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Ein Herz und eine Seele

Die Kanzlerin bei Bush: Viel Übereinstimmung in Sachen Iran, Afghanistan und Naher Osten

Im Folgenden dokumentieren wir zwei Artikel über den Staatsbesuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel bei US-Präsident Bush auf dessen Ranch in Crawford. Er fand am 10. November 2007 statt.
Die gemeinsame Pressekonferenz der beiden haben wir (englisch und z.T. deutsch) hier dokumentiert: "Dann muss eine neue Runde von Sanktionen beschlossen werden".



Crawford zeigte die Differenzen

Kanzlerin Merkel und US-Präsident Bush betonten bei ihrem Treffen aber den Konsens *

Bei ihren Beratungen im texanischen Crawford haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident George W. Bush die Gemeinsamkeiten in der Politik beider Länder herausgestrichen. In wichtigen politischen Fragen, die zur Sprache kamen, bestehen aber Differenzen. Besonders deutlich sind diese in der Klimapolitik und der Frage einer deutschen Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat. Wenige ausgeprägt, aber erkennbar, sind sie in der Iran- und Afghanistanpolitik.

IRAN: Merkel und Bush sind sich einig, dass eine atomare Aufrüstung Irans verhindert werden muss. Beide hoffen darauf, Iran diplomatisch zur Aufgabe seines Atomprogramms zu bewegen. Die USA haben kürzlich ihr Embargo gegen Iran einseitig verschärft. Deutschland will unilaterales Vorgehen zunächst vermeiden und setzt auf weitere Sanktionen durch den Sicherheitsrat, wo aber die Vetomächte China und Russland bremsen.

Um den Druck zu erhöhen, brachte Merkel in Crawford eine künftige Einschränkung der deutschen Handelsbeziehungen ins Spiel. Die USA halten sich zudem im Grundsatz die militärische Option offen, wofür es in Berlin derzeit keine Unterstützung gibt.

UNO-SICHERHEITSRAT: Hier liegen Bush und Merkel klar auseinander. Merkel strebt die ständige Mitgliedschaft Deutschlands im UNO-Sicherheitsrat an. Bush verweigert diesem Wunsch bislang die unabdingbare Unterstützung der USA und befürwortet explizit allenfalls eine Aufnahme Japans. Zwar gilt auch in den USA die seit über 50 Jahren geltende Zusammensetzung des Rates als überholt. Doch fürchten sie bei einer Aufnahme Deutschlands ein Übergewicht Europas sowie zusätzliche Ansprüche anderer Weltregionen. In Crawford deutete Bush zumindest Aufgeschlossenheit für das deutsche Anliegen an. Merkel habe einen »interessanten« Vorschlag vorgelegt. Details dazu wurden zunächst nicht bekannt.

KLIMASCHUTZ: Auch hier sind die Differenzen zwischen Bush und Merkel groß. Die Kanzlerin befürwortet verbindliche internationale Vereinbarungen, um den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen nachprüfbar zu verringern. Deutschland selbst will dabei mit gutem Beispiel vorangehen und seine Emissionen bis 2020 um 40 Prozent (gegenüber 1990) senken. Der US-Präsident lehnt verbindliche Zielvorgaben ab. Er erkennt den Klimawandel inzwischen zwar als Problem an, setzt aber auf freiwillige einzelstaatliche Lösungen und auf die Entwicklung klimafreundlicher Technologien. In Crawford gab es kein Anzeichen dafür, dass Bush im letzten Jahr seiner Amtszeit diese Haltung ändern wird.

AFGHANISTAN: Im Kampf gegen den Extremismus und für eine Stabilisierung Afghanistans sind Deutschland und die USA seit sechs Jahren militärische Verbündete. In Bushs Regierung herrscht aber Enttäuschung über jene NATO-Partner, die sich wie Deutschland nicht an den besonders gefährlichen Kampfeinsätzen gegen die Taliban in Südafghanistan beteiligen. Washington fordert eine gerechtere Lastenverteilung. Berlin weist auf den stabilisierenden Beitrag der 3000 Bundeswehr- Soldaten im Norden hin – und auf die skeptische Stimmung in der deutschen Öffentlichkeit, die eine Beteiligung am Kampfeinsatz erschwert. Bush vermied in Crawford Kritik – und dankte der Bundeswehr für ihren Einsatz.

