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Mit Zahnbürste gegen Atomwaffen

Gewaltfreier Widerstand am Fliegerhorst in Büchel soll auch nach Blockade weitergehen

Von Michael Schulze von Glaßer *

Am Freitag endet mit der Aktion »Büchel 65« eine Blockade des einzigen Atomwaffen-Stützpunktes in Deutschland - weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit.

Politische Aktionen ist man am »Fliegerhorst Büchel« in Rheinland-Pfalz gewohnt. Seit knapp 30 Jahren kämpfen linke Aktivisten gegen die dort stationierten US-Atomwaffen. Die nun erstmals stattgefundene mehrwöchige Blockade des Stützpunktes dürfte die Militärs aber doch vor eine Herausforderung gestellt haben: Immer wieder wurden Zufahrten von Atomwaffengegner versperrt, wodurch Soldaten nicht mehr pünktlich zum Dienst kamen. Sogar die Übungsflüge der in Büchel stationierten Bundeswehr-»Tornados« sollen verspätet stattgefunden haben. Das zumindest berichtet Katja Tempel. Sie hat die seit dem 26. März laufende Aktion »Büchel 65« mitorganisiert. »Die Resonanz war besser als erwartet«, zieht die Aktivistin zum Schluss Bilanz.

An insgesamt 30 Tagen habe es Blockaden gegeben, so Tempel weiter. Mehr als 350 Leute aus etwa 35 verschiedenen Friedensgruppen beteiligten sich daran. Dass die jüngste Aktivistin gerade 14 und die älteste 84 Jahre alt war, zeige das breite Spektrum der Bewegung. Was Tempel besonders betont: »Es gab immer wieder spontane Mitblockierer aus der Region.« Ein Ziel der Aktion war es, vor Ort stärker auf die Atomwaffen aufmerksam zu machen und Mitstreiter zu finden. Die Organisatoren kamen nämlich überwiegend aus dem Wendland: Da dort aktuell kein Atommülltransport fährt, der blockiert werden müsste, widmen sich die Gorleben-Aktivisten den Atomwaffen. Dazu haben sie neben dem Haupteingang des Fliegerhorst extra ein kleines Camp errichtet.

Ob die Blockade Aufsehen erregt hat, ist allerdings fraglich. Das räumt auch Katja Tempel ein: »Atomwaffen sind noch immer ein Randthema und es ist uns nicht gelungen, es auf die politische Agenda zu setzen.« Obwohl die Gefahr eines Atomkrieges aufgrund der neuen Spannungen zwischen Ost und West steigt, ist die Stationierung der vermutlich 20 US-amerikanischen Bomben in der Öffentlichkeit kaum ein Thema. Und das, obwohl sie im Ernstfall sogar von den »Tornado«-Piloten der Bundeswehr ins Zielgebiet geflogen werden sollen.

Auch die kürzlich zu Ende gegangene neunte Überprüfungskonferenz zum »Atomwaffensperrvertrag« in New York hat das Risiko einer atomaren Auseinandersetzung nicht gebannt: Nur 106 der 191 Staaten, die den »Atomwaffensperrvertrag« unterzeichnet haben, stellten sich hinter eine Initiative Österreichs, die Verhandlungen über ein völkerrechtliches Verbot und eine Verschrottung aller noch vorhandenen Atomwaffen zum Ziel hatte. Die Bundesregierung lehnte die Initiative ab. Zwar spricht sich Berlin in der Öffentlichkeit immer wieder für die Abrüstung der Waffen aus, de facto sorgt man aber für den Erhalt des Status quo: Die in Deutschland stationierten US-Waffen sollen bald modernisiert werden. Die langsam in die Jahre kommenden, für den Abwurf nötigen »Tornado«-Kampfjets werden vom Bundesverteidigungsministerium in Stand gehalten, um für den zweifelhaften »Auftrag« bereit zu sein.

Gründe genug für die Aktivisten, in Büchel weiter zu protestieren - und das wie am Freitag zum Abschluss von »Büchel 65« unter hohem Einsatz: »Wir werden unsere Zahnbürsten zur Blockadeaktion mitbringen als Zeichen dafür, dass wir bereit sind, auch in Polizeigewahrsam zu gehen«, kündigte Katja Tempel an: »Der gewaltfreie Widerstand gegen die Atomwaffen in Büchel wird weitergehen!« Welche Aktionen es in Zukunft geben wird, müsse aber noch diskutiert werden.

Auf die Bundeswehr, die den Eingang ihres Fliegerhorsts im Vorfeld der Blockade mit zusätzlichen Bauzäunen gesichert und keinen direkten Kontakt mit dem Aktivisten gesucht hat, dürfte noch Einiges zukommen. Das dort stationierte »Taktische Luftwaffengeschwader 33« war für eine Stellungnahme zu »Büchel 65« nicht zu erreichen.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 29. Mai 2015


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