg von 1991 werden Uranwaffen in den Nato- Kriegen eingesetzt. Und auch Israel verwendete diese Waffen im letzten Konflikt mit dem Libanon. 300 Tonnen Uranmunition wurden bereits im Krieg von 1991 auf den Irak abgeworfen, obwohl die britische Atomenergiebehörde auf mögliche Probleme durch radioaktive Stäube hinwies. Die Behörde warnte, dass 40 Tonnen radioaktiver Schrott 500.000 Todesopfer zur Folge haben könnte. Bis heute blieb diese Warnung weitgehend ungehört, schlimmer noch, die Wahrheit wird systematisch unterdrückt. Ein gravierendes Beispiel dafür ist die Weltgesundheitsbehörde. Sie hält etliche Studien unter Verschluss, die den Zusammenhang von Uranmunition und gesundheitlichen Folgen darstellen (z.B. die Baverstock-Studie). Die Wahrheit lässt sich jedoch nicht dauerhaft wegschließen. Die gesundheitlichen Auswirkungen der Uranmunition zeigen sich spätestens 5-6 Jahre nach der Exposition. In allen Gebieten, wo Uranmunition eingesetzt wurde, gibt es vermehrt Erkrankungen des Immunsystems, erhöhte Krebs- und Leukämieraten und eine erhöhte Häufigkeit von missgebildeten Neugeborenen. Besonders Kinder sind gefährdet an den Folgen der Uranmunition zu erkranken und zu sterben.

Um das Ausmaß der Auswirkungen von Uranwaffen zu verdeutlichen, will ich hier nun fünf Beispiele aus unterschiedlichen Kriegsgebieten beschreiben.
  1. 1995 im Bosnienkrieg wurde die kleine Stadt Hadzici, die 15 km entfernt von Sarajewo liegt, aufgrund des Panzerreparaturwerks, mit Uranmunition bombardiert. Die Serben ahnten die langfristige Gefährlichkeit der Bomben und siedelten die 3500 Bürger in das Gebirgsstädtchen Bratunac um. Aber für viele dieser Menschen kam die Hilfe zu spät. Sie hatten sich bereits kontaminiert. In den folgenden 5 Jahren starben 1112 der umgesiedelten Menschen an aggressiven Krebserkrankungen. Das war fast ein Drittel der Bevölkerung von Hadzici.
  2. Die irakische Stadt Falludscha, 50 km westlich von Bagdad gelegen, wurde im November 2004 zur Widerstandsbekämpfung von der US-Armee wochenlang belagert und angegriffen. Eine Studie mehrerer Wissenschaftler belegt den Gesundheitszustand der Bevölkerung. Die Krebsrate bei den Kindern stieg in den Jahren 2004-2009 im Vergleich zu Ägypten, Jordanien und Kuwait um das 12-fache. Gestiegen ist auch die Zahl der Missbildungen bei Neugeborenen, sowie die Häufigkeit von Lymph- und Gehirntumoren. Leukämie erhöhte sich um das 38-fache und Brustkrebs um das 10-fache. Prof. Busby, Molekularbiologe aus Irland und Mitverfasser dieser Studie, arbeitet seit Jahren zu den Folgen radioaktiver Strahlung. Er erklärte, dass die auftretenden Krebsarten denen ähnelten, die sich bei Überlebenden der Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki herausgebildet hatten.
  3. Afghanistan: Das Uranium Medical Research Centre aus Kanada nahm Wasser, Boden und Urinproben und fand dabei erheblich erhöhte Werte von Uranisotopen, die eindeutig auf den Einsatz von Uranwaffen hinweisen. Besonders stark wurden die Berghügel von Tora Bora mit diesen Waffen bombardiert. Ziel war es die Höhlen der Taliban zu sprengen. Im Gebiet der Tora Bora liegt eines der wichtigsten natürlichen Trinkwasserreservate. Verseuchtes Wasser gelangt bis weit in den Südwesten des Landes. Prof. Daud Miraki, ein afghanischer Wissenschaftler, hat die Konsequenzen der Uranmunition dokumentiert. Er nennt ein gehäuftes Auftreten von aggressiven Krebserkrankungen, zahlreiche Fehlgeburten und Missbildungen bei Neugeborenen. Kinder kommen ohne Augen, ohne Haut, mit zwei Köpfen oder anderen Fehlbildungen zur Welt.
  4. Die Veteranen: Eine von Prof. Schott an der Universität Bremen veranlasste privat bezahlte Studie ergab, dass die untersuchten Golfkriegs- und Balkanveteranen Chromosomenschäden aufwiesen, die auf Radioaktivität zurückzuführen sind.
    In den USA im Bundesstaat Missisipi wurde festgestellt, dass von 251 Familien der Golfkriegsveteranen 67 % der Kinder missgebildet geboren wurden oder Organschäden aufweisen. Auch hier kommt es zu Krankheitsbildern, wie sie aus dem Irak bekannt sind: Augenlosigkeit, fehlende Gliedmaßen, Lungenkrankheiten, schwere Bluterkrankungen u. a.
  5. Libyen: Kanadische Wissenschaftler wiesen in den Trümmern von Gebäuden, die von der Nato attackiert wurden, eine erhöhte Radioaktivität nach. Besonders hoch war auch die Strahlung der Kraterränder, die von Bomben des Militärpakts verursacht wurden. Das belegt, dass mit allergrößter Wahrscheinlichkeit Uranwaffen auch in Libyen, in einem Krieg eingesetzt wurden, in dem die Zivilbevölkerung ausdrücklich geschützt werden sollte.
Uran hat eine Halbwertzeit von 4,5 Milliarden Jahren. Eine Dekontamination von Uranstäuben ist schwierig. Einmal in die Umwelt geblasene Stäube sind nicht wieder einzufangen. Die Stäube können tausende Kilometer vom Wind weitergetragen werden. So fand man z. B. in Arbil im kurdischen Nordirak den Staub aus dem Südirak aus der Gegend von Basra wieder. Die Krankheitsfolgen waren in gleicher Weise fatal.

Uranwaffen töten unterschiedslos und dauerhaft. Sie lassen sich regional nicht eingrenzen und sind ein furchtbares Kriegsverbrechen, das besonders die Kinder grausam trifft. Der Verstoß gegen die Genfer Konventionen ist eindeutig. Trotz dieser Tatsache wird die Gefährlichkeit der Uranwaffen von den kriegführenden Ländern weiterhin geleugnet. Nur Belgien und Costa Rica haben diese Waffen geächtet. Beide Länder haben nicht nur den Einsatz der Uranwaffen, sondern auch die Herstellung, die Lagerung, den Handel und den Transit auf ihrem Staatsgebiet verboten.

Es ist dringend notwendig dieses Kriegsverbrechen bekannt zu machen und die Ächtung der Uranwaffen auch hier in Deutschland und weltweit durchzusetzen.

* Birgit Malzahn arbeitet im Kasseler Friedensforum mit. Bei diesem Text handelt es sich um das Manuskript eines Redebeitrags, den die Autorin am 1. September bei einer Antikriegskundgebung in Kassel gehalten hat.


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