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"Das Ansehen der Bundeswehr in Deutschland ist völlig unangefochten"

Sagt Bundestagspräsident Norbert Lammert bei der Entgegennahme des Jahresberichts 2005 des Wehrbeauftragten

Am 14. März 2006 legte der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags seinen Jahresbericht 2005 vor. Eine Diskussion darüber wird es im Bundestag zu einem späteren Zeitpunkt geben (wir werden darüber berichten). Im Folgenden dokumentieren wir die Pressemitteilung des Bundestagsdienstes ("heute im bundestag"-hib) sowie einen entsprechenden Bericht des Verteidigungsministeriums, an den sich der Bericht ja auch richtet. Im Anschluss daran dokumentieren wir eine erste Stellungnahme aus der Friedensbewegung, und zwar von der Vereinigung kritischer Soldaten, dem "Darmstädter Signal".



Jahresbericht 2005 des Wehrbeauftragten

Wehrbeauftragter beklagt "permanente Unterfinanzierung der Bundeswehr"

Berlin: (hib/BOB) Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), beklagt eine permanente Unterfinanzierung der Bundeswehr. Dies schreibt Robbe in seinem Jahresbericht 2005 (Drucksache 16/850), den er am Dienstagmorgen [14. März 2006] Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU/CSU) übergab. Der Wehrbeauftragte sagte dabei, er habe die Gewissheit, "dass Ihnen meine Arbeit und die Streitkräfte am Herzen liegen". Lammert erwiderte, die Übergabe des Jahresberichts des Wehrbeauftragten sei ein Stück "Parlamentsroutine in bestem Sinne des Wortes". Der Bundestag erhalte einen "authentischen Eindruck" über die Lage in den Streitkräften. Das Ansehen der Bundeswehr in Deutschland sei völlig unangefochten.

Belastungsgrenzen für die Streitkräfte

Robbe schreibt weiter in seinem Jahresbericht, das Aufzeigen der Belastungsgrenzen für die Streitkräfte - gerade vor dem Hintergrund möglicher neuer Auslandseinsätze - gehöre auf die aktuelle Tagesordnung. Die Belastung der Truppe durch die laufenden und neuen Einsätze sei nach wie vor hoch. Die Bundeswehr stoße immer deutlich an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Insbesondere der Mangel an personellen Ressourcen erweise sich in zunehmendem Maße als Problem.

Zahl der Eingaben zurückgegangen

Die Zahl der im vergangenen Jahr vorliegenden Eingaben an den Wehrbeauftragten sind mit 5.601 leicht zurückgegangen; 2004 waren es noch 6.154, heißt es in dem Bericht. Verlauf und Geschwindigkeit der Umwandlung der Streitkräfte hätten Soldaten und zivile Mitarbeiter verunsichert. Immer öfter und lauter werde nach Verlässlichkeit und Planungssicherheit verlangt.

"Phase der Konsolidierung"

Nach Ansicht Robbes muss der "Phase der Konsolidierung" erfolgen, in der der Truppe ausreichend Zeit und Mittel zur Verfügung gestellt würden, getroffene Entscheidungen und Konzepte auch umzusetzen. Nur so könne verloren gegangenes Vertrauen in den Dienstherrn wieder zurückgewonnen werden. "Permanente Kürzungen" hätten zu personellen und materiellen Engpässen geführt, die die Erfüllung der Aufgaben sichtlich erschwerten und die Motivation der Soldaten nicht nur vorübergehend beeinträchtigten.

Integration der Frauen schreitet voran

Frauen hätten inzwischen einen festen Platz im Gefüge der Streitkräfte erobert. Durchschnittlich hätten im Jahr 2005 circa 11.5000 Frauen Dienst in der Bundeswehr geleistet. Ihr Anteil an den Zeit- und Berufssoldaten sei von mehr als fünf Prozent im Vorjahr auf mehr als sechs Prozent gestiegen. Aus Robbes Sicht schreitet die Integration der Frauen weiter voran und verlaufe weitgehend störungsfrei. Das schließe nicht aus, dass das Verhalten einiger Vorgesetzter immer noch von innerer Ablehnung und nicht selten auch von verbalen oder tätlichen Verfehlungen gegenüber ihren unterstellten Soldatinnen geprägt sei.

