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Biowaffen im Visier

Überprüfungskonferenz berät über die Stärkung der B-Waffen-Konvention

Von Wolfgang Kötter *

Am Europäischen UNO-Sitz in Genf tagt zurzeit (5.-22.12.) die Überprüfungskonferenz zur Konvention über das Verbot biologischer Waffen. Es ist die 7. Veranstaltung dieser Art, die alle fünf Jahre stattfindet, und sie soll einen spürbaren Beitrag zur Stärkung des Abkommens leisten. Unter Vorsitz von Paul van den IJssel werden die Vertreter der 165 Mitgliedstaaten sowohl einschätzen wie das Verbot bisher funktioniert als auch welche neuen Entwicklungen zukünftig berücksichtigt werden müssen. „Was bedeutet der enorme Fortschritt vor allem auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften für die Konvention und den gesamten Bedingungsrahmen des Abkommens?“, formuliert der holländische Diplomat eine vordringliche Frage, auf die die Konferenz eine Antwort finden muss: „Ich glaube, es gibt keinen anderen Bereich von Wissenschaft und Technologie, der so schnell wächst wie die Lebenswissenschaften, die direkt mit der Konvention verbunden sind.“ Diese umfassen außer der Biologie auch verwandte Bereiche wie Medizin, Biochemie, Molekular- und Zellgenetik, aber auch die Synthetische Biologie. Ja, sie reichen sogar bis in die Human- und Sozialwissenschaften hinein.

Vertrauensbildung statt Kontrolle

Von einem solchen breiten Ansatz war natürlich noch nicht die Rede als das Abkommen vor vier Jahrzehnten ausgehandelt wurde. Damals ging es vorrangig darum, den Missbrauch von Krankheitserregern für nichtfriedliche Zwecke zu verhindern. Das Übereinkommen untersagt neben der Anwendung ebenso die Entwicklung, Herstellung und Lagerung von Biowaffen, sowie deren Besitz und verlangt darüber hinaus die Vernichtung vorhandener biologischer Kampfstoffe. Durch die Konvention wurde also erstmals eine ganze Kategorie von Massenvernichtungswaffen einschließlich ihrer Ausrüstungen und Trägermittel vollständig aus den Militärarsenalen der Staaten verbannt. Das Verbot erfasst lebende Organismen oder von diesen gewonnene infektiöse Materialien - Bakterien, Viren und Pilze -, die bei Menschen, Tieren oder Pflanzen zu Krankheit oder Tod führen. Die Konvention verbietet alle natürlich oder künstlich hergestellten mikrobiologischen und anderen biologischen Stoffe sowie Toxine, die nicht für friedliche Zwecke bestimmt sind. Bakteriologische Kampfstoffe können z.B. Cholera, Typhus und Pest sowie viele Tierkrankheiten hervorrufen.

Angesichts der neuen Unübersichtlichkeit bei den Biowissenschaften werden die Konferenzteilnehmer ebenfalls darüber beraten, wie die Vertragsbestimmungen wirksamer und zuverlässiger umgesetzt werden können, denn bisher gibt es dafür kein Kontrollsystem. Ein bereits vor elf Jahren ausgehandeltes Zusatzprotokoll hatte die damalige Bush-Regierung blockiert. Da Washington und einige andere Staaten weiterhin eine rechtsverbindliche Verifikation ablehnen, muss nach neuen Wegen gesucht werden. US-Diplomatin Laura Kennedy hat bereits im Vorfeld keinen Zweifel gelassen: „Ein Verifikationsregime ist heute nicht machbarer als es 2001 war.“ Aber andere pragmatische und konstruktive Dinge wären möglich, um Transparenz zu fördern. Von der noch in dieser Woche anreisenden Außenministerin Hillary Clinton werden dazu konkrete Vorschläge erwartet. Ein möglicher Kompromiss könnte darin bestehen, die vereinbarten vertrauensbildenden Maßnahmen weiter auszubauen, denn daran hapert es bisher. So hat im vergangenen Jahr nicht einmal die Hälfte, nämlich 72 Staaten, die jährlich abzugebenden Berichte über ihre biowissenschaftlichen Aktivitäten geliefert. Mehr Transparenz erscheint ebenfalls bei der militärischen Forschung und Entwicklung zur Biowaffenabwehr nötig zu sein. Sie ist zwar im Vertrag erlaubt, praktisch kann aber kaum zwischen offensiven und defensiven Zwecken unterschieden werden.

