Berlin verschärft Ton gegenüber Teheran
Beratung über europäische Reaktionen angekündigt / Irans Parlament stellt sich hinter Führung
Angesichts anhaltender Proteste verschärft die Bundesrepublik die Tonart
gegenüber der Führung in Teheran.
Man sei in großer Sorge über die Entwicklung und verurteile das brutale
Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte, sagte der Staatsminister im
Auswärtigen Amt, Werner Hoyer, am Dienstag in Berlin. Er appellierte an
die iranische Regierung, eine weitere Eskalation zu verhindern. Das Land
stehe in der Pflicht, die Rechte seiner Bürger wie die Meinungsfreiheit
zu gewährleisten. Die Menschen in Iran, die sich dafür einsetzten,
hätten die deutschen Sympathien.
Nach Hoyers Worten wird Deutschland mit seinen europäischen Partnern
über mögliche gemeinsame Reaktionen beraten. Alleingänge solle es nicht
geben. Er schloss auch eine Einbestellung des iranischen Botschafters in
Berlin nicht grundsätzlich aus. Die Bundesregierung werde alle Kanäle
nutzen, um der Führung in Teheran deutlich zu machen, »was wir von der
Sache halten«.
Unterdessen hat der iranische Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad die
USA und Israel für die Protestwelle gegen seine Regierung
mitverantwortlich gemacht. »Das ist ein von den USA und den Zionisten
inszeniertes Schauspiel«, sagte der Präsident. »Beide Seiten, jene, die
das Schauspiel inszenieren, sowie die, die darin auftreten, machen einen
Fehler. Denn die iranische Nation hat schon viele solcher Stücke gesehen
und wird davon nicht beeinflusst.« Der Präsident warf den USA und
Großbritannien vor, die Demonstranten zu unterstützen. Beide Länder
würden das bereuen, fügte er hinzu.
Nach den gewaltsamen Zusammenstößen in Iran hat das von konservativen
Abgeordneten dominierte Parlament die Höchststrafe für Demonstranten
gefordert und die Oppositionsführer zur Zurückhaltung ermahnt. Bei
Razzien wurden am Dienstag laut reformorientierten Internetseiten erneut
Journalisten festgenommen. Zudem wurde die Schwester der iranischen
Friedensnobelpreisträgerin und Anwältin Schirin Ebadi abgeführt.
»Das Parlament will, dass Justiz und Geheimdienste jene festnehmen, die
die Religion beleidigen, und ohne Zurückhaltung die Höchststrafe über
sie verhängen«, hieß es in einer Erklärung, die Parlamentspräsident Ali
Laridschani im Fernsehen verlas. Dabei ließ er offen, ob damit die
Todesstrafe gemeint ist. Das Parlament mache jedoch einen Unterschied
zwischen »politischen Bewegungen, die die Reformer inmitten des Regimes«
repräsentierten, sowie demonstrierenden »Konterrevolutionären«, sagte
Laridschani.
Etwas zurückhaltender im Ton richtete sich Laridschani an die
Oppositionsführer. Diese sollten sich von den Protesten abgrenzen,
forderte er. »Wir erwarten von diesen Gentlemen, die sich über die Wahl
beschwert haben, dass sie aufwachen und sich deutlich von dieser
gefährlichen Bewegung distanzieren.« Die Oppositionsführer, die das
Wahlergebnis der Präsidentschaftswahl vom Juni anzweifeln, sollten durch
neue Äußerungen »nicht noch mehr Staub aufwirbeln«. Die Kritik
westlicher Länder am gewaltsamen Vorgehen der iranischen
Sicherheitskräfte wies das Parlament als »abscheulich« zurück.
Die Anwältin Ebadi erklärte auf der Internetseite Rahesabs.net, ihre
Schwester Nuschin Ebadi, eine Medizinerin, sei politisch nicht aktiv.
Mit der Festnahme solle vielmehr sie selbst gezwungen werden, ihre
Aktivitäten zur Verteidigung der Menschenrechte einzustellen. Ebadi war
2003 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Sie hatte Iran
einen Tag vor der Präsidentschaftswahl im Juni verlassen und forderte
die internationale Gemeinschaft seitdem immer wieder auf, gegen
Menschenrechtsverletzungen in ihrer Heimat vorzugehen.
* Aus: Neues Deutschland, 30. Dezember 2009
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