Erhalt der allgemeinen Wehrpflicht

Zwischen den Regierungsparteien CDU/CSU und SPD bestehe Einigkeit über den Erhalt der allgemeinen Wehrpflicht. Dieses Bekenntnis werde von den Soldaten sehr positiv aufgenommen, so Robbe. Allerdings sei mit dieser positiven Reaktion auch die Erwartungshaltung verbunden, dass im Hinblick auf die Sicherstellung der Einberufungsgerechtigkeit und der damit ursächlich im Zusammenhang stehenden Bereitstellung von ausreichenden Dienstposten für Grundwehrdienstleistende den Ankündigungen auch Taten folgen. Aus Robbe Sicht ist es langfristig für die Rekruten, aber auch für alle anderen Bundeswehrangehörigen nicht hinnehmbar, wenn ein erheblicher Teil der Wehrpflichtigen aus finanziellen Gründen keinen Wehr- und auch Zivildienst leistet.

Besondere Vorkommnisse

Robbe weist zudem darauf hin, dass im Berichtsjahr 147 "Besondere Vorkommnisse" mit Verdacht auf rechtsextremistischen oder fremdenfeindlichen Hintergrund geschahen. Im Vorjahr habe es 134 derartige Fälle gegegeben. Davon seien auf Mannschaften rund 80 Prozent der Fälle entfallen. 15 Prozent seien die Unteroffiziere und fünf Prozent die Offiziere beteiligt gewesen. Meist habe es sich um Propagandadelikte wie das Abspielen rechtsextremistischer oder fremdenfeindlicher Musik, das Zeigen des Hitler-Grußes oder "Sieg-Heil"-Rufe gehandelt. Robbe zufolge sind Vorfälle wie diese in einer fest im demokratischen Rechtsstaat verankerten Armee "nicht hinnehmbar". Auch Propagandadelikte dürften keine stillschweigende Duldung erfahren - weder von den Vorgesetzen noch von den Kameraden. Der rechtswidrige Besitz und Konsum von Betäubungsmitteln sei nach wie vor auch in der Bundeswehr ein Problem. Im Berichtsjahr 2005 seien dem Wehrbeauftragten 842 Fälle bekannt geworden. Im Jahr zuvor seien es noch 1.202 Vorkommnisse gewesen. Die meisten Fälle habe es innerhalb der Mannschaftsdienstgrade gegeben. Es seien vor allem Cannabisprodukte konsumiert worden. Ein Großteil der aufgefallenen Soldaten habe auch schon vor Beginn des Wehrdienstes Kontakt mit Betäubungsmitteln gehabt.

Klinische Versorgungslage angespannt

Bei den Bundeswehrkrankenhäusern bestanden laut Robbe zum Teil "besorgniserregenden Personalengpasse" bei Ärzten und Assistenzpersonal. Es sei erforderlich, die weiter angespannte klinische Versorgungslage schnellstmöglich durch Umorganisation der Krankenhäuser den aktuellen Aufgaben anzupassen.

Quelle: www.bundestag.de


Zum Jahresbericht 2005 des Wehrbeauftragten heißt es auf der Website des Bundesverteidigungsministeriums:

Berlin, 14.03.2006.

Rund zehn Monate nach seinem Amtsantritt präsentierte der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, der Öffentlichkeit seinen ersten Jahresbericht.

"Die Bundeswehr ist nach wie vor fest in unseren demokratischen Rechtsstaat verankert. Sie kann auf Soldatinnen und Soldaten setzen, die sich den Herausforderungen der Transformation stellen, die aber auch unter einem weiter zunehmenden Druck der Unterfinanzierung und der Einsatzbelastung leiden. Sie brauchen die Solidarität der Gesellschaft, die Fürsorge des Dienstherrn und die nötige finanzielle Ausstattung, um ihren Auftrag für uns alle auch in Zukunft erfüllen zu können", betonte Robbe am 14. März.

Er konstatierte, die Belastung der Truppe durch die Auslandseinsätze sei unverändert hoch. "Im Spannungsfeld zwischen wachsenden internationalen Verpflichtungen auf der einen und aus meiner Sicht knapp bemessenen Haushaltsmitteln auf der anderen Seite stößt die Bundeswehr immer deutlicher an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit", heißt es in dem knapp 70 Seiten starken Papier. Im Transformationsprozess der Bundeswehr sprach Robbe sich für eine Konsolidierungs-Phase aus, "in der der Truppe ausreichend Zeit und Mittel zur Verfügung gestellt werden, getroffene Entscheidungen und Konzepte auch umzusetzen."

