Forschung an "nicht-tödlichen" Waffen in den USA
Genmanipulierte Mikroorganismen zur Zerstörung von Materialien
Vom Sunshine-Project erhielten wir folgenden Hintergrundartikel über eine weitere Besorgnis erregende Entwicklung in den USA.
Kaum ein Werkstoff ist vor natürlichen Zersetzungsprozessen sicher - vom
Kölner Dom bis
hin zu Unterwasserkabeln und Gartenstühlen sind praktisch alle
erdenklichen Materialien
allzeit gefräßigen Mikroorganismen ausgeliefert. Diese mikrobielle
Zerstörungswut kann
auch für konstruktive Zwecke gezielt eingesetzt werden, z.B. für die
Aufreinigung von
kontaminierten Böden. Die natürlichen Bakterien und Pilze sind in der
Regel jedoch recht
langsam und unzuverlässig. Erst mit Hilfe der Gentechnologie lassen
sich sehr viel
effektivere Mikroorganismen herstellen - so effektiv, dass die sich
auch für den Einsatz als
Biowaffe eignen könnten.
In einem englischsprachigen Hintergrundbericht (als pdf) hat das
Sunshine Project
verschiedene militärische Forschungsprojekte in den USA
zusammengefasst, die sich im
Graubereich zwischen Umweltschutz, biologischer Abwehrforschung und
der Entwicklung
von offensiven Biowaffen bewegen. Schon werden erste Stimmen bei den
US-Militärs laut,
die eine Lockerung der Biowaffen-Konvention einfordern, um die neuen,
nicht-tödlichen
Organismen auch entwickeln und einsetzen zu dürfen. Die deutsche
Bundesregierung
leistet moralische Schützenhilfe und bewertet die Entwicklung und den
Einsatz Material
zerstörender Organismen schlicht als friedliche Maßnahme.
Noch steckt die Gentechnik an Material zerstörenden Mikroorganismen
in den
Kinderschuhen. Für die private Industrie rechnet sich die Technik in
zivilen Projekten
offensichtlich nicht, zudem ist die Freisetzung gentechnischer
Organismen mit erheblichen
Umweltrisiken behaftet und wird in den USA vergleichsweise rigide von
der Umweltbehörde
EPA reguliert. Damit erklärt sich, dass einschlägige
Forschungsarbeiten zum größten Teil
vom amerikanischen Militär betrieben werden. Einige dieser Arbeiten
dienen offensichtlich
und unzweideutig rein zivilen Zwecken, z.B. der Aufreinigung von
verschmutzen Böden oder
Gewässern. So wurde an der Uniformed Services University in Maryland
ein gegen
Radioaktivität resistentes Bakterium derart genverändert, dass es mit
Quecksilber
verseuchte Böden aufreinigen kann.
Eindeutig offensiven Charakter hingegen hat die Entwicklung von
Pilzen, die den Kunststoff
Polyurethan zersetzen. Zur Anwendung dieser mittlerweile patentierten
Pilze und ihrer
Produkte schreibt der Forschungsleiter aus den Naval Research
Laboratories: "Es ist gut
möglich, dass mikrobiell produzierte Esterasen benutzt werden, um den
Schutzanstrich von
Flugzeugen zu zerstören, um so deren Entdeckung und Abschuss zu
erleichtern".
Derartige Forschungsarbeiten werden flankiert von wiederholten
verbalen Angriffen auf die
Biowaffen-Konvention. Bereits 1995 hat ein Zirkel hochrangiger
US-Militärs mit Blick auf die
nicht-tödlichen biologischen Waffen eine "regelmäßige Aktualisierung"
der Konvention
gefordert. Nach bisheriger Lesart verbietet die Konvention jegliche
Art von biologischer
Kriegsführung, auch die nationale US-Gesetzgebung bezieht
ausdrücklich Organismen in
das Verbot mit ein, die gegen "Ausrüstung, Versorgungsgegenstände
oder Material
jeglicher Art" gerichtet sind. Deshalb wird die Forschung in den
Naval Research Laboratories
noch als Abwehrforschung deklariert, obwohl dies wenig glaubwürdig
erscheint, wenn
gleichzeitig die zerstörerischen Bakterien patentiert und
Selbstmordgene entwickelt
werden, um die Bakterien nach einer Freisetzung in die Umwelt
zeitlich und räumlich
kontrollieren zu können.
Kurz vor ihrem 30. Geburtstag am 10. April steht damit die
Biowaffen-Konvention vor einem
weiteren Problem. Das bislang geltende umfassende Verbot biologischer
Waffen droht jetzt
ausgehöhlt zu werden. Dahinter steht einerseits die Revolution in der
Bio- und
Gentechnologie, die erst die technischen Voraussetzungen für die
Material zersetzenden
Waffen liefert, und andererseits die veränderte Weltlage nach
Beendigung des kalten
Krieges, in der das Militär für die veränderten militärischen
Konfliktformen - von
friedensschaffenden Maßnahmen bis zum Krieg gegen den Terror - nach
neuartigen Waffen
verlangt.
Die Position des Auswärtigen Amtes in dieser Frage muss bislang als
schweigende
Zustimmung zu den US-amerikanischen Projekten gewertet werden. Im
vergangenen
November hat es auf eine Anfrage der PDS-Fraktion nach der
rechtlichen Bewertung der
Entwicklung und des Einsatzes (!) von Material zerstörenden
biologischen Agenzien schlicht
geantwortet: "Artikel I BWÜ [Biowaffen-Übereinkommen] erlaubt
ausdrücklich Maßnahmen
zu Vorbeugungs-, Schutz- und sonstigen friedlichen Zwecken" (hier das
Originaldokument).
Damit hat die rot-grüne Bundesregierung in ihrer bislang einzigen
öffentlichen
Stellungnahme zu diesem Thema, wohlwollend betrachtet, eine
unkritische Haltung
signalisiert. Solange aus Deutschland und Europa kein eindeutiger
Gegenwind kommt
werden diejenigen Kräfte in den USA gestärkt werden, die jetzt schon
massiv auf eine
Aushöhlung der Biowaffen-Konvention hinarbeiten.
Auf internationalem Parkett wird es in den kommenden Monaten auf zwei
Konferenzen die
Möglichkeit zu einer Intervention geben. Zum einen wird die Fünfte
Überprüfungskonferenz
der Biowaffen-Konvention im November fortgesetzt. Dort können und
müssen die
Vertragsstaaten in der gemeinsamen Abschlusserklärung die Entwicklung
Material
zerstörender Waffen ausdrücklich ächten. Zum anderen findet im April
in Den Haag eine
Staatenkonferenz zum Cartagena-Protokoll statt, das international den
Umgang mit
gentechnisch veränderten Organismen regelt und inhärent ihren Einsatz
zu kriegerischen
Zwecken zumindest außerhalb der eigenen Staatsgrenzen verbietet.
Die Langfassung des Papiers im pdf-Format ist auf der Homepage des Sunshine-Projects zu haben:
www.sunshine-project.de
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