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Wahlkampf im Rosengarten

Wenig Zeit, aber viele Themen und Streitpunkte in Washington

Von Olaf Standke *

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am Donnerstag (25. Juni) zu ihrem offiziellen Antrittsbesuch in Washington aufgebrochen. Für heute (26. Juni) ist ein Vier-Augen-Gespräch mit Präsident Barack Obama im Weißen Haus geplant.

»Die Zeit wird knapp und uns nicht langweilig werden«, ist sich die Kanzlerin angesichts der Themenfülle für ihre Antrittsvisite bei Präsident Obama sicher. Natürlich hätte man alles auch per Videokonferenz erörtern können, aber Bilder einer gemeinsamen Pressekonferenz aus dem Rosengarten des Weißen Hauses machen sich halt immer besser, nicht zuletzt mit Blick auf den Wahlkampf im eigenen Lande. Da nimmt man gern auch einen anstrengenden 40-Stunden-Trip in Kauf. Bei ihren bisherigen drei Begegnungen haben beide Regierungschefs stets betont, wie gut man miteinander könne, und trotzdem wird ein wirklich vertrautes Verhältnis Obamas zu Bushs einstiger Lieblingsverbündeten stets aufs Neue in Frage gestellt. Auch weil es bei wichtigen Problemen weiter unterschiedliche Positionen gibt, nicht nur in der Guantanamo-Frage.

So betonte Merkel gestern vor ihrer Abreise, dass in den USA zwar beim Klimaschutz vieles in Bewegung geraten sei. Es gebe aber auch noch »ein Riesenstück Arbeit zu bewältigen«. Im Klartext heißt das: Während Deutschland und die Europäer mit ihren Klimaschutzzielen bei den Ende des Jahres in Kopenhagen anstehenden Verhandlungen über eine Nachfolgeregelung für das Kyoto-Abkommen bis 2020 eine Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes um 20 Prozent anpeilen, sind die USA trotz des von Obama eingeleiteten Wandels weit von solchen Marken entfernt. Vielmehr beäugen sie sich vor allem mit China und fordern wechselseitig Bewegung beim Rivalen - bevor man sich selbst bewegen will. Merkel will nun Obama dazu bringen, schon auf dem G 8-Gipfel nächsten Monat in Italien auf die europäische Linie einzuschwenken.

Auch bei der Bewältigung der globalen Finanzkrise gehen die Positionen jenseits der beschlossenen Regulierung der Märkte schnell auseinander. Vor allem sieht man in Berlin mit Sorge, wie die Obama-Regierung versucht, der Probleme ohne ausreichende Haushaltsdisziplin mit dem Drucken von Geld Herr zu werden und so möglicherweise den Keim für die nächste Krise legt.

Ob Washington weiter auf ein auch auf den Süden des Landes ausgeweitetes Kriegsengagement Deutschlands in Afghanistan drängt, bleibt abzuwarten. Nicht nur, weil sich die Bundesregierung inzwischen bereit erklärt hat, bis zu 300 deutsche Soldaten für den Einsatz von AWACS-Aufklärungsflugzeugen der NATO bereitzustellen. Die verheerende Strategie der Bündnispartner hat längst auch in Nordafghanistan zu einer dramatischen Verschärfung der Sicherheitslage geführt.

So gar nicht initiativ ist die Kanzlerin, wenn es um die atomare Abrüstung geht. Gerade hat sie sich zusammen mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy für die Beibehaltung von Kernwaffen ausgesprochen und sich damit »gegen Barack Obamas Vision einer kernwaffenfreien Welt gestellt«, wie der SPD-Abrüstungsexperte Rolf Mützenich kritisiert. Diese Haltung müsse die Kanzlerin korrigieren und insbesondere für die Abrüstung aller taktischen Nuklearwaffen in Europa und Russland eintreten - was auch den überfälligen Abzug der verbliebenen US-amerikanischen Atombomben von deutschem Boden bedeutet.

Aber Angela Merkel will ja mit diesem Kurztrip vor allem auch mehr persönliche Nähe zu Barack Obama schaffen, wie zu hören ist. Nachdem sie unlängst in dessen Biografie geblättert habe, sei ihr besonders haften geblieben, dass seine Halbschwester Auma in den 1980er Jahren in Heidelberg Sprachwissenschaften studierte. Ob das ein guter Anknüpfungspunkt ist, sei dahingestellt. Auma Obama fühlte sich dort eher fremd und isoliert. Ihr Urteil über Deutschland fiel wenig schmeichelhaft aus.

