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Militärpolitischer Einfluss soll wachsen

Bertelsmann-Tochter Arvato bewirbt sich um Übernahme von Bundeswehr-Logistik

Von Birgit von Criegern *

Der Mediengigant Bertelsmann könnte wachsenden Einfluss auf deutsche Militärpolitik gewinnen. Arvato, Tochter-Unternehmen des Konzerns, bewirbt sich nach Medienberichten um die Übernahme von Bundeswehr-Logistik.

Bis Sommer 2008 solle über die Auftragsvergabe für Transport und Lagerung von Material entschieden werden. Neben Arvato bewerben sich die Deutsche Bahn, der Flugzeug- und Rüstungskonzern EADS und weitere Transportunternehmen für Aufträge in Höhe von rund vier Milliarden Euro. Gelingt Arvato der Vertragsabschluss mit der Bundeswehr, der für zehn Jahre gelten soll, käme damit ein großer Teil der militärischen Infrastruktur in private Hand.

Arvato würde damit weiter aufstreben: Der Dienstleistungs- und Logistikkonzern hatte bereits seit 2006 in England und in der Bundesrepublik große Kommunalverwaltungsaufgaben privat übernommen. Tobias Pflüger, Abgeordneter der Linkspartei im EU-Parlament, hält den Schritt für bedenklich. »Jede Privatisierung bedeutet, dass ein Stück Kontrolle verloren geht. Wer hätte die Kontrolle über das Unternehmen, wenn es zu Problemen bei einer Lieferung käme«, fragt Pflüger.

Es wäre nicht der erste Ausflug des Bertelsmann-Konzerns in die deutsche Militärpolitik. Das Haus des Managers Reinhard Mohn kann bereits auf langjährige Einflussnahme auf EU-Militärpolitik zurückblicken. Die Leitmotive bei der Politikberatung durch die Bertelsmannstiftung, die größter Anteilseigner am Bertelsmann-Konzern ist, waren stets deutlich: außen- und innenpolitische Aufrüstung. Das Centrum für Angewandte Politikforschung (CAP) der Stiftung gab seit 1996 Strategiepapiere für eine »Supermacht Europa« mit »Konfliktdominanz nahe am Krieg Staat gegen Staat« heraus. Sitz des CAP ist die Ludwig-Maximilians-Universität München, Leiter ist der vom jüngsten großen Spesen-Abrechnungsskandal gebeutelte Professor Werner Weidenfeld. Bis zum Image-Schaden für die Bertelsmannstiftung im Oktober war Weidenfeld deren Vorstandsmitglied gewesen.

In der CAP-Studie »A European Defence Strategy« 2004 wird etwa für EU-Streitkräfte »eine deutliche Luftüberlegenheit und eine Schlagkraft, die von land- und seegestützten Plattformen operieren kann«, angeraten. Wahre Kriegsszenarios werden auch in der Studie »Die Kosten des Nichthandelns« 2006 beschworen. Als Begründung für Aufrüstung werden dabei terroristische Gefahren und Migrantenströme genannt. Ganz offen ist auch von globaler Rohstoffkontrolle die Rede.

Als »politisch sehr gefährliche Visionen« betrachtet Pflüger die CAP-Studien: »Da wird Europa als militärische Weltmacht angestrebt. In meiner Vorstellung sollte Europa jedoch weiterhin Zivilmacht bleiben.« Nicht zufällig sieht Pflüger Ideen aus den CAP-Papieren in Berichten von EU-Kommission und -Parlament widergespiegelt, »der Wortlaut unterscheidet sich allerdings noch«. Die Lobbytätigkeit der Stiftung hatte Pflüger in einem Beitrag in dem Buch »Netzwerk der Macht – Bertelsmann« aufgezeigt, das in diesem Jahr erschien. Er dokumentierte hierin die Doppelaktivitäten des EU-Abgeordneten Elmar Brok, der bis heute zugleich als Mitarbeiter der Bertelsmannstiftung tätig ist.

Netzwerk der Macht – Bertelsmann, hrsg.v. Torsten Bultmann u. Jens Wernicke, BdWi-Verlag 2007

* Aus: Neues Deutschland, 5. Dezember 2007


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