Uranmunition muss verboten werden
Experten diskutieren in Berlin rechtliche Möglichkeiten gegen besonders gefährliche Waffenarten
Von Wolfgang Kötter *
Im Senatssaal der Freien Universität in Berlin Dahlem diskutieren die Teilnehmer eines internationalen Workshops am Freitag (22.6.2012) ein brandaktuelles Thema. Es geht um die für Mensch und Umwelt äußerst gefährlichen giftigen Rückstände von Kämpfen und Kriegen.
Die Veranstaltung findet im Rahmen einer vom Außenministerium Norwegens finanzierten Studie der „Internationalen Kampagne zum Verbot von Uranwaffen“ und der ökumenischen Friedensbewegung “Pax Christi“ statt. Die Teilnehmer diskutieren mögliche rechtliche Verpflichtungen für Staaten, auf den Einsatz derart gefährlicher Waffenarten zu verzichten und sie andernfalls für die Folgen verantwortlich zu machen. Ein besonderes Augenmerk gilt den gesundheitlichen und Umweltschäden des Einsatzes von Uranwaffen. Diese sind mehrfach in jüngsten Kriegen und bewaffneten Konflikten eingesetzt worden. Für die Militärs sind DU-(Depleted Uranium)-Waffen ideale Einsatzmittel gegen massive und gepanzerte Ziele, denn abgereichertes Uran ist um ein Vielfaches härter als Stahl und kann Metall aber auch Beton leicht durchdringen.
Gesundheitsschäden bei Opfern und Tätern
„Depleted Uranium“ entsteht als Atommüll bei der Urananreicherung von Brennelementen für Atomkraftwerke und wird als panzer- und bunkerbrechende Waffe eingesetzt. Durch seine extreme Dichte verleiht das in uranummantelter Munition enthaltene Uran-238 dem Geschoss ein hohes Gewicht und damit eine enorme Durchschlagskraft. Dabei entsteht eine extreme Reibungshitze von Temperaturen zwischen 3.000 bis 5.000 Grad Celsius. Die Rakete oder Bombe bohrt sich in das Ziel, explodiert dort und setzt brennende radioaktive Uranoxidstäube frei. Diese werden eingeatmet oder gelangen über die Nahrung- oder das Grundwasser in die Blutbahn und ins Gewebe. Die Uranoxidstäube können sich so im ganzen Organismus verteilen und festsetzen. Auch über Wunden kann die Substanz in den Körper eindringen und Vergiftungen auslösen, die den Stoffwechsel der inneren Organe, vorwiegend von Nieren und Leber, angreifen. Folgeschäden sind Tumore, Leukämie und andere Krebserkrankungen sowie eine massive Schwächung des Immunsystems und Missbildungen bei Neugeborenen durch Genmutationen. Solche genetischen Veränderungen werden dann über viele Generationen vererbt. Gesundheitsgefährdung besteht vor allem an den kontaminierten Orten, betrifft aber auch angrenzende Regionen. Opfer sind deshalb neben den Soldaten häufig auch unbeteiligte Zivilisten.
Internationale Rechtsnormen gegen Uranwaffen
Obwohl kein internationales Abkommen Uranmunition ausdrücklich verbietet, ist ihr Einsatz gerade wegen der unterschiedslosen Wirkung rechtlich geächtet. Das sogenannte humanitäre Völkerrecht stellt Verhaltensregeln für die Kriegsführung auf, um das Leid nicht direkt an den Kämpfen beteiligter Personen zu lindern. So verbietet die IV. Genfer Konvention zum Schutz von Zivilpersonen z.B. militärische Angriffe auf Zivilkrankenhäuser, Sanitätstransporte, Frauen und Kinder. Nach Artikel 35 des ersten Zusatzprotokolls, ist es verboten, Waffen, Geschosse und Material sowie Methoden der Kriegführung zu verwenden, die überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden verursachen. Ob der beim Beschuss mit Uranmunition entstehende hochgiftige Dampf unter das Verbot des Genfer Giftgasprotokolls und der Chemiewaffenkonvention fällt, wäre zusätzlich zu prüfen. Auf dem heutigen Workshop werden die Teilnehme außerdem darüber diskutieren ob das Protokoll V der Inhumane-Waffen-Konvention anwendbar ist, das die Kriegsparteien zur Räumung von Kampfmittelrückständen und zurückgelassener Munition verpflichtet.
Die westlichen alliierten Streitkräfte verschossen Uranmunition bereits in den Golfkriegen gegen den Irak in den Jahren 1991 und 2003, auf dem Balkan und in Afghanistan. Uranmunition wurde ebenfalls in indisch-pakistanischen Grenzkonflikten, in Tschetschenien und während der sowjetischen Invasion Afghanistans eingesetzt. Arabische Staaten werfen Israel vor, im Libanonkrieg 2006 wie auch im späteren Gaza-Krieg Munition mit abgereichertem Uran verschossen zu haben. Im Libyen-Krieg vom vergangenen Jahr gab es Vorwürfe an die NATO, sie setze Waffen ein, die Munition mit abgereichertem Uran verschießen. So berichtete das renommierte Centre for Research on Globalization in Montreal, dass Wissenschaftler in Libyen radioaktive Isotope gefunden hätten, die sie auf den NATO-Einsatz von Uranmunition zurückführen seien. Erhöhte Radioaktivität wurde in zahlreichen Gebäudetrümmern und Bombenkratern festgestellt.