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Neues an der afrikapolitischen Front: Ein Kommentar zur Ausrichtung der neuen "Afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung"

Von Heinz Werner Wessler, Kommission "Solidarität mit Zentralafrika" *

Trotz humanitärer Katastrophe in Südsudan und Boko Haram in Nigeria/Kamerun herrscht derzeit Aufbruchstimmung in der Afrikapolitik der Industrieländer des Nordens. Das Wort vom „verlorenen Kontinent“ ist derzeit aus der Mode, stattdessen herrschen angesichts des anhaltend hohen Wirtschaftswachstums in einigen Subsahara-Staaten optimistische Prognosen vor. Auf dieser Welle des Afrika-Optimismus, so scheint es, will auch das Außenministerium in Berlin mit reiten und das Afrika-Dossier nicht gänzlich der Entwicklungszusammenarbeit überlassen.

Das am 26. Mai veröffentlichte 15-seitige Papier der Bundesregierung benennt Afrika sogar als „Kontinent der Zukunft“, will aber auch – wie sollte es anders sein – der „Komplexität der Herausforderungen des Kontinents“ genügen. Es sieht Afrika nicht nur als Rohstofflieferant sondern aufgrund der demographischen Entwicklung auch als riesigen Absatzmarkt. Das Problem ist aus dieser Sicht die politische Instabilität, die aus dieser Perspektive durch einen Mix von Entwicklungszusammenarbeit, diplomatisch-politischem Konfliktmanagement und Militärhilfe bekämpft werden soll.

Die Hilfe, die Deutschland anbietet, ist selbstverständlich die berühmte „Hilfe zur Selbsthilfe“, im zivilen wie auch im militärischen Bereich. Neben allerlei edlen Zielen wie regionale Integration, Frieden und Menschenrechte, sollen Fluchtursachen reduziert, rechtsstaatliche Strukturen gefördert, Rohstoffe verantwortlich genutzt, Handel und Wissenschaftsaustausch gefördert und auch noch der Klimawandel begrenzt werden. Es geht auch um Kohärenz mit den Vereinten Nationen und der EU.

Darüber hinaus soll die Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur (APSA) gestützt, die „Früherkennung von Krisen“ gestärkt und im sicherheitspolitischen Bereich „afrikanische Eigenverantwortung … zur erfolgreichen Krisenprävention und wirksamen Krisenreaktion“ gefördert werden, wobei die Bundeswehr zum Einsatz vorgesehen ist. „Damit trägt die Bundeswehr mittel- bis langfristig zur Entwicklung demokratisch orientierter Streitkräfte in Afrika bei.“ Es folgt ein verschachtelter Satz, der das Törchen für die Bundesregierung öffnet, „sich bei schwerwiegenden Krisen zur Herstellung von Frieden und Sicherheit auch unmittelbar zu engagieren“, das heißt militärisch.

Die „Afrikapolitischen Leitlinien“ sind wenig innovativ. Nichts Neues zum maffiösen Rohstoffhandel, zur Frage der Zertifizierung von Rohstoffen, und nicht mehr als Floskeln zur Zivilen Konfliktprävention und Konflikttransformation. Keine neue Idee zu den Gründen für den Migrationsdruck in Richtung Festung Europa. Kein Wort zu legalen oder illegalen Waffenexporten. Fast alles lässt sich in den Vorgängerpapieren seit mindestens den 1980er Jahren wiederfinden. Doch neu kann sich die Bundesregierung in Zukunft auf diese Richtlinien berufen, wenn sie zum Beispiel von den französischen Partnern in Zukunft noch einmal gedrängt wird, bei Militäreinsätzen im frankophonen Afrika mitzumachen. Die Bundesrepublik ist ein international wenig bedeutender Akteur in der Afrikapolitik der westlichen Industriestaaten, doch sie signalisiert bereitwillig, dass sie die sich vollziehende Militarisierung der Afrikapolitik der westlichen Industriestaaten mitträgt. Das Tor zu zukünftigen Bundeswehreinsätzen in Afrika ist offen.

* Quelle: Website von pax christi, 4. Juni 2014; http://www.paxchristi.de


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