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Gegen den Missbrauch der Biowissenschaften

Jahreskonferenz der Biowaffen-Konvention tagt in Genf

Von Wolfgang Kötter *

Die 162 Mitgliedstaaten der Konvention über das Verbot Biologischer Waffen beraten ab heute (1.12.) wie das Abkommen den neuen Herausforderungen der modernen Wissenschaften angepasst werden kann. Rasant breitet sich die Biotechnologie gegenwärtig sowohl geographisch als auch quantitativ aus und daher ist es dringlicher denn je, Biowissenschaftler in die Bemühungen gegen den militärischen Missbrauch der Forschungsergebnisse einzubeziehen

Mehrere Themenkomplexe stehen auf der Tagesordnung. Zum einen geht es um nationale, regionale und internationale Maßnahmen zur Erhöhung der Bio- Sicherheit von Forschungslaboren und des physischen Schutzes von Pathogenen und Toxinen. Außerdem beraten die Tagungsteilnehmer darüber, wie das Problembewusstsein über die Gefahren der Biowissenschaften und --technologien entwickelt werden kann und welche Maßnahmen zur Aufklärung, Bildung und Erziehung der Bevölkerung ergriffen werden sollten. Schließlich geht es auch um ein gemeinsames Ethos, um Verhaltenskodizes für Biowissenschaftler zur Verhinderung verbotener biowissenschaftlicher Forschung für militärische Zwecke.

Bereits im August haben Experten zur Konferenzvorbereitung zahlreiche Ideen und Vorschlägen entwickelt. Zunächst aber ging es um eine klare Begriffsbestimmung und Unterscheidung zwischen "Biosafety" (Sicherheit) und "Biosecurity" (physischer Schutz). Die Bio-Sicherheit umfasst Maßnahmen, die Wissenschaftler und die Bevölkerung davor schützen sollen, durch Unfälle oder Unachtsamkeit bei der Forschung versehentlich mit Krankheitserregern infiziert zu werden. Durch den physischen Schutz von biologischen Agenzien hingegen soll die Gefahr minimiert werden, dass Krankheiterreger beispielsweise durch Terroristen oder Kriminelle absichtlich zum Auslösen von Massenerkrankungen, Seuchen oder Epidemien missbraucht werden. Auf eine Kurzformel gebracht liegt die Unterscheidung also darin, dass Biosafety Menschen vor gefährlichen Krankheitserregern schützt, während Biosecurity Krankheitserreger vor gefährlichen Menschen schützt.

An der Beratung nahmen neben den Diplomaten auch 180 Wissenschaftler teil. Außerdem waren Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE), des UN-Umweltprogramms (UNEP) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie Forscher aus zahlreichen Instituten eingeladen. Zu Ihren Anregungen für konkrete Maßnahmen gehört beispielsweise, allgemeinverbindliche internationale Standards für Bio-Sicherheit und physischen Schutz festzulegen; Risikoabschätzungen vorzunehmen und das Management von Krankheitserregern zu verbessern; die Sicherungsmaßnahmen für Forschungslabore einschließlich der Sicherheitsüberprüfung von Wissenschaftlern zu stärken und den unbefugten Zugang zu Hochrisiko-Einrichtungen zu verhindern.

"Dieses Treffen hat uns einen großen Schritt vorwärts gebracht", resümierte Georgi Awramjew aus Mazedonien, der damalige Tagungsleiter und jetzige Konferenzpräsident: "Die Anzahl und die Vielfalt der Teilnehmer hat bestätigt, dass die B-Waffen-Konvention das ideale Forum für die Bemühungen ist, die Lebenswissenschaften ausschließlich zum Wohle der Menschheit zu nutzen."

Das Bekenntnis zur Biowaffenkonvention ist nicht selbstverständlich, denn so nützlich Konferenzen wie die heute beginnende auch sind. Sie können den Grundmakel des Abkommens nicht tilgen. Er besteht im Fehlen eines wirksamen Verifikations- und Sanktionssystems. Dabei war ein entsprechendes Zusatzprotokoll, das die Wirksamkeit des Verbots erheblich gestärkt hätte, bereits vor sieben Jahren so gut wie unterschriftsreif. Doch es scheiterte in letzter Minute an einer Blockade der USA, die ihre teilweise verbotenen Biowaffenprogramme bis heute vor internationalen Kontrollen abschirmen wollen. Erst im Jahre 2011 kann auf der nächsten Überprüfungskonferenz ein neuer Anlauf unternommen werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Obama-Regierung in Washington dann konstruktiver an die Biowaffen-Konvention herangehen wird.

Biologische Waffen

Unter biologischen oder bakteriologischen Waffen werden Kleinstlebewesen (Mikroorganismen) oder künstlich hergestellte mikrobiologische Stoffe verstanden, die Krankheiten, Massenepidemien oder Tod bei Menschen, Tieren und Pflanzen verursachen können. Biologische Waffen werden in Bakterien, Rickettsien, Viren, Pilze und Toxine klassifiziert. Dazu gehören unter anderem der Milzbranderreger Bacillus anthracis, außerdem die Verursacher von Pocken, Ebola-, Lassa- und Marburgfieber aber auch das Leberkrebs hervorrufende Aflatoxin. Weiterhin zählen dazu die Erregerbakterien von Pest, Tularämie, Cholera, Diphtherie und Salmonellen. Ebenfalls verboten sind Gifte, wie Botulin, Rizin und das Tetanus-Toxin, die nicht für friedliche Zwecke bestimmt sind.

Themen der jährlichen Fachkonferenzen:

2009:
  • Ausweitung der internationalen Kooperation zum Austausch von biowissenschaftlichen Erkenntnissen und Technologien für friedliche Zwecke.
  • Schaffung von Kapazitäten bei der Früherkennung, Diagnose und Eindämmung von Infektionskrankheiten.
2010:
  • Koordinierung von Hilfsmaßnahmen relevanter Organisationen bei vermuteter Anwendung biologischer oder toxischer Waffen.
  • Verbesserung der Fähigkeiten zur Krankheitserkennung, Überwachung und Diagnose sowie der nationalen öffentlichen Gesundheitssysteme.
Ein besonders hohes Missbrauchspotenzial besitzen biowissenschaftliche Experimente, die:
  1. Demonstrieren, wie Impfstoffe für Menschen und Tiere unwirksam gemacht werden können; Resistenzen gegen therapeutisch wirksame Mittel wie Antibiotika oder Virustatika für Menschen, Tiere und Pflanzen hervorrufen;
  2. die Gefährlichkeit von Krankheitserregern für Menschen, Tiere und Pflanzen erhöhen bzw. ungefährliche Erreger gefährlich machen;
  3. die Übertragbarkeit von Erregern erhöhen;
  4. das Wirtsspektrum von Erregern verändern;
  5. Nachweismethoden unwirksam machen;
  6. die Munitionierung von Erregern ermöglichen.
Quelle: Fink Report, National Research Council: Biotechnology Research in an Age of Terrorism, National Academy Press, Washington 2004



* Eine gekürzte Version dieses Beitrags erschien unter dem Titel "Stoppzeichen für biologische Waffen" in: Neues Deutschland, 1. Dezember 2008


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