Lexikon - Warburg-Preis

Angela Merkel sollte gestern Abend (25. Juni) in Washington mit dem Warburg-Preis ausgezeichnet werden. Mit dieser Ehrung will der Verein Atlantik-Brücke den Einsatz der Bundeskanzlerin für die Stärkung der transatlantischen Beziehungen würdigen. Der Namensgeber des Preises, Eric M. Warburg, floh 1938 vor den Nazis in die USA und kehrte 1945 als Oberstleutnant der US-Luftwaffe zurück. Als Freund und Berater des Hohen Kommissars in Deutschland, John J. McCloy, nahm er wesentlichen Einfluss auf die Politik der Siegermacht. Dem in Hamburg geborenen Bankier schreibt man u.a. zu, dass in der damaligen amerikanischen Besatzungszone frühzeitig Demontagen beendet und Reparationsleistungen ausgesetzt worden sind.

Die Atlantik-Brücke wurde 1952 während des Kalten Krieges als private Organisation gegründet. Washington suchte damals nach Möglichkeiten der informellen Einflussnahme auf die BRD. Der Export US-amerikanischer Ideen wurde z.B. durch den New Yorker Council on Foreign Relations betrieben, eine Denkfabrik der Regierung. Sie soll auch an der Gründung der Atlantik-Brücke beteiligt gewesen sein, die sich nicht nur der Förderung des deutsch-amerikanischen Verständnisses verschrieben hat, sondern zugleich konkrete Lobbyarbeit leistet. Der Unternehmer Arend Oetker beschrieb diese einmal so: »Die USA werden von 200 Familien regiert, und zu denen wollen wir gute Kontakte haben.«

Zu den Mitgliedern des Vereins mit Sitz im Berliner Magnus-Haus zählen rund 500 führende Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, den Medien und Wissenschaften. Vorsitzender der Atlantik-Brücke ist Airbus-Chef Thomas Enders, Ehrenvorsitzender der einstige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep.

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* Aus: Neues Deutschland, 26. Juni 2009


Zankapfel Guantanamo

Olaf Standke **

Die SPD macht Druck. Zuletzt war es Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, die sich vor der Abreise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Richtung Washington für deutsche Hilfe bei der Schließung des berüchtigten Gefangenenlagers Guantanamo stark gemacht hat. »Wenn Obama um Hilfe bittet, sollten wir dann auch konstruktiv prüfen, wie wir unseren Beitrag leisten können.« Schließlich habe Merkel dem USA-Präsidenten bei seinem Dresden-Besuch zugesagt, sich an der Lösung des Problems zu beteiligen - und das heißt Aufnahme von Insassen.

Der zuständige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich dazu aber noch nicht bereit erklärt. Die von Washington gewünschte Überstellung von neun Uiguren lehnte die Bundesregierung bereits ab. Die beiden aktuellen US-amerikanischen Anfragen zur Aufnahme eines Tunesiers und eines Syrers werden noch geprüft. Nach Ansicht des Bundesinnenministeriums reichen die bisher vorliegenden Unterlagen nicht aus, um beurteilen zu können, wie gefährlich die beiden Häftlinge seien.

USA-Präsident Obama, der das Lager bis Januar 2010 schließen will, ist in dieser Frage auch ohne Illusionen und hat schon bei seinem Dresden-Besuch erklärt, er gehe »nicht davon aus, dass wir in den nächsten zwei oder drei Monaten eine Lösung finden, sondern es wird ein längerer Prozess der Bewertung sein«. Eine Klärung ist so auch bei Merkels offiziellem Antrittsbesuch nicht zu erwarten.

Das wird auch den innenpolitischen Druck aufrecht halten. Nicht nur Amnesty International weißt darauf hin, dass inzwischen schließlich zahlreiche europäische Länder zu Unrecht in Guantanamo Inhaftierte übernommen oder deren Aufnahme in Aussicht gestellt hätten. Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi etwa brachte in der Vorwoche beim Besuch im Weißen Haus als Gastgeschenk eine Zusage mit: Italien will drei Lagerinsassen aufnehmen. Auch Spanien und Portugal haben sich bereit erklärt. Frankreich nahm bereits im Mai einen Insassen auf. Zuletzt war es den USA gelungen, neun Guantanamo-Häftlinge auf die Bermuda-Inseln, nach Saudi-Arabien, Irak und Tschad auszufliegen - »die meisten Transfers binnen einer Woche seit über einem Jahr«, so Obamas Guantanamo-Beauftragter Matthew Olsen. Die geplante Überstellung von 13 uigurischen Gefangenen in den pazifischen Inselstaat Palau stockt dagegen, weil einige das Angebot nicht annehmen wollen.

Noch immer sitzen etwa 230 Menschen in Guantanamo ein, und für das Gros ist der Verbleib völlig unklar. Zumal auch der eigene Kongress Obama Knüppel zwischen die Beine wirft und eine Überstellung von Guantanamo-Insassen in die USA ebenso ablehnt wie vom Präsidenten angeforderte Finanzmittel für die Schließung des Lagers.

* Aus: Neues Deutschland, 26. Juni 2009


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