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Reform der Bundeswehr

Lamers (CDU) lobt Scharping (SPD)

Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte am 5. Juni 2000 ein Interview mit dem außenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Karl Lamers. Darin rückt er - völlig zu Recht - Scharpings Vorschläge zur Bundeswehr"reform" in die Nähe der CDU/CSU und attackiert - wahrscheinlich zu Unrecht - Fischer wegen dessen sicherheitspolitischer Zurückhaltung. Die wesentlichen Antworten von Lamers im Wortlaut:

Auf die Frage, was Lamers von Scharpings Plan halte, antwortete dieser:
"Es ist der zweite Vorschlag aus dem Verteidigungsministerium - der alte Generalinspekteur hat einen gemacht, jetzt macht der Minister selber einen. Das lässt auf erhebliche Mängel im Verfahren schließen. Insgesamt ist der Vorschlag Scharpings aber eine gute Grundlage für eine weitere Diskussion, in die man unbedingt auch den Vorschlag der Weizsäcker-Kommission einbeziehen muss." ...
"Die Zahlen Scharpings sind den Vorstellungen meiner Fraktion näher. Allerdings finde ich den analytischen und vor allem den europäischen Teil im Bericht der Weizsäcker-Kommission sehr gut. Auch dessen Überlegungen zur Wehrpflicht sind wertvoll. Sie haben sicherlich ihre Schwäche in der geringen Zahl der einzuziehenden Wehrpflichtigen. Aber da wir bei der Wehrgerechtigkeit ohnehin Schwierigkeiten bekommen könnten, sind die Überlegungen, die dort angestellt werden, in jedem Fall wert, weiter verfolgt zu werden.
...
"Jetzt muss eine sorgfältigere Lektüre aller Vorschläge folgen. Das gilt auch für uns. Alle müssen sich die Zeit nehmen für eine tabulose Diskussion, der sich bisher leider alle Parteien verschließen. Ein Tabu ist die allgemeine Dienstpflicht, die womöglich die Lösung des Problems ist. Denn noch hat mir keiner erklärt, wie es durchzuhalten sein soll, dass junge Frauen zur Bundeswehr dürfen, Männer aber müssen." Lamers setzt sich für einen überparteilichen Konsens in der Frage der Bundeswehr ein und kritisiert die enge Zeitplanung Scharpings (21. Juni Kabinettsbeschluss) (das Tempo ist "unanständig").
"Es ist unanständig gegenüber der Kommission, die man mit großem Aufwand und mit prominentem Vorsitz eingerichtet hat und die man jetzt überhaupt nicht ernst nimmt. Und es ist vor allem unanständig gegenüber der Bundeswehr. Die sicherheitspolitische Debatte erweist sich wieder einmal als kläglich und träge."
Insbesondere fehle ihm "ein Wort des Außenministers."
"Es ist doch nicht hinzunehmen, dass sich Fischer bislang zu diesem Thema überhaupt nicht geäußert hat. Ihm scheint die Vermeidung von Streit in der Koalition wichtiger zu sein als die Sicherheitspolitik. Dabei müsste gerade er nach seiner Europa-Rede ein Interesse daran haben, wenn es ihm ernst ist. Er muss doch die Frage beantworten: Welche Schlussfolgerungen sind zu ziehen aus dem Umstand, dass wir Europa als einen einheitlichen Sicherheitsraum betrachten und dass wir alle nur gemeinsam handeln können: innerhalb Europas und innerhalb der Nato."
Frage SZ: Was bedeutet das?
Lamers: "Stoiber hat recht, wenn er sagt, dass Sicherheit und Verteidigung am besten bei einem europäischen und nicht bei einem nationalen Gremium aufgehoben sind. Im Grunde geht es darum, eine europäische Armee aufzubauen, wie das die CSU konsequenterweise fordert. Ein Sicherheitsraum erfordert eine Armee. Und die hoffentlich letzte nationale Bundeswehrreform muss schon in diesem Lichte gestaltet werden."

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