Vom Mini-Sekretariat zur B-Waffen-Organisation?

Gegenüber anderen Abrüstungsverträgen wie beispielsweise der Chemiewaffenkonvention mit 188 Mitgliedern oder dem Atomwaffensperrvertrag, der sogar 190 Teilnehmer vereint, steht die Biowaffenkonvention deutlich zurück, denn diese verfügen über eigenständige Vertragsorganisationen. Um dennoch die Erfüllung der Vertragsbestimmungen zu erleichtern, bildete die vergangene Überprüfungskonferenz die zunächst zeitlich befristete „Implementation Support Unit“. Optimisten sehen das dreiköpfige Team als einen möglichen ersten Schritt zu einer permanenten Betreuungsinstitution für die Konvention. Das im Genfer UN-Abrüstungsbüro angesiedelte Mini-Sekretariat unter Leitung des Australiers Richard Lennane unterhält die Kontakte zu den Vertragsstaaten ebenso wie zu biowissenschaftlichen Einrichtungen und andern internationalen Institutionen. Es leistet administrative Unterstützung, nimmt die jährlichen Berichte über vertrauensbildende Maßnahmen entgegen und betreut die Überprüfungs- und Jahreskonferenzen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Konferenz das Mandat der Gruppe verlängern und sie möglicherweise sogar personell verstärken.

Nicht zuletzt kommt es darauf an, die Mitgliederzahl zu erhöhen, denn der Schutz vor Biowaffenangriffen ist ein globales Anliegen und erfordert universelle Zusammenarbeit. Zu den immer noch abseits Stehenden gehören wichtige Länder aus dem Nahen Osten wie Ägypten und Syrien, die ihre Haltung mit dem Kernwaffenbesitz Israels begründen, das ebenfalls nicht beigetreten ist. Außerdem fehlen weitere Staaten vornehmlich aus Asien und Afrika. Oft sind die Gründe Desinteresse an Biowaffen oder schlicht andere wirtschaftliche und entwicklungspolitische Prioritäten. Um die Situation zu verbessern, will der Konferenzpräsident der im Vertragsartikel 10 vorgesehenen Unterstützung bei der friedlichen Nutzung der Biowissenschaften gebührenden Raum in der Diskussion gewähren. “Zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt sind die Mitgliedstaaten der Biowaffenkonvention in der Lage, bedeutsame Schritte voran zu gehen, um die Zukunft der Konvention zu gestalten“, verbreitet der designierte Konferenzpräsident Optimismus, „Wir sollten – und wir müssen - das nutzen“

Nichtmitglieder der B-Waffen-Konvention

Ägypten, Andorra, Angola, Dschibuti, Eritrea, Guinea, Haiti, Israel, Kamerun, Kiribati, KDVR, Liberia, Malawi, Marshallinseln, Mikronesien, Myanmar, Namibia, Nauru, Sambia, Simbabwe, Somalia, Syrien, Tansania, Tschad, Tuvalu.

Vertrauensbildenden Maßnahmen im Rahmen der B-Waffen-Konvention
  • Austausch von Angaben über biowissenschaftliche Forschungsaktivitäten, Pharmaherstellern sowie Einrichtungen und Labors mit sehr hohen Sicherheitsstandards.
  • Informationsaustausch über auftretende infektiöse Krankheiten und Vergiftungserscheinungen, die hinsichtlich Entwicklung, Ort und zeitlichem Auftreten vom Normalen abweichen.
  • Erklärung von relevanten Gesetzen, rechtlichen Regelungen und Maßnahmen.
  • Förderung von Forschungspublikationen und Wissenschaftlerkontakten.


* Dieser Beitrag erschien - gekürzt - im "neuen deutschland" vom 6. Dezember 2011


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