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Alle Jahre wieder in Mittenwald

Bundeswehr- und Wehrmachtsangehörige gedenken ihrer "Kameraden"

Von Christian Klemm *

Auch dieses Jahr marschiert der »Kameradenkreis der Gebirgsjäger« in Mittenwald auf, um der »Verdienste« von Wehrmacht und Bundeswehr zu gedenken. Besonders Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg haben sich schwerer Kriegsverbrechen schuldig gemacht. Gegen einen ist Anfang des Jahres Anklage erhoben worden: 1944 hat Josef Scheungraber 14 italienische Zivilisten hinrichten lassen.

Wieder einmal finden sich am Wochenende ehemalige Angehörige der Wehrmacht sowie hochrangige Soldaten der Bundeswehr im bayerischen Mittenwald ein, um ihrer »gefallenen Kameraden« zu gedenken. Vergangenes Jahr erwies Christian Schmidt, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, den Ehemaligen und Aktiven die Ehre. Doch das Ministerium scheint dieser Tage etwas zurückhaltender zu sein: Franz Josef Jung, seines Zeichens Verteidigungsminister und Oberkommandierender der Bundeswehr, macht den Soldaten nun doch nicht – wie angekündigt – seine Aufwartung. Auch ein trostspendendes Grußwort verweigert er ihnen.

Deutschlands größtes Soldatentreffen

Traditionell begeht der »Kameradenkreis der Gebirgsjäger«, dem unter anderem der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber angehört, eigentlich Pfingsten das größte Soldatentreffen der Bundesrepublik. Doch diesmal wurde der Termin auf dieses Wochenende vorverlegt, da die letztjährigen Proteste von Antifaschisten und Friedensaktivisten, die seit 2002 gegen das unsägliche Treffen mobilisieren, dem Provinznest das Tourismusgeschäft angeblich vermiesten. Unter dem Motto »...geben wir ihnen den Rest – Nie wieder Gebirgsjäger in Mittenwald« ruft zum 51. »Kriegsgedenken« auch ein antifaschistisches Bündnis zum Protest gegen diese »Traditionspflege« auf. Die Auftaktkundgebung findet am Samstag, 12 Uhr, auf dem Mittenwalder Dekan-Karl-Platz statt.

Die »Helden«, derer am Wochenende gedacht werden soll, kämpften für die »Ideale« der Nazis und machten sich entsetzlicher Kriegsverbrechen schuldig. Durch Historiker sind Massaker der Gebirgsjäger in der Sowjetunion, in Albanien, Finnland, Italien und Jugoslawien belegt. Exemplarisch für ihre Gräuel sind die Exekutionen auf der griechischen Insel Kephalonia: Dort erschossen Hitlers Elitesoldaten Tausende italienische Kriegsgefangene.

Jedoch fühlen sich die aufmarschierenden Militaristen nicht ausschließlich der Vergangenheit verpflichtet. Erinnert werden soll am Hohen Brendten wieder an die Soldaten, die in jüngster Zeit Deutschland am Hindukusch und anderswo verteidigen. Noch in diesem Jahr sollen laut Verteidigungsministerium sieben Verbände der Gebirgsjägerbrigade 23 nach Südosteuropa und Afghanistan entsand werden. Militärische Kontinuität lässt grüßen – ob Minister Jung die Reise nun absagt oder nicht. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, forderte die Bundesregierung auf, sich von der Veranstaltung zu distanzieren. Ansonsten bliebe »die Bundesregierung bei ihrer beschämenden Linie, mit extremen Rechten zu kooperieren«, so Jelpke gestern.

Trotz Verurteilung noch immer auf freiem Fuß

Aktuell für Schlagzeilen sorgt der nahe München lebende Altfaschist Josef Scheungraber. Wie die »Süddeutsche Zeitung« Anfang März berichtete, war der heute 89-jährige verantwortlicher Kompanieführer eines Gebirgspionierbataillons, das im Juni 1944 in dem toskanischen Dorf Falzano di Cortona 14 Zivilisten als Vergeltung für Angriffe italienischer Partisanen hingerichtet hat. 2006 wurde er von einem italienischen Gericht in Abwesenheit zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Das Urteil aber ist bisher nicht rechtskräftig und da deutsche Staatsbürger nicht an andere Staaten ausgeliefert werden, ist der Rentner noch immer auf freiem Fuß. Josef Scheungraber nahm vergangenes Jahr an den »Feierlichkeiten« in Mittenwald teil, strammstehend.

Die Staatsanwalt München hat im Januar diesen Jahres ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. Ob es zu einem Verfahren kommt, ist unklar, da der mutmaßliche Kriegsverbrecher dem zuständigen Landgericht München ein Attest vorgelegt hat, das ihm die Verfahrensunfähigkeit bescheinigt.

* Aus: Neues Deutschland, 3. Mai 2008

Bundeswehr kungelt offen mit Wehrmachtsanhängern

Die Bundesregierung hat eine Kleine Anfrage zur Gedenkfeier der Gebirgstruppen im bayerischen Mittenwald beantwortet (16/8822). Hierzu erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke:

Die Bundeswehr wird auch in diesem Jahr das revisionistische Gedenken an gefallene Wehrmachtssoldaten in Mittenwald unterstützen. Sie stellt 16 Soldaten als Ehrenposten, Verkehrsposten, Kranzträger und Kraftfahrer ab. Dabei kungelt sie erneut mit dem Kameradenkreis der Gebirgstruppe, der diese Feier Jahr für Jahr als Heldenfeier ausrichtet, Wehrmachtsverbrechen verschweigt und mit Rechtsextremisten zusammenarbeitet.

Eindrücklicher Beleg hierfür ist die Tatsache, dass der Präsident des Kameradenkreises bei der Feier im Vorjahr den österreichischen Brigadier Josef Puntigam willkommen hieß. Dieser schrieb das Vorwort zum Band „Geheime Krieger“, das vor zwei Jahren im rechtsextremen Verlag Pour-le-Mérite erschien. Puntigam rühmt ausdrücklich „die ungebrochene Traditionslinie, die von den legendären 'Brandenburgern' der Wehrmacht über die Antiterrorspezialisten der GSG 9 bis zum jüngsten deutschen Kommandoverband, dem KSK, reicht.“ Zu den Autoren gehörten Reinhard Günzel und ein ehemaliger SS-Offizier.

Die Bundesregierung sieht nach eigenen Worten „keine Veranlassung“, sich von solchen Sympathiebekundungen für Rechtsextreme und verbrecherische Wehrmachtseinheiten zu distanzieren. „Der Kameradenkreis war der einladende Veranstalter“ heißt es. Außerdem kommentiere die Regierung nicht „politische Äußerungen von Privatpersonen.“

Mit einer solchen Begründung könnten Staatssekretäre auch auf Parteitagen der NPD Grußworte sprechen. Die Bundesregierung bleibt bei ihrer beschämenden Linie, mit extrem Rechten zu kooperieren, und wenn sie dabei erwischt wird, die verfolgte Unschuld zu spielen. Sie sollte sich besser ein Vorbild am österreichischen Verteidigungsministerium nehmen, das seien Soldaten eindeutig verbietet, in Uniform an dem Treffen von Wehrmachtsverbrechern und Bundeswehrsoldaten teilzunehmen.

Die Antwort der Bundesregierung kann hier nachgelesen werden: Antwort der Bundesregierung ...




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