147 "Besondere Vorkommnisse" mit Verdacht auf rechtsextremistischen oder fremdenfeindlichen Hintergrund verzeichnet der Jahresbericht. 65 Prozent der Verdächtigen waren Wehrdienstleistende. Ein ähnliches Bild zeichnet der Bericht beim Thema Drogenmissbrauch: Die meisten der 842 Fälle gab es bei den Mannschaftsdienstgraden, ein Großteil der aufgefallenen Soldaten habe schon vor dem Wehrdienst Kontakt mit Betäubungsmitteln gehabt. Keine gravierenden Probleme sieht der Wehrbeauftragte dagegen bei der Integration von Frauen in die Bundeswehr: Sie hätten sich "einen festen Platz im Gefüge der Streitkräfte erobert."

Rund 5.600 Eingaben erreichten den Wehrbeauftragten im Berichtsjahr 2005, exakt 5.436 davon wurden bearbeitet. Gut 66 Prozent der bearbeiteten Vorgänge beschäftigten sich mit den Themen "Menschenführung, Wehrrecht, Soldatische Ordnung" und mit Personalangelegenheiten von Zeit- und Berufssoldaten. Mehr als 3.600 Berufs- und Zeitsoldaten hatten sich an Robbe gewandt, dem stehen lediglich 429 Grundwehrdienstleistende und 198 Freiwillig länger Wehrdienst Leistende (FWDL) gegenüber.

Die Feststellungen, Bewertungen und Empfehlungen des Wehrbeauftragten wird das Verteidigungsministerium nun auswerten und voraussichtlich bis Mitte des Jahres dem Parlament eine Stellungnahme vorlegen.



Jahresbericht 2005 des Wehrbeauftragten "brav" aber enttäuschend!

Der neue Wehrbeauftragte Reinhold Robbe packt "heiße Eisen" nicht an!

Wie immer klafft bei Politikern "eine Lücke zwischen Sagen und Tun" - auch wenn es um die Bundeswehr geht. Und natürlich passieren im "Großbetrieb" Bundeswehr höchst ärgerliche Verfehlungen wie z.B. rüpelhaftes Verhalten einzelner Vorgesetzter, rechts- radikale und sexistische Entgleisungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch; kurz: Verstöße gegen das "Leitbild vom Staatsbürger in Uniform". Richtig, das alles findet Robbe nicht gut und fürsorglich fordert er - wie seine Vorgänger auch - die Soldaten/-innen in Ost und West sollten endlich gleichhoch und besser für ihr treues Dienen entlohnt werden.

Vieles hat der neue Wehrbeauftragte "brav" aufgelistet und erneut kritisiert. Den "heißen Eisen" geht er aber aus dem Weg!! Kein Wort zum letztinstanzlichen Urteil des Leipziger Wehrdienstsenates vom Juni 2005, der einen Major freisprach, der seinen dienstlichen Gehorsam aus Gewissensgründen einstellte, um durch sein Handeln auch nicht indirekt den völkerrechtswidrigen Krieg der USA gegen Irak zu unterstützen; wie es z.B. durch den AWACS-Einsatz deutscher Soldaten, Überflugerlaubnis für US-Kampflugzeuge, Spür-Panzer an der irakischen Grenze und Bereitstellung von Bw-Wachsoldaten für amerikanische Liegenschaften in Deutschland leider geschah. Keine Mahnung Robbes an die Politiker, die Bundeswehr nur rechtskonform einzusetzen und auch keine Mahnung an die Leitung des BMVg, alle Soldaten/-innen der Bundeswehr endlich über das Leipziger Urteil umfassend und korrekt zu informieren - wie es ihre "verdammte Pflicht und Schuldigkeit" wäre!

Auch keine Stellungnahme Robbes zum Fall des völkerrechtswidrigen Einsatzes von Sanitäts- soldaten der Bundeswehr in Kabul zu militärischen Sicherungsdiensten und zu der maßlosen Geldbuße und der Ablösung vom Auslandseinsatz, mit der eine Frau Hauptfeldwebel bestraft wurde, nur weil sie es wagte, die Rechtmäßigkeit dieses militärischen Befehls in Frage zu stellen. Das sind doch existenzielle Probleme für gewissenhafte Soldaten/-innen!

Da lässt Wehrbeauftragter Reinhold Robbe die Soldaten im Stich. Verständlich - könnte man meinen, denn diese "Grenzüberschreitungen" militärischer Einsätze hat auch Reinhold Robbe, bis Mai vorigen Jahres noch Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, persönlich mit zu verantworten!

Arbeitskreis Darmstädter Signal
Swisttal, den 15.03.2006


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