* Aus: Neues Deutschland, 12. November 2007

Bush und Merkel für neue Iran-Sanktionen

Deutschland und die USA wollen an einer diplomatischen Lösung des Atomstreits mit dem Iran arbeiten. US-Präsident George W. Bush trat am Samstag (10. November) nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf seiner Ranch im texanischen Crawford Spekulationen entgegen, er könnte die diplomatischen Möglichkeiten bald für ausgeschöpft erklären und militärische Mittel einsetzen. »Das gehört in die hypothetische Kategorie«, sagte er.
Merkel will die deutsche Wirtschaft zur Einschränkung des Handels mit dem Iran drängen und weiteren Sanktionen zustimmen, falls Teheran nicht einlenkt. Bei ihren Bemühungen um eine Reform des UN-Sicherheitsrats kam die Kanzlerin einen Schritt weiter. Bush erklärte sich bereit, daran mitzuwirken. Die deutsche Bewerbung um einen ständigen Sitz im wichtigsten UN-Gremium will er aber weiterhin nicht ausdrücklich unterstützen.
AP/jW, 12.11.07



Kriegsgeflüster

Bush trifft Merkel

Von Werner Pirker **


Wenigstens hatte Angela Merkel auf der Bush-Ranch nicht versucht, Frankreichs Sarkozy an Unterwürfigkeit gegenüber den USA zu übertreffen. Eine kniende Bundeskanzlerin wäre auch zu peinlich gewesen. Den Beweis für ihre Loyalität brauchte sie ohnedies nicht mehr anzutreten. In der Iran-Frage bekräftigte sie ihre altbekannte Position – dargeboten als »diplomatische Lösung« und gemeint als diplomatische Umschreibung für Erpressung. Mehr schien George W. Bush von »Misses chancelor« auch gar nicht gewollt zu haben.

Zur Verhinderung eines Krieges hat Frau Merkel in Texas jedenfalls nichts beigetragen. In der Hauptfrage – der Einschränkung der iranischen Souveränität – sind sich Washington und Berlin einig. Teheran müsse, so Merkel, bei seinen Verhandlungen mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) einlenken, andernfalls müßten härtere Saiten aufgezogen werden. Daß die IAEA dem Iran Koopera­tionsbereitschaft durchaus zubilligt, stößt in Berlin und Brüssel auf taube Ohren. Und auch die Haltung der USA, mit den Iranern nur unter der Bedingung verhandeln zu wollen, daß diese das von Washington gewünschte Verhandlungsergebnis – die unverzügliche Einstellung ihres Atomforschungsprogramms –vorneweg akzeptieren, scheint der Bundeskanzlerin keiner Kritik würdig zu sein.

Anders als vor dem Irak-Krieg hat sich unter den europäischen Eliten angesichts der Iran-Krise keine Gegenposition zur amerikanischen Kriegspolitik herausgebildet. Der neue Mann im Elysee-Palast und dessen »menschenrechtsbewegter« Außenminister versuchen, in völliger Verkehrung der traditionellen gaullistischen Außenpolitik, die Bush-Krieger in militaristischer Rhetorik noch zu überschreien. Und Berlin ist nur scheinbar um Mäßigung bemüht. Es vertritt nicht minder entschieden wie die Kriegstreiber in Frankreich und den USA den Standpunkt, daß für die iranische Atomforschung andere Regeln zu gelten haben, als es die internationalen Abkommen zur Begrenzung der Nuklearrüstung vorschreiben.

Die Bundeskanzlerin begründet die Politik der Ungleichbehandlung mit der Sicherheit Israels, die nicht zur Disposition stehen dürfe. Diesem Sicherheitsbedürfnis wird es auch zugute gehalten, daß sich der zionistische Staat hinter dem Rücken einer sonst so wachsamen Weltöffentlichkeit in den Besitz von Atomwaffen gesetzt hat. Allein der Gedanke, daß auch Israels Sicherheit letztlich nur auf dem Prinzip der gleichen Sicherheit für alle beruhen könne, gilt in Deutschland bereits als politisch unkorrekt.

Während Bush im eigenen Land immer stärker in die Kritik gerät, scheint er unter den EU-Granden seine letzten Getreuen gefunden zu haben. Die mögen zwar die Hoffnung hegen, daß unter einen neuen US-Präsidentschaft ihr Wort mehr Gewicht erhält. Doch könnte ein kriegswütiger George W. Bush mit einer letzten Verzweiflungstat von ihnen nicht mehr beherrschbare Tatsachen setzen.

** Aus: junge Welt, 12. November 2007


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